Frauen Power im Polo-Sport
Polo zählt in Deutschland nicht gerade zu den Breitensportarten. Dennoch hat das schnelle, teilweise ein wenig ‚ruppig’ anmutende Spiel eine nicht unbedeutende Zahl von Liebhabern – nicht nur unter ‚Insidern’. Davon konnte sich Stallgeflüster am ersten September-Wochenende in Frankfurt überzeugen. In Frankfurt-Nied, auf dem Gelände des Georgshof, auf dem der Polo Club Hessen und der Frankfurter Polo Club beheimatet sind, fand das vorletzte Spiel der German Polo Tour 2015 statt.
Ein breit gefächertes Publikum hatte sich hier auf dem Polo-Gelände des Georgshof in den Nidda-Wiesen eingefunden, um bei Kaffee und Kuchen den Spielen in dieser Traditionssportart zuzuschauen. Doch nicht nur der Zuschauer-Bereich war gut besucht, auch auf der gegenüberliegenden Seite, einem Spazierweg an der Nidda, hatten sich Zaungäste mit Fahrrädern, Kind und Kegel zahlreich versammelt, um die rasanten Chukker (Spielabschnitte während eines Spiels) zu beobachten.
„Reiten ist die einzige Sportart, in der sich Männer und Frauen gleichberechtigt messen“, machte Georg Diehl, Eigentümer des Georgshofes und einer der beiden Moderatoren am Sonntag Nachmittag, das Publikum auf die Zunahme weiblicher Spieler aufmerksam. Und tatsächlich: Die ausschließlich männlich besetzten Teams und die ‚gemischt’ besetzten, hielten sich die Waage.
Da Polo eher als ‚Männersportart’ gilt, sprach Stallgeflüster im Vorfeld der Spiele mit Johanna Droste. Die 26jährige, Mitglied des Frankfurter Polo Club, spielt seit drei Jahren aktiv im Turniersport, an diesem Wochenende im Team ‚Hajo’. Natürlich wollten wir zuerst einmal wissen, wie ein Mädel zu dieser Sportart kommt. „Geritten bin ich schon als kleines Mädchen – zuerst bei Mama im Sattel, später haben meine Schwester und ich dann Ponys bekommen“, erzählt sie uns. „Zum Polosport kam ich während eines Urlaubs auf Sylt. Da fand gerade ein Polo-Turnier statt und wir lernten Thomas Winter kennen. Er betreibt in Hamburg eine Poloschule. Mein Vater, der mittlerweile auch mein größter Fan ist, fragte sofort, ob ich da wohl mal vorbei kommen dürfte. Ich durfte – lernte dort und hatte später auch Intensiv-Kurse in Argentinien, dem Land, das derzeit die besten Polo-Spieler hat.“
Inzwischen hat die energische junge Frau zehn Polopferde auf dem Georgshof. „In Deutschland sind Polo-Spiele meist in vier Chucker (Spielabschnitte mit einer Dauer von 7,5 Minuten) aufgeteilt. Man darf mit einem Pferd nur einen Chukker reiten – danach muss das Pferd gewechselt werden“, erklärt sie uns. „Deshalb braucht man mindestens vier Pferde, wenn man Turniere spielen will. Und am besten eines in Reserve, denn, wie jeder Reiter weiß, ist einer meist krank.“
Fünf der zehn Pferde reitet sie selbst – die anderen fünf hat sie für ‚ihren’ Profi, den sie uns im Stall auch gleich vorstellt. „Beto ist mein guter Geist, hier im Stall, im Training und beim Spiel.“
Dann erklärt sie uns kurz die Spielregeln beim Turnier: „Es gibt ein Low Goal Spiel für Einsteiger, ein Medium Goal und ein High Goal. Hier in Frankfurt am zweiten August-Wochenende ein Medium Goal statt. Dabei sollte das Team ein Gesamt-Handicap von +5 oder +6 haben. Ich selbst habe -1 aber Beto hat +3, das ergibt für uns beide +2. Unsere beiden Mitspieler im Team, Jo Reinhardt hat 0 und Agosti Gomez Romero hat +4. Damit kommt das Team insgesamt auf ein Handicap von +6 – passend für einen Medium Goal.“
Beto (Carlos Alberto Farias) ist Profi-Polo-Spieler. Jeweils ein halbes Jahr, während der Saison, lebt er in Deutschland und ein halbes Jahr in seiner Heimat, Argentinien. Auf dem Georgshof unterstützt er Johanna Droste und erteilt Polo-Unterricht – auch für Anfänger. „Dafür nutzt er meine beiden älteren Polo-Pferde“, erzählt die gelernte Fachfrau für Systemgastronomie. „Die Pferde, die Beto reitet, möchte ich nicht so gerne im Spiel reiten“, berichtet sie weiter. „Die sind doch sehr schnell. Meine Tiere haben überwiegend Criollo-Blut, bei den Profi-Pferden ist sehr viel Vollblut eingekreuzt, teilweise sind es sogar reine Vollblüter. Das ist mir zu viel.“
Und damit sind wir wieder beim Thema Frauen im Polosport. „Muskelkraft ist beim Polo eigentlich nicht das Thema“, meint Johanna Droste. „Natürlich bekomme ich den Ball nicht über den halben Platz geschlagen, wie ein Mann. Oft haben die Jungs auch mehr Mut.
Aber beim Polo kommt es viel auf die Hebelwirkung an und auf das Ballgefühl. Wichtig ist vor allem eine gute Kondition, sonst hält man keine vier Chukker durch. Und es gibt in Deutschland einige richtig gute Polospielerinnen.“
„Was also fasziniert Frauen so an diesem Sport?“ Ein wenig nachdenklich versucht uns die junge Frau diese Frage zu beantworten. „Polo ist sicherlich kein ‚Mädchen-Sport’, das wusste ich von Anfang an. Man muss hart ran gehen, wenn man sein Team unterstützen will, wird schmutzig, hat Körperkontakt beispielsweise beim abreiten (abdrängen des Gegners vom Ball) etc. Ich selbst bin ein eher zurückhaltender, skeptischer Mensch und nicht sehr groß. Aber das, was mich beim Polo am meisten fasziniert, ist das Eins werden mit dem Pferd auf der Linie des Balls. Da herrscht absolutes Vertrauen.“
Dass Johanna Droste und die anderen Polo-Frauen ‚hart ran gehen’, stellen sie während der Spiele am Wochenende unter Beweis: Die beiden Teams im Finale am Sonntag Nachmittag sind ‚gemischte’ Teams. In Team Berenberg spielen zwei Frauen, Beate Pfister-Leibold und Steffi v. Pock, in Team Hajo Johanna Droste. Nach wirklich packenden, rasanten vier Chukkers gewinnt Team Hajo mit 7:4. Da kann man nur sagen: Hut ab vor so viel Frauen-Power und Herzlichen Glückwunsch.
„Stallgeflüster“ / Elke Stamm