Jens Hilbert – „Pferde sind die wichtigsten Seelen im Leben“
„Den Mutigen gehört die Welt“ ist das Lebensmotto von Jens Hilbert, der sich als gehänselter Junge vom Land in den letzten drei Jahrzehnten zum erfolgreichen Unternehmer hochgekämpft hat.
Ganz nebenbei hat es der passionierte Springreiter auch noch als Amateur bis in die Liga der Profis geschafft. Vor zwei Jahren verkaufte der Selfmade-Millionär sein „hairfree“-Imperium, um sich noch intensiver seiner absoluten Leidenschaft, den Pferden und dem Reitsport, zu widmen. „Ich bin der Junge vom Lande und bleibe das auch für immer,“ sagt der gebürtige Odenwälder, der regelmäßig an nationalen und internationalen Springprüfungen bis zur schweren Klasse teilnimmt und seinen Stall am liebsten immer noch selbst ausmistet. Wir haben Jens Hilbert ein paar Fragen gestellt.
Du startest bei allen großen Turnieren, wie Wiesbaden oder Balve. Bis du ins Profilager gewechselt?
Ja, das stimmt, ich habe mich ziemlich gemausert und würde mich mittlerweile als sehr gut reitenden Amateur bezeichnen, das heißt, ich habe nicht ins Profilager gewechselt, ich habe nur durch gute Resultate immer wieder die Ehre und die Chance, mal auf Turnieren wie kürzlich das Schloßpark Turnier in Wiesbaden auf 4* Niveau reiten zu dürfen und zudem noch den kleinen Miracle Moment zu haben, dann am Pfingstmontag vor großer Kulisse platziert zu sein in einer 4* Prüfung, das ist der absolute Hammer für mich, wenn so etwas eintritt.
Wie siehst du deine Leistungen und die deiner Pferde in diesem hoch qualifizierten Starterfeld?
Da ich meine Pferde zuhause kaum springe, da ich sie happy und gesund halten will und sie es im Gegenteil zu mir auch nicht unbedingt benötigen zwischen den Turnieren, schätze ich meine Leistung trotz aller Selbstkritik an mir, in der ich durchaus sehr, sehr gut bin, als sehr hoch ein. Ich habe ja 10 Jahre ausgesetzt mit Turnieren und teils reiten, als meine Familie und ich alles verloren haben und ich als Kellner unterwegs war und später meine Firma hairfree aufbaute und zudem meine Medienkarriere. Mit wenig Routine und bis heute wenig Turnieren dieser Größenordnung und auch kaum Routine mit vielen Pferden, die ich unter der Woche springe, bin ich durchaus stolz, da oben bei den Top 100 ab und an mal eine Schleife am Hals zu tragen in einem schweren Springen.
Wo und wie oft findet das Springtraining statt? Hast du für die dressurmäßige Ausbildung auch einen Trainer?
Ich habe seit einigen Jahren keinen wirklichen Trainer mehr, ich habe mal für mich entschieden, dass ich ähnlich wie in meiner Firma, mal einen Tipp-Geber und Berater haben möchte, aber letztlich auf mein Herz und meinen Bauch vertrauen möchte. Wenn ein Trainer eine Gebiss-Idee hat oder eine Distanz im Parcours aus seiner Sicht abläuft, heißt das noch lange nicht, dass diese Tipps zu mir, meiner Reiterei und meinem Pferd passen. Das muss man schlussendlich für sich selbst entscheiden. Ich habe 2-3x im Monat Dressurunterricht und ehrlicherweise kläre und trainiere ich alle Problemchen, die ich im Parcours habe, auch auf dem Dressurplatz, nicht am Sprung. Meiner Meinung nach ist der Erfolg im Parcours, wenn man ein Gefühl für die Distanz hat, nie das Problem am Sprung, sondern, dass ich mein Pferd an den wenn möglich unsichtbaren Hilfen auf dem Hinterbein habe und obendrauf ist es noch viel gelenkfreundlicher, denn dann schone ich mein Pferd und habe es noch besser auf dem Hinterbein.
Wer gehört noch zu deinem Team, wer steht hinter dir?
Am Ende steht man immer alleine und schöpft letztlich auch die größte Kraft aus der eigenen, inneren Stärke. Das hört sich vielleicht arrogant an, denn ich könnte hier auch antworten, ohne Top Pferdepfleger, Trainer, Freunde und, und, und ist der Mensch gar nix und man braucht Freunde und tolle Mitarbeiter hinter sich, aber im Parcours hilft einem all das nix, da ist man alleine mit seinem Pferd. Natürlich ist es von größtem Vorteil, wenn meine Pflegerin mein Pferd gut versorgt und liebt, aber wenn ich keine eigene Beziehung zu meinem Pferd aufbaue, hilft das im Parcours auch nix. Ich denke, die Mischung machts letztlich, denn wenn man ein guter Mensch ist und gelernt hat, seinen Gefühlen zu horchen und danach zu handeln, hat man in der Regel auch Menschen dieser Art um sich herum und da kann ich final sagen, dass das auch zutrifft, ich bin sehr gesegnet mit Menschen um mich herum, die mir helfen, meine Ziele zu erreichen.
Du sprichst gerne von deinen „Herzpferden“. Wie viele Pferde leben momentan bei dir, mit welchen arbeitest du täglich und wer ist aktuell dein Favorit und warum?
Ich habe meist 3-4 Pferde unter dem Sattel. Ich spreche oft von meinen wichtigsten Seelen im Leben, denn Tiere kommen oftmals auf Platz 1 in meinem Leben vor den Menschen, denn Tiere sind immer ehrlich, aufrichtig und bewerten und verurteilen dich nicht, das hilft mir schon mein ganzes Leben, wenn die Menschen mal wieder nicht so nett zu mir waren. Mein bestes Grand Prix Pferd Atlantaz hat sich im März in Spanien leider verletzt, der kommt jetzt mit viel Ruhe wieder langsam zurück. Dara, meine Selbstbewußtseins-Superstute ist tatsächlich mein Herzpferd, sie ist superschwierig gewesen. Ich habe total den Zugang zu ihr, aber letztlich auch zu all meinen anderen Pferden, sonst würden sie nicht so für mich kämpfen, wenn ich mal Fehler mache. Dara hatte ein Verladeproblem, hat Angst vor anderen Pferden, geht nicht gerne in eine Box und wieder raus, dreht nicht nach rechts und vieles mehr, aber hat Mut, wenn es um 1,50 Springen geht, also haben wir mit Geduld und Durchhaltevermögen für alle Themen Kompromisse geschlossen und dann Hochzeit gefeiert, wie im richtigen Leben.
Unseres Wissens hast du häufig mit Stuten Erfolg gehabt. Nun hast du mit Look at me einen Wallach als Erfolgspferd. Wie fühlt sich das an?
Das stimmt, mit Dara, Carrimara, aber auch meiner verrückten Stute Guess konnte ich schon in einigen großen Preisen in Balve, Oliva, Opglabbeek oder bei hessischen Meisterschaften schöne Runden drehen und tolle Platzierungen feiern. Zu Beginn musste ich immer viel Vertrauen und Geduld auf das gemeinsame Beziehungskonto einzahlen und ich sagte immer, ich bin der beste, schwule Freund von dominanten Alpha-Weibchen, denn jede Stute auf ihre Weise sind im Rudel aus meiner Sicht Leitstuten und diese dressiert man nicht, diese begleitet man mit guten Absichten und dann tun sie alles für einen, das ist so mein Rezept. Dara kam mit schlechten Erfahrungen beim Verladen zu mir, selbst 2 Monty Roberts- Experten gaben auf. Ich habe es ohne den Einsatz einer einzigen Peitsche oder Longe oder Druck geschafft, dass sie mit Vertrauen den Weg zu mir und meinem Herzen fand und sodann war der Weg auf den LKW nur noch die Kür. So halte ich das auch im Training, ich habe zu 90% keinen Sporen oder eine Gerte dabei, selbst im Parcours. Ich sage immer, ein Pferd reagiert auf eine Fliege auf der Koppel, also liegt es doch an mir und meinem Gefühl, genauso meine Hilfegebung zu gestalten, dass das ausreicht.
Der Turnierzirkus frisst ja viele Wochenenden auf und beginnt oft schon mittwochs. Wie kommt dein Uli damit klar, dass du so oft unterwegs bist? Ist er manchmal dabei, so wie dein Vater, als treuer Fan?
Uli ist es am wichtigsten, dass ich glücklich bin und das bin ich nun mal stundenlang im Stall, denn es gibt nichts Schöneres für mich, als im Stall kein Ende zu finden. Er ist ein sehr in sich ruhender, zufriedener Mensch und gönnt mir auch eine Turniertour in Spanien. Von Zeit zu Zeit kommt er mich auch mal besuchen, aber an sich hat er mit Pferden wenig am Hut. Ich nehme dann im LKW mal sein Mountain Bike mit und er düst dann durch die Toskana, während ich am Reiten bin und abends gehen wir zum Dinner. Meine Eltern sind dank den Lifestreams heutzutage überall online dabei und zu Turnieren in der Nähe wie Darmstadt Kranichstein kommen sie dann aufgeregt und sitzen auf der Tribüne mit stolz geschwellter Brust.
Wir erinnern uns noch an deine über alles geliebte Guess. Wie geht es ihr und hat sie Nachwuchs bekommen?
Jaaaaaaaaa, meine tolle Guess hat in Bayern bei meinem Physio Thomas Gnadl einen supertollen Rentnerplatz gefunden und mittlerweile zwei tolle Fohlen zur Welt gebracht. Die Tochter sieht genauso aus wie sie und wurde gerade eingeritten, so schnell vergeht die Zeit.
Wäre es ein Thema für dich, in die Zucht einzusteigen?
Eher nein, bis man mal so ein Fohlen groß hat, ist das wahnsinnig aufwendig und am Ende bin ich immer der Meinung, dass man sich auf seine Stärken im Leben konzentrieren sollte und das, was man nicht so gut kann, tollen Züchtern überlassen sollte. Ich hätte Guess ohne Thomas und sein Knowhow nicht decken lassen und dann die erste Springpferde A mit einer Nachzucht reiten, das ist schon eine emotional lustige Idee, aber ich mit Bandscheiben-Vorfall und als schon fast alter Mann muss mir auch das nicht mehr antun, um ehrlich zu sein.
Wie sieht ein „normaler“ Tagesablauf von Jens Hilbert aus, seit du deine Firma 2022 verkauft hast?
Ja, das stimmt, das große Franchisesystem, was ich über 15 Jahre aufgebaut habe und auch meine TV-Karriere habe ich etwas runter geschraubt, verkauft und konzentriere mich zwar geschäftlich immer noch auf einige Projekte, aber nicht mehr 80-120 Stunden die Woche. Ich sitze so von 8 bis 14 Uhr im Büro, halte Coachings, führe Mitarbeiter und gestalte mit neuen Ideen Leitfäden, aber spätestens dann gehe ich in den Stall und reite im Schnitt 2-3 Pferde am Tag, wenn ich nicht am Turnier bin.
Auf welche sportliche Leistung warst du zuletzt besonders stolz?
Ich finde die Entwicklung von mir und Look at me richtig toll, mit ihm startete ich 1,30 im Valenzia im März und war dann schon Weltranglisten Springen im Mai clearround in Riesenbeck und Opglabbeek und kürzlich in Wiesbaden im Schlosspark. Einer meiner größten Erfolge war aber auch mit Atlantaz der 3* Grand Prix beim Turnier in Borken von Marcus Ehning, das war schon ein Miracle Moment.
Welche sportlichen Ziele hast du für dieses Jahr und langfristig? Zum Beispiel Deutschland bei einem Nationenpreis vertreten?
Mhhhhh, am besten ist es ja immer, erstmal mit guten Resultaten zu brillieren und Träume lieber für sich zu behalten, aber so einen 3* Nationenpreis reiten zu dürfen, vielleicht in 2-3 Jahren, wenn ich noch routinierter in 2-3* Prüfungen reite, wäre sicherlich ein toller Abschluss einer Turnierkarriere. Aktuell schnuppere ich immer gelassener in große Preise hinein, mit Atlantaz war ich oft clearround, hatte aber noch Zeitfehler, das gilt es noch zu verbessern, aber an sich bin ich nicht so der große Schleifenjäger, ich bin schon immer eher der Marathonläufer als der Sprinter, ob in einem Promi Big Brother Container als Sieger der Herzen oder auch im Umgang mit meinen Pferden, der Weg ist das Ziel und nicht das Ziel das Ziel.
Die Pferde kommen in letzter Instanz immer noch auf Platz 1, vor den Menschen‘, hast du im letzten Stallgeflüster-Interview von 2018 gesagt. Was haben Pferde, was Menschen nicht haben?
Ich halte nach wie vor den Menschen mit seiner Profitgier als die schlimmste Mutation auf Erden. Ich vergleiche den Menschen oft mit einem Krebsgeschwür, denn welche Kreatur oder welche Krankheit tut alles, um seinen Wirt, in oder auf diesem er lebt, zu zerstören. Ich denke, Tiere sind immer aufrichtig in ihren Gefühlen und nehmen sich nur, was sie brauchen, um zu überleben, sie quälen und erniedrigen nicht, wenngleich auch in der Natur die Gesetze von Darwin gelten, fressen und gefressen werden, aber eben nicht gequält über Jahre in einem kleinen Käfig für einen Saisonmantel oder ein Schnitzel in der Pfanne. Tiere haben mich noch nie enttäuscht, Menschen hingegen, seit ich denken kann.
Gibt es etwas, was dich im Umgang mit Pferden richtig wütend macht?
Wenn man seine Unzulänglichkeiten, die man selbst nicht richtig reflektiert, am vermeintlich schwächeren Glied in der Kette auslässt. Mein Hund Pebbles ist ein Jagdhund, sie trägt Instinkte in sich und dennoch habe ich sie nie mit Härte und Angst erzogen und sie hört super. Auch ein Pferd benötigt wie ein Kind Routinen, Struktur und klare Grenzen, aber eben mit Gefühl und mit Horsemanship. Wenn ich einen stressigen Tag im Job habe, dann reite ich lieber ins Gelände, anstatt für eine 4* Prüfung zu trainieren, mit dieser vermeintlichen, menschlichen Überlegenheit und Intelligenz an die Sache zu gehen, hilft vielmehr, 2 Schritte vorwärtszukommen, als auf Biegen und Brechen etwas erzwingen zu wollen.
Was möchtest du jedem Pferdebesitzer mit auf den Weg geben?
Bedenke bei jeder Handlung mit deinem Pferd, dass es nicht seine Wahl war, sondern Deine! Also bestrafe zuerst dich, denn der Fehler sitzt immer vor dem Computer!
Kannst du uns etwas über dein Engagement für den Tierschutz erzählen? Profitieren auch Tiere, die dir nicht gehören, von deiner Pferdeliebe?
Vegetarier sein und Vegan sein ist denke ich eine gute Entscheidung, denn wer sein Pferd liebt, würde es nicht essen, wer seinen Hund liebt, würde ihn nicht lebend in kochendes Wasser werfen und wer sein Essen selbst schlachten müsste, würde bedeutend weniger Fleisch essen. Ich habe gefühlt bei 100 Petitionen teilgenommen und spende monatlich an Tierorganisationen. Aber ohne viel Aufsehen und Presse, helfe ich auch mal einer kleinen Schwalbe, die aus dem Nest fällt oder einem Rehkitz im Wald, das verletzt ist und bringe es zum Tierarzt oder Förster.
Welches ist deine hervorstechendste Eigenschaft?
Gute Frage. Knüppelharter Schaffer!
Deine größte Schwäche?
Gleichzeitig meine größte Stärke! Ich bin zu sensibel für die Haifisch Welt! Und gleichzeitig ist meine Sensibilität auch eine Stärke als hilfsbereiter Herzmensch!
Gibt es etwas, was du gerne an dir ändern würdest?
Ich bin zu sehr Kontrollmensch! Und ich hätte gerne weniger Selbstzweifel! Schon 2 Sachen, die Liste ist noch länger … 🙂
Gehst du dir manchmal selbst auf die Nerven?
Ja! Oft, wenn ich in Defiziten über mich denke!
Kann ein Jens Hilbert richtig ausrasten? Und wie sieht das dann aus?
Ja! Wie bei jedem anderen Menschen, wenn ich verzweifelt bin und meine 5 Minuten habe! Aber ich kann mich auch entschuldigen, wenn ich hitzblitzig war. Letztlich bin ich im positiven aber auch im negativen ein hoch emotionaler Mensch … das ist Fluch und Segen zugleich!
„Stallgeflüster“ / K. Pohl und A. Schmidt