Mit einem Tinker im Westernsport erfolgreich!
Ruth Böhm mit Fionas Steam Machine. Tinker, das sind doch die ruhigen, netten Schecken aus Irland, sagt so mancher und stellt sich die Pferde im gemächlichen Schritt vor einer typisch irischen Kutsche vor. Dass diese Pferde auch ganz andere Qualitäten haben, hat vor allem im vergangenen Jahr Ruth Böhm aus Dornburg-Wilsenroth gezeigt. Mit ihrer Tinkerstute Fionas Steam Machine stieg sie im Westernsport in die Leistungsklasse 1 auf und wurde unter anderem Hessentrophy Sieger der Showmanship LK 2A.
Über eine Anzeige an der Pinnwand eines Reitsportgeschäftes wurde Ruth Böhm vor zwölf Jahren auf das Pferd aufmerksam. Das dortige Foto von der Stute bekam sie nicht mehr aus dem Kopf. Schließlich kaufte die Familie das Pferd für sie und ihre damals neunjährige Tochter. Tochter Jennifer kam gerade aus den Reiterferien zurück. Auf dem Rückweg fuhr die Familie zu den ehemaligen Besitzern von Fiona und erwarb die Stute.
Zuvor hatte Ruth Böhm noch keinen Tinker besessen. „Um ehrlich zu sein, haben wir auch nie direkt nach einem Tinker gesucht“, erzählt sie und fügt hinzu „Fiona kam relativ gelangweilt vom Leben zu uns.“ Das Pferd habe nicht wirklich am Leben teilgenommen, sei faul gewesen und habe keinerlei Interesse an ihnen gezeigt. „Das hat sich mittlerweile komplett geändert“, so Ruth Böhm. Fiona habe wirklich den Drang zu arbeiten. „Im Gelände kann es ihr nicht schnell genug gehen und sie will bei allem dabei sein. Vor allem aber vertraut sie mir und meiner Tochter zu 100 Prozent.“ Die Tinker zeichne ihrer Meinung nach vor allem ihr sanftes Gemüt aus. „Das ist gerade für Kinder oder Menschen mit Angst ideal.“ Noch nie habe sie einen panischen Tinker kennen gelernt. Fiona sei ein super ehrliches und anhängliches Pferd. „Sie beobachtet mich und meine Tochter, wenn wir in der Nähe sind. Sie brummelt, wenn sie uns sieht und kommt direkt angelaufen.“ Bei der Arbeit wolle die Stute zudem immer alles richtig machen.
Dabei sei die Ausbildung des Pferdes zunächst etwas holprig verlaufen. „Fiona kam zu uns und konnte nur Schritt, Trab und Rechtsgalopp. Tinker aus Irland eben…“, schildert die 46-Jährige. „Woher sollte sie das auch alles können.“ Sie habe zunächst mit Longenarbeit angefangen, damit die Stute lerne, sich besser auszubalancieren. Parallel hierzu habe Tochter Jennifer damals viele Reitstunden genommen und an Chiron-Springkursen teilgenommen. „Nach und nach konnten wir dann die ersten kleinen Erfolge feiern. Auf einem Springturnier startete meine Tochter mit ihr im E-Stilspringen, bekam die Note 7,6 und wurde platziert“, berichtet Ruth Böhm. Kurz danach sei dann der Umstieg auf den Westernsport gekommen.„Ich nahm bei verschiedenen Trainern wie Leon Schardt und Oliver Wehnes Unterricht und besuchte auch viele Kurse. Rückblickend betrachtet war das viel Arbeit, an der ich selbst aber auch enorm gewachsen bin.“ Immer wieder sei in ihrem Umfeld erwähnt worden, wie klasse Fiona läuft. Deswegen habe sie sich 2013 dann auf ihr erstes EWU-Turnier getraut.
Auch ihre eigene reiterliche Entwicklung sei, genauso wie die Entwicklung ihrer Stute, schwierig gewesen. „Man war mehr der Freizeitreiter, wusste ein paar Sachen und nahm ab und an Unterricht“, so die Reiterin. „Sie habe sich in der Zeit von vielen Meinungen leiten lassen. „Jeder hatte immer die richtige Meinung und die neuesten Erkenntnisse“, so die Selbständige Nail-Designerin. „Mittlerweile sieht das alles aber ganz anders aus. Ich weiß, wie sich die Lektionen richtig anfühlen müssen und wie das Ganze auszusehen hat.“ Vor allem ihre Tochter lobe sie häufig. Regelmäßig schaue sich die Familie Vergleichsvideos von früher an, um die Fortschritte zu bewerten. Zudem filme sie ihre Tochter häufig.
Für den Westernreitsport habe sie sich immer schon interessiert, so Ruth Böhm. Doch bei ihrem vorherigen Pferd, einem Welsh-Andalusier-Mix, sei es noch mehr das Westernoutfit gewesen, als das richtige Westernreiten. So richtig umgesetzt habe sie den Westernsport erst mit Fiona. „Ich kann mich jetzt zu 100 Prozent mit dem Westernsport identifizieren.“
Dass sich dies auch in ihren Leistungen zeigt, kann man vor allem an den Entwicklungen im letzten Jahr erkennen. Das Paar wurde Hessentrophy Sieger der Showmanship LK 2A, Vize-Allroundchampion der LK 2A und Vize Ranchriding Hessentrophy Champion der LK 2A. Zudem qualifizierten sie sich in der Showmanship für die German Open. Es folgte der Aufstieg in die LK 1A. „Außerdem sind wir in der Showmanship immer sehr weit vorne platziert. Auch in der Horsemanship, Western Riding und Ranch Riding sind wir stark“, so Ruth Böhm, deren Lieblingsdisziplin die Showmanship ist. Ansonsten könne man sagen, dass es bisher kein Turnier gebe, bei dem sie nicht mindestens einmal platziert seien. „Das ist wirklich Luxus. Jedes Jahr haben wir es geschafft, eine Leistungsklasse aufzusteigen.“
Bei den Turnieren hat Ruth Böhm Unterstützung von der ganzen Familie. „In der Regel fährt meine Tochter einen Tag vorher in den Stall und macht Fiona komplett turnierfertig. Sie wäscht die Mähne und den Schweif, flechtet ein und macht eben alles, was zur Optik notwendig ist.“ Ihr Mann Hans Jürgen sei ihr Chauffeur und Tierbetreuer. Ihr selbsternannter „Equipment Manager“ passe auf Fiona und den Hund Caso auf, wenn sie mit ihrer Tochter die Scoresheets auswerte. „Außerdem macht mein Mann Videoaufnahmen und bringt mich runter, wenn ich mal wieder zu aufgeregt bin.“
Größtes Ziel von Ruth Böhm ist es, sich weiterhin in der Showmanship zu behaupten und in der LK 1 bleiben zu können. „Ansonsten wollen wir uns keine zu hohen Ziele stecken, denn wenn wir diese nicht erreichen, bedeutet das nur Frustration.“
Erhoffen werde sie sich aber mehr Ruhe im Trail und in der Western Riding. Hierauf trainiere sie hin, so Böhm, die mit ihrem Pferd regelmäßig nach Driedorf zu Leon Schadt fährt. Neben der Arbeit als Inhaberin eines Naildesign-Studios ist das tägliche Training mit Fiona für sie der Ausgleich zum Tag. „Ich bin jeden Tag in der Mittagspause beim Pferd. Man denkt beim Reiten an nichts und konzentriert sich auf das Pferd. Das ist für mich die totale Befreiung.“
„Stallgeflüster“ / Tanja Radermacher