25 Jahre im Dienst der Jugendarbeit
Im Reit- und vor allem im Springsport kennt ihn fast jeder: (Hans Josef) Sepp Gemein. Jetzt feiert er sein 25jähriges Dienstjubiläum als Rheinland-Pfälzischer Landestrainer. ‚Stallgeflüster‘ besuchte den langjährig erfahrenen Pferdemann bei sich zu Hause in Montabaur.
„Mit dem Reiten habe ich erst relativ spät angefangen“, erzählt er uns mit verschmitztem Lächeln. „Als Kind hatte ich nämlich zunächst Angst vor Pferden.“ Die Wende kam als der junge Mann fünfzehn war und ein Mädchen kennen lernte, die ein Pferd besaß. „Eines Tages gab sie mir einfach die Zügel in die Hand uns sagte: ‚Halt mal‘. Mit fünfzehn macht man das dann – schließlich kann man da keine Schwäche zeigen.“ Und das war dann auch das Ende der Zeit als Nicht-Reiter. „Ich stand oft in der Reithalle im Hardtberg an der Bande und wartete, ob ich für jemanden trocken reiten durfte.“
Das waren damals noch ganz andere Zeiten in den 60er Jahren erinnert sich Sepp. „Mein Vater war Springreiter und Reitlehrer. Ich weiß noch, dass wenn in Bad Hönningen Turnier war, dass er den Treidelpfad am Rhein entlang ritt, mit Handpferd auf dem das Gepäck befestigt war, nach Linz.“ Dort setzte er mit der Fähre über und ritt weiter bis zum Turnierplatz. Angekommen, wurden die Pferde im Park unter den Bäumen am Telegraphenmast angebunden und das Nachtquartier unter freiem Himmel hergerichtet.
„Heute hat sich vieles verändert – größten Teils zum Besseren. Vor allem das Ausbildungssystem ist deutlich besser geworden“, konstatiert Sepp. „Und als Ausbilder ist man auch heute noch eine Respektsperson, die geachtet wird.“
Doch es gibt auch Ärgernisse. Sepp ist kein ‚Polterer‘, die ‚rheinische Lebensart‘ hat bei ihm ihre Spuren hinterlassen. Statt mit Ge- und Verboten zu arbeiten, versucht er, seine Schüler auch als Mensch zu begleiten. „Ich kann den jungen Leuten sagen, wozu ich mich entschlossen habe, kann ihnen aber ihre Entscheidung, wie sie sich zu verhalten haben, nicht abnehmen.“
„Die Jugendlichen, die bei mir reiten, haben eine Menge Druck. Da ist zunächst einmal die Schule – oft bis 16.00 Uhr nachmittags. Dann kommen sie nach Hause und müssen noch ein bis zwei Pferde reiten – das ist viel verlangt. Hinzu kommen an den Wochenenden die Turniere, von denen 20 bis 25 Übernachtungsturniere sind. Für viel Sozialkontakte außerhalb der Reiterei fehlt unseren jungen Talenten meist die Zeit. Und so feiern sie dann oft nach dem Reiten. Klar, dass da auch mal jemand über die Stränge schlägt – wem ist das als Jugendlichem noch nicht passiert?“ Demensprechend hat sich Sepp auch über die Medienberichterstattungen der beiden vergangenen Jahre geärgert. „Das klang fast so, als würden viele nur zum Feiern und Party machen auf Turnier fahren. Und das ist nicht so. Aus meiner Sicht gehen die Jugendlichen zum überwiegenden Teil sehr verantwortungsvoll und fair mit dem Sport und ihren Pferden um. Falls sie aber mal Mist bauen ,müssen sie dafür gerade stehen und aufgrund ihrer Vorbildfunktion, auch die daraus resultierenden Konsequenzen tragen.“
Neben den kleinen Ärgernissen gibt es aber auch viele Dinge, die den langjährigen Trainer besonders freuen. Zum Beispiel haben ihm seine Schüler zum 25. Jubiläum ein Buch zusammengestellt, in dem jeder seine eigenen Erfahrungen im Training mit ihm beschreibt. Und eines der schönsten Dinge, die er als Trainer hat, sind die Kinder, die ins Basis-Förderprogramm kommen. Das Leuchten in ihren Augen, wenn sie mir sagen wie sie und ihr Pony oder Pferd heißen und daß sie mal Springreiter werden wollen, zeigt mir , dass ich mich für den richtigen Beruf entschieden habe.“ Trotz guter Förderprogramme und hervorragender Zusammenarbeit mit den Heim-Trainern hat er ein wenig Sorge um den Nachwuchs. „Die Schule wird immer anspruchsvoller, teilweise geht der Unterricht bis in den späten Nachmittag. Da bleibt wenig Zeit für den Sport. Denn schließlich sind es Fleiß und Ehrgeiz, die die Kinder und Jugendlichen im Sport ganz nach vorne bringen. Und wenn der Sport nicht wäre, wäre das Pferd in Deutschland möglicherweise schon ausgestorben. Ich sehe die Reiterei auch als aktiven Tierschutz – denn nur von einem absolut gesunden Tier kann Leistung erbracht werden.“
Leistung – das ist das Stichwort. Natürlich fragt ‚Stallgeflüster‘ den Fachmann nach seiner Einschätzung zu den olympischen Spielen in Tokyo. „Ich denke, dass die Pferde dort trotz der Hitze nicht allzu viel Probleme haben werden. Zum einen sind diese Tiere an das Reisen gewöhnt, zum anderen wird vor Ort alles dafür getan, dass sie sich wohl fühlen.“ Schwieriger schätzt er den Stellenwert ein, den die Olympischen Spiele für die Reiter haben werden. Durch die Beschränkung auf drei Teilnehmer und den Wegfall des Streichergebnisses werde das Ganze für die Mannschaften eher zu einem Lotteriespiel. „Rutscht einer aus, dann ist es für die gesamte Mannschaft vorbei. Und ich bin mir nicht sicher, dass es die richtige Entscheidung war, mehr Länder an den Wettkämpfen teilnehmen zu lassen und dafür die Mannschaften einzuschränken. Das könnte den Spielen aus Sicht der Teilnehmer die Wertigkeit nehmen. Klar ist der olympische Gedanke, so viele Nationen wie möglich teilnehmen zu lassen, grundsätzlich richtig. Im Bereich des Pferdesports und der Höchstleistungen sollte man dies jedoch etwas differenzierter betrachten. Wir stehen unseren Pferden gegenüber in der Verantwortung. Im Vorfeld sollte eine bessere Selektion der teilnehmenden Nationen stattfinden, um bei Olympia den sportlich hohen Wert zu behalten. Die Wegnahme des Streichergebnisses kommt meines Erachtens einer Kastration gleich. Teamwettbewerbe, egal in welcher Sportart, sind ein Indikator für ein gutes Miteinander, tragen zur Völkerverständigung bei, und sollten unbedingt erhalten bleiben.“
Das war ein sehr ausführliches Gespräch mit unterschiedlichsten Aspekten aus der Alltagsarbeit eines Trainers. Dafür bedankt sich ‚Stallgeflüster‘ ganz herzlich bei Sepp Gemein.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm