Deutschlands einzige Pferdeklappe
Letzte Rettung für arme Tiere und Menschen. Über 1000 Pferde und Ponys hat die einzige Pferdeklappe Deutschlands seit ihrer Gründung 2013 versorgt.
98 Prozent der Tiere wurden gerettet und in gute Hände vermittelt, nur zwei Prozent mussten den letzten Gang gehen. Hinter jedem Klappenpferd steht auch ein schweres menschliches Schicksal.
Norderbrarup/ Schleswig-Holstein – Elf Pferde aus Bayern sind die letzten Monate auf dem Hof eingetroffen, unterversorgt, ganz dünn, elend und verängstigt. Das dortige Veterinäramt hatte die Klappe um Hilfe gebeten. Aus Flensburg sind 14, aus Niedersachsen drei Pferde gekommen. Das Schicksal der beiden Traber aus Gießen, eine Stute und ein Wallach die wegen ihrer starken Vernachlässigung aufgepäppelt werden mussten, ist typisch für viele, erzählt Klappen-Chefin Petra Teegen: „Die beiden wurden aus einer Garage gerettet. Die Schimmelponys, der Besitzer hatte sie 15 Jahre lang, ist verstorben. Seine Kinder wissen noch nicht mal die Namen der Ponys. Die Tiere sind schwer krank, haben die letzten fünf Jahre wohl keinen Kontakt zu Menschen gehabt, lassen keinen an sich heran.“ Unter Vollnarkose erlöste der Hufschmied die Stute von wohl unglaublichen Schmerzen – unter ihre Hufen schoss das Blut nur so hervor. Die Ponys bekamen ordentliche Hufe und eine Wurmkur verpasst, wurden nach Gesetz gechipt. Es sind diese zusätzlichen Behandlungen, für die das Geld knapp ist. Die Versorgung der „Klappis“ ist gesichert, keines muss hungern oder frieren. Klappen-Chefin Petra Teegen möchte jedoch mehr tun: „Für jedes dieser armen Pferde wollen wir etwas wieder gut machen. Die Spenden reichen nur für das Nötigste.“
Wenn Pferdebesitzer sterben oder sich nicht mehr um ihre Pferde kümmern können, sind sie meistens alt, genau wie ihre Pferde. Die Klappe ist jedoch kein Gnadenhof, und auch keine Tierklinik. Die abgegebenen Pferde sollen vermittelbar sein, damit sie zügig in ein neues, liebevolles Zuhause gebracht werden können. Drei bis vier Tage verbringen die Tiere im Schnitt auf dem Hof, manche auch Monate. 200 Pferde werden jährlich versorgt. Kranke Pferde werden gepflegt. Einige mussten operiert werden. Für die nicht Vermittelbaren hat Petra Teegen fünf Langzeitboxen eingerichtet. Nur wenn die Klappe absolut nichts mehr für ein Tier tun kann, wenn es keine Hoffnung auf Besserung oder Linderung gibt, wird es „zum Schlafen geschickt, damit es nie wieder Schmerzen hat,“ sagt Petra Teegen, und man merkt, dass es ihr sehr nahe geht, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt.
Als Petra Teegen vor 28 Jahren den kleinen, gescheckten Ponymann Pirat aus Anbindehaltung befreite und freikaufte, hätte sie nie gedacht, dass sie 23 Jahre später den Stall ihre eigenen Hofes abreißen lassen würde, um ein neues, größeres Zuhause für arme Pferde aus ganz Deutschland zu schaffen. Seit der Gründung der Klappe 2013 hat sie keinen einzigen Tag frei gehabt, keinen Urlaub, keinen Sonntag. Und sie findet das schön: „Es ist diese große Liebe für Pferde in Not, für immer, und für die Menschen dahinter. Unsere Klappe ist ein sicherer Hafen für Pferdebesitzer, die keine Kraft mehr haben.“
Verunsicherte Tiere. Schwach und krank. Oder die aufgeregt oder ängstlich in ihren Boxen treten, schubsen und sich gegen die Wände werfen. Unzählige blaue Flecken haben Petra Teegen und ihre Helfer, die „Klapplinge“, schon davongetragen. Und: „Fast täglich haben wir Reparaturen in den Ställen. Wenn sich so ein 800-Kilo-Koloss gegen eine malträtierte Stallwand schmeißt, dann gibt es auch schon mal Risse im Dach. Wir mussten also dringend die Ställe erneuern,“ seufzt Petra Teegen. Pferde, die das Veterinäramt schickt, werden zwar vom Amt bezahlt. Viele werden aber auch anonym auf der Klappen-Koppel abgegeben. In den Briefkasten müssen Equidenpass, Eigentumsurkunde und eine Abtretungserklärung geworfen werden. Nicht wenige Pferdebesitzer bringen ihre Tiere persönlich, sind in tiefster Verzweiflung: „Wir nehmen die Pferde wertfrei entgegen, um die Menschen zu entlasten. Sie haben’s versucht und versucht, alle Kraft und alles Geld für die Tiere gegeben. Sie schaffen’s aber nicht, sind todkrank, weil sie von ihrem Liebling loslassen müssen, um ihm ein ordentliches Leben zu vermitteln.“ Ist ein Tier vermittelt, müssen die neuen Besitzer alle vier Wochen Fotos ihrer Adoptivpferde schicken. Sollten diese nicht gut versorgt aussehen, wird ein Tierarzt geschickt, der die Situation überprüft: „Damit der Schutzvertrag greift, wollen wir kein Geld von den neuen Besitzern. Nur ein schönes Zuhause für das Tier,“ erklärt Petra Teegen. Für Leute, die Tiere aufnehmen wollen, gibt es eine Warteliste. Zurzeit stehen 30 Tiere im Stall, die gefüttert, bewegt und umsorgt werden müssen. Drei davon erholen sich von einer Operation, die lebenserhaltend war. Fünf Boxen für Patenpferde von behinderten oder verstorbenen Menschen wurden gebaut, und eine Fohlenklappe ist dringend notwendig. Der Verein muss immer wieder um Spenden betteln, denn er hat keine Verdienstmöglichkeit.
Unglaublich, aber wahr: Wenn keiner mehr hilft, weder den Menschen noch den Tieren, dann ist Petra Teegens Pferdeklappe die einzige Anlaufstelle deutschlandweit. So wie für die Familie, die mit ihren Kindern und zwei Ponys letzten Winter im VW-Bus angefahren kam. „Die Kinder hatten keine Socken an, trugen Flip-Flops. Unter Tränen erzählten die Eltern, dass sie beide in derselben Firma gearbeitet hatten, die Pleite gemacht hatte. Danach haben sie noch Monate versucht, die Ponys zu halten, der Kinder wegen. Bis es nicht mehr ging,“ erzählt Petra. Und fügt hinzu: „Es muss erst großes Elend bei den Menschen entstehen, bevor sie ihre Pferde abgeben.“
Pferdeklappe e.V., Nord-Ostsee-Sparkasse, IBAN: DE59217500000164407272,
BIC: NOLADE21NOS.
Fördermitgliedschaft ab 10 Euro jährlich.
„Stallgeflüster“ / K. Pohl