Klassisch-barockes Reiten: Pferde psychisch und physisch systematisch aufbauen
„Was macht klassisch barockes Reiten aus?“ Das fragte ‚Stallgeflüster‘ Anne Wölert, die als Trainerin A auf dem Frankfurter Schwanenhof eine Reitschule für klassisch-barockes Reiten betreibt und gerade von einer Trainer-Fortbildung in Spanien zurückkehrte.
„Ganz einfach ausgedrückt: Barock ist alles, was gefällt, und mir und meinem Pferd gut tut – kurz, ein harmonischer Weg miteinander umzugehen“, lautet die erste Antwort auf unsere Frage. Allerdings gehört, zum barocken Reiten, das seinen Ursprung und Meister in der Zeit des 17. bis 18. Jahrhunderts hat, einiges mehr, als nur das zu tun, was schön und für beide Beteiligten gut ist.
Vor allem auf die Ausbildung legten die alten Meister, wie Antoine de Pluvinel (1555-1620) und François Robichon de la Guérinière (1688-1751) besonderen Wert. Sie setzten dabei auf stufenweise, systematische Kräftigung des Tieres sowohl an der Hand, am langen Zügel, an den Pilaren und unter dem Reiter. Erst wenn das Tier ausreichend Kraft und Muskulatur aufgebaut hat, geht es zur nächsten schwereren Lektion. Ziel dieser Arbeit war die möglichst lange Nutzungsdauer des Pferdes in physischem und psychischem Gleichgewicht. Größten Wert misst nicht nur Anne Wölert sondern auch die alten Meister der freiwilligen Mitarbeit des Pferdes bei.
Dabei berücksichtigt die barocke Lehre das Pferd als Individuum – manch einem fällt das Eine leichter als das andere. „Also baut man automatisch vom Leichten, nämlich dem, was dem Pferd mehr liegt, zum Schweren auf“, erzählt Anne Wölert, deren Schulpferde nahezu alle, alles können – auch die Ponys. „Wir bilden Pferde aller Rassen aus. Dabei haben es natürlich die sogenannten Barockpferderassen, wie Lusitanos, PREs etc. leichter mit der Versammlung als andere.“
„Selbstverständlich erfolgt die Ausbildung in Anlehnung an die Ausbildungsskala der FN“, erzählt uns die Trainerin. Denn der Bundesverband für klassisch-barocke Reiterei e.V. ist Mitglied der FN, die auch ein Regelwerk (APO) für Trainer in klassisch barockem Reiten hat. Die Ziele des Bundesverbandes sind die Bewahrung und Pflege des Gedankengutes der klassisch-barocken Reiterei. Dazu gehören die „Arbeit an der Hand, die Basis- und Lektionsarbeit mit dem Pferd, die Schulen auf und über der Erde sowie die Damensattelreiterei. Angestrebt wird auf der Grundlage einer soliden Grundausbildung die korrekte Ausführung der Schulen auf und über der Erde an der Hand und unter dem
Sattel, wie Seitengänge in allen Gangarten, Piaffe, Passage, Pirouetten, spanischer Schritt und Trab, sowie Levade, Krupade, Ballotade, Courbette und Kapriole.“
„Wir pflegen also alle Dressur-Elemente, die in der Zeit des Barock begründet, seitens der FEI aber nicht in die modernen Dressuraufgaben übernommen wurden“, fasst Anne Wölert das Ganze noch einmal zusammen.
Seit 2007 besteht die Möglichkeit zur FN anerkannten Trainer-Ausbildung barocke Reiterei. Bereits von Trainern C wird neben den üblichen Prüfungsthemen für Trainer C die Gymnastizierung des Pferdes an der Longe und an der Hand / Langem Zügel erwartet. Hinzu kommt theoretisches Wissen, über die Reitlehre gemäß Francois Robichon de la Guérinière und ihre Auswirkungen in der weiteren historischen Entwicklung bis zu den Richtlinien für Reiten und Fahren. Der Trainer B muss bereits die einhändige Zügelführung beherrschen ebenso wie die Grundlagen des Damensattelreitens. Der Trainer A schließlich beherrscht die ganze Bandbreite der klassischen Reiterei, inklusive der Lektionen über der Erde.
„Viele Menschen, die sich dem klassisch-barocken Reiten zuwenden, haben spezielle Pferderassen und finden deshalb oft nur schwer einen Trainer. Andere wollen anspruchsvoll, auf hohem Niveau reiten, haben aber keine Turnier-Ambitionen. Sie finden bei uns Ausbilder, die sich in erster Linie nach der Begabung und dem Vermögen des Pferdes richten und erreichen oft einen Ausbildungsstand, den sie nicht erwartet hätten.“
„Stallgeflüster“ / E. Appenrodt