Von Wellington bis Calgary Hufbeschlag international aus einer Hand
‚Handwerk hat goldenen Boden‘ – das behauptet ein altes, teilweise vergessenes Sprichwort.Einer, auf den diese Redewendung im wahrsten Sinn des Wortes zutrifft, ist Hufbeschlagschmied Marcus Wagner. Seine Kundschaft ist international – von Wellington, USA bis nach Canada: Wagner dreht seine Beschlags-Runden rund durch Deutschland und um die Welt, begleitet u.a. auch Daniel Deußer zu dessen Turnieren.
Doch zu solch beruflichem Erfolg gehört ein weiteres Sprichwort: Jeder ist seines Glückes Schmied. Und das bedeutet, dass man nicht nur abwarten kann, sondern, wie Wagner es noch heute tut, sich ernsthaft mit dem Beruf beschäftigt und „200 Prozent geben will,“ so drückt das der 31jährige erfolgreiche Hufbeschlagschmied und Springreiter aus. ‚Stallgeflüster‘ sprach mit Marcus Wagner, der ein Handwerk erlernt hat und dieses überaus erfolgreich ausübt über seinen Werdegang, seine sportlichen Ambitionen im Springsport und die Pläne für die Zukunft.
Gute Hufschmiede sind aktuell sehr rar. Ein Handwerksberuf zu lernen und dann erfolgreich und lukrativ zu arbeiten kann also doch sehr spannend sein. Er ist das beste Beispiel.
„Mit dem Reiten habe ich angefangen als ich zwölf war“, erzählt er uns. „Allerdings eher gezwungenermaßen, als aus Interesse, denn eigentlich wollte ich lieber Fußball spielen als reiten. Da aber meine ganze Familie, Mutter, Vater, Bruder und Schwester angefangen hatten zu reiten, blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu fügen. Und zunächst hatte ich da erhebliche Probleme. Man prophezeite mir sogar, dass ich mich nie würde auf einem Pferd halten können. Aber ich habe eine Weile daran gearbeitet und dann den Springsport für mich entdeckt – das ist bis heute mein großes Hobby in dem ich auch recht erfolgreich unterwegs bin.“ Trotzdem sich Wagner als Junge zunächst nicht viel aus Pferden machte: „Ich wollte schon immer Tierarzt, Bereiter oder Schmied werden“, erzählt er. Aber Geld verdienen wollte der junge Springreiter nach der Schule auch ganz gerne – und da Lehrjahre keine Herrenjahre sind, arbeitete er neben der Lehre ein wenig länger. Seine Bereiter-Ausbildung schloss er in dem Stall in Großostheim deshalb ein wenig später ab als üblich.
Kurz nach der Prüfung stellte er für sich fest, dass er nicht dauerhaft als angestellter Bereiter arbeiten wollte. Darauf rief er direkt den Hufbeschlagschmied Christian Götz an. Bei ihm konnte er aufgrund seiner abgeschlossenen Bereiterlehre eine verkürzte Ausbildung absolvieren und an den Wochenenden mit Fleiß und Durchhaltevermögen noch zusätzlich Geld verdienen und Erfahrung sammeln. Die Prüfung zum Hufbeschlagschmied legte er in der Lehrschmiede in Gießen ab. Der Zufall wollte es, dass er Kent Farrington und Robbie Bongers kennen lernte. „Da wurde mir klar, ich wollte so werden wie sie. Auf eigene Kosten reiste der junge Mann nach Wellington, begann dort mit einem Praktikum und arbeitete sich nach und nach nach oben. Drei Jahre verbrachte er in den USA, und durfte schließlich, wenn der ‚große Meister‘ keine Zeit hatte, auch einmal beschlagen. „Ich habe dort eine Menge gesehen, gelernt und Kontakte geknüpft“, erinnert er sich an diese Zeit.
Schließlich empfahl ihn Alex Ray an Stephex Stables. Dort traf er u.a. auch Daniel Deußer, den er bis heute international auf seinen Turnieren begleitet und betreut. Natürlich gibt es auch eine Reihe von Kunden in ganz Deutschland und Europa, deren Pferde Wagner beschlägt. Dazu fliegt er mittlerweile zwischen den Städten hin und her, hat sich entsprechendes Equipment zugelegt und pendelt noch immer von November bis nach April nach Wellington und Calgary.„Klar ist das ein wenig stressig“, meint er nonchalant, „aber wenn man einmal angefangen hat, das Rad so groß zu drehen, ist es schwierig es kleiner zu drehen. Außerdem genieße ich es schon, Business Class zu fliegen und ein wenig mit den ‚Schönen und Reichen‘ dieser Welt den Erfolg auszukosten. Schließlich ist es eine tolle Sache, abends bei einem super Essen den Champagner und das Leben zu feiern. Und besonders genieße ich es inzwischen, wenn ich mit den wirklich reichen Geschäftsleuten auf einem Empfang eingeladen bin, mich der eine oder andere nicht kennt und ich ihm seine Gedankenblase, wenn er hört, dass ich Hufschmied bin, vom Gesicht ablesen kann, ‚Was, ein Handwerker?‘“. Im Jahr vor Corona absolvierte Wagner rund 80 Flüge und rund 100.000 Kilometer mit dem Auto. Doch neben seinem Beruf ist Marcus Wagner auch ein erfolgreicher Springreiter. Wie bringt er, der so viel unterwegs ist, Beruf und Sport ‚unter einen Hut‘? „Springreiten ist mein Hobby. Ohne das würde ich mit Sicherheit an sieben Tagen in der Woche arbeiten. Daran hindern mich die Turnier-Termine und natürlich auch das Training, das vor schwereren Prüfungen erforderlich ist. Meine Pferde stehen im Stall bei meiner Lebensgefährtin Christiane Hoffmann und werden dort auch gearbeitet, wenn ich unterwegs bin. Ohne diese Unterstützung wäre das sonst nicht möglich, denn ich organisiere mich und meine Reisen auch selbst.“
Marcus Wagner ist im Springen bis zur Klasse S unterwegs und war auch im Corona-Jahr in Niederzeuzheim und Kranichstein in dieser Klasse platziert. „Springreiten ist eben meine große Leidenschaft“, meint er und beichtet ‚Stallgeflüster‘, dass auch er noch Träume hat: „Ich möchte gerne mal dahin kommen, über 1,50 m zu reiten.“
Doch nebenbei hat er auch weitere berufliche Ambitionen. Im Augenblick lernt er gerade Pferde-Physiotherapie. „Denn 75 Prozent der Gesundheit eines Pferdes liegt auf dem Huf. Damit balanciert sich das Tier aus, er ist für die gleichmäßige Belastung aller Muskeln, Sehnen und Bänder verantwortlich. Ich denke, wenn ich gelernter Physio-Therapeut bin, gelingt es mir noch detaillierter, ein Pferd zu analysieren und dementsprechend meine Arbeit weiter zu verbessern.“
Wen wundert’s bei so viel Engagement, wenn der 31jährige am Montag Termine in Hamburg hat, Dienstag bis Mittwoch in Malaga unterwegs ist und am Donnerstag für anderthalb Tage nach Miami fliegt. Schließlich arbeitet er daran, das was er tut, zu 200 Prozent richtig zu machen. Da kann ‚Stallgeflüster‘ nur weiterhin viel Erfolg in Beruf und Sport wünschen.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm