‚Western‘ ist nicht gleich ‚Western‘
Wer glaubt, dass jedes Pferd, das den typischen Western-Sattel mit dem Horn vorne trägt, ein ‚Western‘-Pferd ist, hat zwar recht. Allerdings gibt es – wie nahezu überall – gewisse Unterschiede. Das lernte ‚Stallgeflüster‘-Redakteurin Elke Stamm ganz schnell bei einem Besuch der Vaquero-Classics auf dem Weilborner Hof in Dornburg und staunte über altkalifornische Reiterei in spanischer Tradition.
Gleich bei unserer Ankunft stellen wir fest: Hier findet kein Western-Turnier in der üblichen Art und Weise statt. Am Eingang, rund um den großen Außenplatz des Weilborner Hofs, drängten sich Menschen. Ein genauerer Blick zeigt uns, dass hier gerade ein Vortrag statt findet, sowohl mit einem lebenden Objekt zur Demonstration, als auch einem Skelett-Teil. ‚Die Biomechanik des Pferdebeckens in der Tragkraft‘ lautet der Titel des sehr anschaulichen Vortrags von Annika Janssen, Nina Jensen und Alex Zell. Ein wenig verwirrt wandern wir weiter über das Gelände. Denn dieser Vortrag klingt eher nach einem Thema für die klassische Dressurreiterei – und hier geht es doch um Vaqueros, also südamerikanische Cowboys.
Als wir uns der Halle nähern, sieht es schon eher so aus, wie erwartet: Da stehen einige Holzkühe auf dem Platz vor der Reithalle. Und natürlich üben auch einige Menschen mit dem Lasso. Ein wenig weiter finden wir den so genannten Marktplatz. Der entspricht vollkommen unseren Erwartungen. Hier gibt es alles, was das Herz eines Western-Reiters erfreut. Tolle handgearbeitete Sättel, Satteldecken aus echtem Wollfilz, Bosals, Hüte, Mäntel, Garrochas, Lassos etc., etc.
Nachdem wir uns ein wenig umgeschaut haben, hat Alex Zell für uns Zeit. Er ist der Initiator dieser Veranstaltung, die erstmals hier in Dornburg statt findet. Und natürlich bekommen wir jetzt alle Fragen zu dieser Veranstaltung beantwortet. „Die Veranstaltung richtet sich an alle, die sich für die altkalifornische Reiterei oder eine feinere Reitweise interessieren. Wir wollen uns treffen, suchen den Austausch, wollen lernen und last but not least ein schönes Wochenende verbringen.“
„Also um die altkalifornische Reiterei geht es hier – was ist das genau?“, wollen wir wissen. „Um das richtig zu beschreiben, müsste man ein ganzes Buch schreiben.“, lautet die erste Antwort. Aber kurz geschildert: In Kalifornien hat sich aufgrund der geographischen Lage über 100 bis 150 Jahre eine eigene Reitkultur in spanischer Tradition entwickelt.
Die kalifornische Reitweise ist eine reine Gebrauchsreiterei, ohne Turnierambitionen. Im Mittelpunkt stehen daher die Arbeit mit dem Lasso, der Garrocha und die Rinderarbeit. Allerdings sind Vaquero-Pferde ein wenig anders ausgebildet als die typischen Western-Sportpferde. Sie werden meist später angeritten und die Dauer der Ausbildung, bis es auf Kandare geritten wird, liegt bei sechs bis acht Jahren, denn auf Druck wird dabei verzichtet. Vaquero-Pferde lernen die Lektionen der klassischen Reitweise, Seitengänge bis hin zu Piaffe und Passage und werden in die Versammlung gearbeitet. Sie tragen Kopf und Hals in einer höheren Aufrichtung als die üblichen Western-Pferde und Ziel ist es, die Hilfengebung im Lauf der Ausbildung immer mehr zu verfeinern.“
Nach dieser Erklärung wundert uns auch nicht mehr das Programm, das wir gerade gelesen haben. Denn da finden neben einer Reihe von praktischen Lehrgängen u.a. mit Alfonso und Arien Aguilar, Jeff Sanders, Ernst Peter Frey und Klaus Wetzel, eine Vielzahl von theoretischen Vorträgen in den Seminarräumen des Weilborner Hofes statt. Zu den Themen gehören u.a. ‚Hufbearbeitung‘, ‘verschiedene Arten von Husten‘, ‚Hackamore, Form Fit and Function‘, ‚Die Geschichte des Vaquero-Sattels‘ und vieles mehr.
Eine Veranstaltung also, die den Zielen Informieren, Lernen aber auch ‚Spaß haben‘ durchaus gerecht wird. Schließlich findet auch ‚Stallgeflüster‘-Redakteurin Elke Stamm, als Vertreterin der klassischen europäischen Reitweise einige Themen, die durchaus interessant für sie sind. Und verlockend: Die Feuerstelle in der Mitte des Marktplatzes. Da möchte man schon gerne am Abend beim Campfire mit Musik und Tanz dabei sein.