Achtung Esel – Poitou-Esel im hessischen Burgwald
Oft wird der Esel als ‚Grau-Tier‘ bezeichnet, für viele ist er klein und niedlich.So mancher, der an diese Tiere denkt, sieht ein winziges Eselchen, das einen Karren zieht. Das sind Bilder, wie wir sie aus südlichen Ländern vor Augen haben. Dass ein Esel durchaus anders aussehen kann, davon überzeugte sich ‚Stallgeflüster‘ im hessischen Burgwald in der Nähe von Korbach.
Wir besuchten dort Bernd Schlichterle, der hat sich seit zwanzig Jahren einem ganz speziellen Hobby verschrieben hat: Der Zucht und Haltung von Poitou-Eseln (Baudet du Poitou), einer ganz besonderen Eselart, die im westlichen Frankreich in der leicht hügeligen Landschaft des Poitou entstand. Er ist ein Großesel, aber beileibe nicht der größte Esel, den es gibt. Dennoch ist er das unumstrittene Schwergewicht seiner Art und kann bis zu 450 kg auf die Waage bringen. Die Hengste dieser Rasse haben eine Widerristhöhe von ca. 140 bis 150 cm, die Stuten 135 bis 145 cm. Laut Rassestandard soll der Kopf von der Nasenspitze bis zwischen die Ohren etwa 60 cm lang sein, die Ohren rund 40 cm. Das besondere an dieser Rasse ist jedoch nicht die Größe oder die langen Ohren, sondern das Fell und seine Farbe. Poitou-Esel haben extrem langes, rotbraunes Fell, das ihnen ein etwas zotteliges Aussehen verleiht. „So mancher Besucher stört sich an diesem langen Zottelfell“, erklärt uns Bernd Schichterle. Dennoch gehört es zum Rassestandard und verleiht vor allem den Fohlen einen echten ‚Knuddel-Faktor‘. Doch auch die großen, mit ihrem langen Fell, dem menschenzugewandten Blick und Wesen, der weißsilbrigen Maul- und Nasenpartie sowie dem hellgrauengrauen Bauch versprechen Esel-Liebe auf den ersten Blick, selbst dann, wenn der Besucher eigentlich kein großer Esel-Freak ist.
Bernd Schlichterles Eselstuten freuen sich über Menschen, die sie besuchen, legen ihnen die Köpfe auf die Schultern, manchmal kitzelt es ein wenig im Haar, dann nämlich, wenn ein langes Eselsohr plötzlich über den Menschenkopf streift. Sanft sind die Damen und zärtlich. Sie vermitteln dem Gast Ruhe und Entspannung, da gibt es keine Eifersüchteleien, wo eine der großen Damen Platz findet, passt auch noch eine weitere hin. Über so viel Zuneigung und Sanftheit vergisst man fast den ‚Ernst des Lebens‘. Doch nicht ganz, denn schließlich will ‚Stallgeflüster‘ ein wenig mehr über diese ausgesprochen sympathischen Zeitgenossen wissen.
„Lange Zeit waren diese riesigen Esel der Reichtum des Poitou“, erzählt uns Bernd Schlichterle aus der Geschichte seiner Vierbeiner. „Sie sind selbst überaus groß und kräftig und wurden mit den Traits poitevins, einer französischen Kaltblutpferderasse, gekreuzt, um große und kräftige Maultiere zu erhalten. Diese besonders großen und kräftigen Maultiere, die den überlegten Charakter des Esels und die Leistungsbereitschaft des Pferdes in sich trugen, waren lange Zeit sehr gesucht und eben nur über diese spezielle Zucht zu erhalten. Im Lauf der Technisierung nahm natürlich die Nachfrage nach diesen Tieren ab. Weder beim Militär, außer bei wenigen kleinen Spezialeinheiten wie der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall, noch für sonstigen Transportaufgaben wurden sie benötigt. Ihre Zahl schwand drastisch.“ Im Jahr 1977 erreichte der weltweite Bestand mit gerade noch 44 Tieren seinen absoluten Tiefstand. Zahlreiche Rettungsprojekte, zunächst im Ursprungsland Frankreich, aber auch in Deutschland und der Schweiz starteten ‚Asinerien‘ mit Zuchtprojekten zur Rettung dieser großartigen Esel-Rasse.
Dabei ist die Zucht reinrassiger Poitou-Esel mittlerweile streng geregelt. „Beide Eltern eines Poitou-Eselfohlens müssen in Frankreich im A- oder B-Zuchtbuch eingetragen sein. Beide haben einen Chip, ein „Certificat d´Origine, eine Stud –Bucheintragung in Frankreich mit individueller Nummer, ein Identifikationspapier mit Wort und Bildbeschreibung. Der Vater muss reinrassig sein und eine separate Zuchtzulassung der Zuchtkomission in Frankreich haben. Durch diese Zulassung kann der Hengstbesitzer ein Deckbuch zum Jahresanfang beim Staate Frankreich beantragen und damit den nötigen Deckschein ausstellen, den wiederum das Fohlen zur Beantragung der Staatspapiere benötigt. Beim Fohlen muss eine Blutprobe genommen werden, die nur von einem einzigen Labor in Frankreich untersucht werden darf, um gültig zu sein. Es wird ein Gentest gemacht, der mit den Eltern abgeglichen wird. Bei Erstgebärenden wird auch von dieser jungen Stute ein einmaliger Gentest gemacht, die zugelassenen Hengste liegen dem Labor mit Ihren genetischen Einmaligkeiten vor“, schreibt der Rasse-Standard vor. Seit 2003 gibt es auch die Baudet du Poitou Zentrale Europa (BDP’Z), die es sich im wesentlich zum Ziel gesetzt hat, die verschiedenen Eselzuchten in Europa zu vernetzen, um so bei der geringen Anzahl der 1977 verbliebenen Exemplare genetisch sinnvoll Zuchttiere zu vermitteln und den Bestand, vor allem der Langhaarigen Tiere zu vermehren. Wünschen wir diesen Projekten viel Erfolg – es wäre schade, wenn es die sanften Riesen-Esel nicht mehr gäbe.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm