Sanfte Riesen im Show-Modus
Shire Horses und Clydesdales sind nahezu jedem Pferdeliebhaber in Deutschland ein Begriff – selbst Nicht-Pferdeleute wissen, dass es sich dabei um die größten Pferderassen überhaupt handelt. Und doch: Kam ich früher mit meiner Shire-Stute des Weges, fragten sowohl Reiter als auch Spaziergänger: „Was ist denn das für ein Pferd?“ Kein Wunder, denn die Wenigsten haben bisher ein Shire live gesehen.
In Deutschland kann man das gut verstehen, hier gibt es nur rund 1000 Pferde dieser Rassen und schließlich sind die ‚sanften Riesen‘ in Groß Britannien zu Hause. Doch auch dort sind sie selten geworden und stehen seit vielen Jahren auf der Liste für bedrohte Tierarten.
In Florstadt, Hessen, hatten in diesem Jahr viele Interessierte die Gelegenheit, die ‚Großen‘ mal ganz aus der Nähe zu sehen – und nicht nur im täglichen Stall-Outfit, sondern herausgeputzt für die Bundeszuchtschau, deren Gastgeber der dort ansässige Verein in diesem Jahr war.
In Deutschland erblicken rund 20 bis 50 Fohlen jährlich das Licht der Welt und natürlich werden auch viele von ihnen, wie bei allen anderen Pferderassen zur Körung und Zuchtschau vorgestellt. Doch bei der englischen Pferderasse ist das alles gar nicht so einfach – es gibt hier in Deutschland lediglich zwei von der englischen Shire Horse Society zugelassene Richter. So kommen also zur Körung häufig die Richter eigens aus dem Vereinten Königreich. Und natürlich geht es bei einer solchen Veranstaltung auch stilvoll zu. Während unsere deutschen Pferde zwar ‚geschniegelt und gebügelt‘, geputzt und auf Hochglanz poliert, vorgestellt werden, reicht das bei einer Shire Show noch lange nicht aus.
Um ein Shire oder Clydesdale Show-fit auszustatten, müssen die Besitzer schon ein wenig Zeit und Geduld aufwenden. Da reicht kein einfaches einflechten der Mähne – hier werden die Zöpfe nach oben geflochten und mit schmückenden Bändern, Fähnchen oder Federn (Flights) versehen. Auch das korrekte Einflechten des Schweifs ist eine Kunst für sich – schließlich gibt es auch hier Haarschmuck für die ‚Großen‘. Und last but not least der lange weiße Fesselbehang der Beine, wichtiges Merkmal der ‚Four white Legs‘, wie sie auch bezeichnet werden. Der in England als ‚Feathers‘ bezeichnete Behang soll strahlend weiß sein, ohne gilb, weich und fließend. Da gibt es spezielle Shampoos, manche schwören auf eine Einreibung mit Sägespänen zum Trocknen, die dann ausgebürstet werden und die ‚Feder’ extra fluffig machen soll. Alles in allem: Hier hat jeder Züchter sein spezielles Hausrezept, für besonders ‚strahlendes Weiß‘.
Alles in Allem: Allein die Vorbereitung für die Show kostet Zeit und Geduld, Transport, Unterbringung und Futter vor Ort sind aufzuwenden. Überall im Pferdesport, egal ob im Turniersport oder bei Zuchtschauen lässt sich ein bemerkenswerter Rückgang an Teilnehmern feststellen. Kosten und Aufwand sind in den letzten Jahren extrem gestiegen und manch einer, der früher mit viel Engagement dabei war, kann und will es sich kaum noch leisten. Das betrifft nach den Corona-Jahren auch die Aussteller auf den Shire Shows.
‚Stallgeflüster‘ sprach u.a. darüber mit Boris Halter vom Deutschen Shire Horse Verein (DSHV), der versucht, den Rückgang an Teilnehmern aufzuhalten. „Wir haben diverse Angebote geschaffen, um Aktive zu motivieren. Dazu gehören z.B. ein- bis zwei-Mal jährlich stattfindende Kurse zur Vorbereitung für die Show. Da wird genau gezeigt und praktisch geübt, wie unsere Pferde eingeflochten und geschmückt werden sollen. Das Ganze findet in Gegenwart von Richtern statt, die den Neulingen dabei erklären, worauf die Richter achten. Darüber hinaus haben wir bei den Veranstaltungen (es gibt nicht nur die Bundeszuchtschau, sondern auch einige regionale Zuchtschauen) Freiwillige, die sich damit auskennen und die Show-Anfänger unterstützen.“ „Für die Bundeszuchtschau wechseln wir die Veranstaltungsorte, damit nicht Leute aus dem Norden oder Süden immer weit fahren müssen, auch wenn es nicht so einfach ist, geeignete Reitanlagen für eine derartige Veranstaltung zu finden.
„Für die diesjährige Bundeszuchtschau in Florstadt hat der DSHV sogar die Boxenpreise für die Übernachtung der Pferde gesponsert. Einige große Shire-Züchter haben ihren Betrieb in letzter Zeit u.a. aus finanziellen Gründen aufgeben müssen. Damit fallen natürlich viele Pferde bei den Shows als Teilnehmer aus. Deshalb haben wir versucht, auch möglichst viele private Shire Horse-Besitzer oder -Reiter durch spezielle Wettbewerbe zur Teilnahme zu motivieren. So haben wir z.B. Trail-Prüfungen eingeführt, die entweder an der Hand geführt oder geritten absolviert werden konnten. Das hat uns einiges an neuen Teilnehmern gebracht, die an einer ‚normalen‘ Zuchtschau nicht teilgenommen hätten.“
Rund zwanzig der deutschen ‚sanften Riesen‘ konnten die Zuschauer in Florstadt bewundern – und für die, die diesen Termin wahrnehmen konnten, war es ein besonderes Erlebnis – weit weg vom Alltäglichen. Hoffen wir für die sanften Riesen, ihre Züchter und Besitzer, dass sie sich auch in Zukunft mit alle ihrem traditionellen Schmuck vor möglichst vielen Zuschauern präsentieren können.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm