Irish Cob: Der Kaiser-Wilhelm-Bart ist ‚in‘
Frühjahr ist Fohlenzeit ganz gleich welche Rasse, die Kleinen kommen jetzt zur Welt und sind immer wieder ein Hingucker. Auch wir in der Redaktion von ‚Stallgeflüster‘ freuen uns jedes Jahr wieder über die oft noch ungeschickten kleinen Wesen. Da bot es sich an, als wir von der Tinker-Zucht auf dem Hof Wiesental hörten, einmal über den Nachwuchs bzw. diese speziellen Rasse zu berichten.
Also machten wir uns auf den Weg in den Hunsrück, wo sich Rhein und Nahe treffen. Eine kleine Reise, die sich allein schon durch die Landschaft lohnte. Grüne Wiesen, Weinberge, noch ein wenig kahl, heftige Straßensteigungen und Kurven – landschaftlich hatte dieser Ausflug durchaus etwas zu bieten. Schließlich erreichten wir den kleinen Ort Bollenbach, östlich des Idarwaldes, nicht weit vom bekannten Flughafen Frankfurt-Hahn. Ein winziger Ort mit einer kleinen Kirche aus dem 18. Jh. und rund 130 Einwohnern. Die Häuser liebevoll gepflegt, kurzum ein Schmuckstück inmitten der zauberhaften Landschaft.
Klopfen oder Schellen brauchen wir nicht – in einem solch kleinen Ort fällt ein fremdes Auto sofort auf. Alexandra Beissert, Pferdewirtschaftsmeisterin und Züchterin sowie ihre Mutter Rita erwarten uns bereits und freuen sich, dass wir pünktlich kommen. Sie haben mit den ersten Ausflügen ihrer Fohlen auf die Koppel extra auf uns gewartet – schließlich war es bisher zu nass auf den Wiesen und wir kommen an einem der ersten trockenen, sonnigen Tage hier an.
Fünf Fohlen wird es in diesem Jahr geben – zwei davon sind bereits geboren und Alex hat die Stute schon am Halfter und macht sich auf den kurzen Weg zum lang ersehnten Grasen. Da wird erst einmal fröhlich abgetobt und so manche Verspannung mit Bocksprüngen gelöst.
Ihren Beruf hat Alexandra Beissert eigentlich auf einem Vollblutgestüt erlernt. Und, dass ihr Herz noch immer für Rennpferde schlägt, ist nicht zu übersehen. „Zu den Irish Cobs kam ich durch meine Mutter“, erzählt sie uns. „Ich suchte damals ein zuverlässiges, braves Freizeit-Pferd für sie und bekam so den ersten Irish Cob.“ Das Wort ‚Tinker‘ hört sie nicht so gern, denn es wird im Irischen/Gälischen als Schimpfwort gebraucht: Zigeuner, Kesselflicker.
Damit ist dann auch die Herkunft dieser speziellen Rasse geklärt: Die Irish Cobs, erst 1998 als Rasse anerkannt, wurden überwiegend vom ‚Fahrenden Volk‘ gezüchtet. Widerstandsfähig mussten sie sein, arbeitswillig, gutmütig, genügsam im Futter und kräftig genug, um Wagen mit dem Hab und Gut einer ganzen Familie zu ziehen.
Inzwischen teilt man die Rasse in drei Sektionen: Sektion A = Horse (Pferd mit einem Stockmaß von 160 – 170 cm), Sektion B = Small Horse (Kleinpferd mit einem Stockmaß von 149 bis 159 cm) und Sektion C = Pony (Pony mit einem Stockmaß von 128 bis 148 cm).
Alexandras Irish Cobs zählen zur Sektion C. Kräftige Pferdchen mit einer guten Portion Temperament und Menschenbezogenheit von der wir uns hier überzeugen können. Man geht zwar gerne toben und grasen, kommt aber alle paar Minuten wieder zurück, um zu sehen was die Zweibeiner da so treiben und holt sich eine zusätzliche Streicheleinheit ab. Nicht nur die Mama, sondern auch das Fohlen.
„Wir züchten brave, zuverlässige Pferde für den Freizeit-Bereich“, erklärt uns Alex. „Man kann sie fahren, reiten – auch einmal in eine kleine Dressurprüfung, denn sie haben schon recht viel Bewegung.“
Besonders stolz ist Alexandra auf die langen Mähnen und den üppigen Kötenbehang. „Darauf wird bei Zuchtschauen großer Wert gelegt“, erzählt sie und betrachtet kritisch die Mähne, an der ein Nachbar-Pferd ein wenig geknabbert hat. Denn alle Pferde auf dem Wiesenhof leben in Offenstall-Haltung. „Die laktierenden Stuten bekommen ausreichend Hafer und gutes Mineralfutter sowie qualitativ hochwertiges Heu.
Ansonsten halte ich nicht viel von Zusatzfuttermitteln, die oftmals nur Speck ansetzen“, meint die Pferdewirtschaftsmeisterin. Und das Aussehen der kleinen scheint ihre Auffassung durchaus zu bestätigen. Auffällig an Alexandras prämierter Stute Castle Knock Kerry ist ihr ‚Kaiser Wilhelm‘-Bart. Richtig lang und gezwirbelt, wie ihn die modebewussten Herren vergangener Jahrhunderte mit Bartbinden etc. zu legen versuchten. „Den muss ich auch regelmäßig schneiden“, erwähnt Alexandra. „Er ist ebenso wie Mähne, Schweif und Kötenbehang ein besonderes Rassemerkmal dieser Pferde.“
Alexandra ist mit ihren Pferden Mitglied in der Irish Cob Society Nederland und besucht auch regelmäßig Zuchtschauen. Wichtig ist ihr dabei, dass alle ihre Pferde PSSM-frei sind und dies auch regelmäßig getestet wird. Welch ein Glück für das Fohlen, das hier in die Gemeinschaft mit Menschen hinein geboren wird und von klein auf das Pferde-Einmaleins kennen lernt.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm