Gute und sichere Weidebedingungen im Herbst?
Viele Pferdebesitzer sind sich sicher: Im Herbst sinkt das Risiko für Hufrehe oder Koliken, wenn die Pferde im Frühjahr sorgfältig angeweidet wurden und den ganzen Sommer über auf der Koppel waren. Hier erliegen die so sicheren Tierhalter einem, möglicherweise, gefährlichen Irrtum. ‚Stallgeflüster‘ sprach über das Thema ‚Herbstweide‘ mit Grünlandexpertin Katarina Weihrauch vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen.
„Wir hatten in diesem Jahr wieder einmal einen extrem trockenen Sommer. Das trug u.a. dazu bei, dass das Gras schlechter nachgewachsen ist als in ‚normalen‘ Jahren.“ Vielfach hätten deshalb, vor allem auf limitiertem Koppel-Gelände die Tiere das Futter weitaus tiefer herabgefressen als sinnvoll.
Im September dann hat es geregnet – das Gras begann plötzlich wieder zu sprießen. Allerdings vielfach mit einem deutlich höheren Klee-Anteil als sonst üblich. Weißklee und vor allem Rotklee verkraften nämlich, so die Expertin, Trockenheit deutlich besser als Gräser. Rotklee wurzelt nicht selten 1 m und tiefer, je nach Standort. Als Tiefwurzler kann er noch Feuchtigkeit aufnehmen, die kurze Graswurzeln nicht erreichen. Weißklee dagegen wurzele zwar nicht tief. Dafür schlängelt er sich jedoch mit seinen Ausläufern überall da entlang, wo das Gras zurückgegangen sei, sodass sich über Sommer der Bestandesanteil deutlich erhöht.
Klee ist jedoch ein überaus proteinhaltiges Futter mit hohem Eiweißgehalt, gut geeignet für Milchviehbestände, für Pferde jedoch nur in Maßen verträglich – und hier wiederum auch Rasseabhängig. „Norweger, Tinker oder auch spanische Pferderassen vertragen solche proteinreichen Pflanzen nur begrenzt, währenddessen ein Rennpferd oder laktierende Stuten, mit hohem Leistungsbedarf, damit schon eher klar kommen, merkt die Expertin an.
Zusätzlich zu dem hohen Kleebestand (er ist im Spätsommer immer höher, als im Frühjahr) kommt die Tatsache, dass durch den Regen, der jetzt so ad hoc nach langer Trockenheit einsetzte, ein erheblicher Stickstoffschub erfolgt ist – denn die Mineralisierung im Boden hat zwar über den Sommer stattgefunden, aufgrund des Wassermangels konnten freigesetzte Nährstoffe aber nicht von den Pflanzen aufgenommen werden. „So erleben wir jetzt einen Grasbestand, der dem im Frühjahr, Ende April, Anfang Mai ähnelt.
Auch die Temperaturen sind ähnlich: nachts kühl, tagsüber schön warm“, erklärt Weihrauch. Neben dem Klee sind in den letzten Wochen vor allem die Untergräser gewachsen. Auch dies ist ein Futter mit hohem Zucker- und Energiegehalt. „Da ist richtig Zunder drin“, merkt die Expertin an. Sie selbst besitzt ebenfalls zwei Pferde, die sie derzeit lediglich stundenweise das nachwachsende Gras fressen lässt. „Ich habe Koppeln, auf denen sich noch langes Gras befindet, alter zweiter Aufwuchs, erstmals zum Anweiden im Mai genutzt. Dort dürfen sie fressen und im Anschluss noch ein wenig von dem neu
nachgewachsenen. Das ist wie beim Mischen eines Müslis: Man vermischt weniger energiereiches Futter (z.B. Heucobs) mit solchem, das einen höheren Energiegehalt (z.B. Öl) hat.“ Generell warnt die Fachfrau Pferdebesitzer noch einmal davor, zu denken, die Tiere seien schon angeweidet und damit auf den frischen grünen Herbstaufwusch ausreichend vorbereitet.
„Wir haben nicht nur Wetterbedingungen wie im Frühjahr – auch die Weiden sind in einem ähnlichen Zustand. Und unsere Pferde, die wir zwar im Frühjahr vorsichtig angeweidet haben, sind nach dem langen trockenen Sommer an dieses Futter nicht mehr gewöhnt.“
„Stallgeflüster“ / E. Stamm