Nachwuchs-Fahrerin mit Ambitionen, Talent und Fleiß
Die meisten Mädels, die ein vom Pferdevirus infiziert sind, träumen vom Reiten. So auch Marie Tischer. Sie träumte vom Dressur-Reiten. Doch dann kam alles anders. Heute zählt sie zu den wirklich erfolgreichen Fahrerinnen im Einspänner.
Maries Vater, Peter Tischer, war ein überaus erfolgreicher Vierspänner-Fahrer, fuhr bereits vor vielen Jahren Weltmeisterschaften und im Championatskader. Töchterchen Marie wuchs also mit dem Fahrsport auf, fand den ganz nett – träumte aber weiterhin von einem Dressurpferd. „Ich fand die Kutsche immer ganz nett und habe auch meinem Vater zu liebe die ganzen Fahrabzeichen gemacht. Aber das war damals als ich klein war nur eben so.“
Doch dann änderte sich die Leidenschaft. Zwei Shetland Ponys waren die Auslöser: „In Neu-Isenburg war ein Fahr-Turnier und ein Bekannter meines Vaters lieh mir seine Shettys dafür aus. Ich sollte sie trainieren und beim Turnier vorstellen. Das machte mir unglaublichen Spaß, so viel, dass mein Vater mir anschließend ein Shetland-Gespann, Romeo und Julia, schenkte.“
Das shakespearsche Pärchen war zunächst noch ein relativ behäbiges Gespann und wurde bald ergänzt durch Tristan und Isolde, zwei etwas sportlicher gestrickte Charaktere. Immerhin wurde Marie mit ihren `Kleinen‘ bereits mit elf Jahren 2010 deutsche Jugendmeisterin.
Da hatte wohl jemand Blut geleckt im Sport und machte sich Gedanken. „Mir war klar, dass da, wo ich hin wollte, ich mit den Shetland-Ponys nicht hinkommen konnte.“
Bereits ein Jahr darauf startete Marie erstmals einspännig – mit dem Pferd der Mama. Und Papa Peter, der gern bereit war, die Ambitionen der Tochter zu unterstützen, erlaubte ihr, sich eines von mehreren jüngeren Pferden, die er gekauft hatte, auszusuchen. Die Wahl der damals zwölfjährigen fiel auf die jungen Stute Dream Girl. Bereits ein Jahr darauf, 2013, fuhr sie mit Dream Girl den Wettbewerbern bei den Deutschen Jugendmeisterschaften davon und wurde Jugendmeisterin U 16. Doch damit nicht genug – es folgten drei Jahre Training und Marie fuhr erneut davon, nämlich in der nächst höheren Klasse, U 25. Auch hier wurde sie mit ihrem Einspänner und Dream Girl deutsche Jugendmeisterin.
2016 startete Marie dann bei den Jugend-Europa-Meisterschaften im sächsischen Schildau und fuhr direkt auf den zweiten Platz. Im Jahr 2017 bekam Dream Girl dann einen Gefährten – den 6jährigen Fortino. Mit ihm startete sie direkt sein erstes internationales Turnier und fuhr mit ihm bei den deutschen Jugendmeisterschaften auf Platz drei.
Gleichzeitig hatte die Familie Tischer einen 6jährigen Trakehner zur Ausbildung bekommen, Sky Dweller, mit dem sie den Titel des Vize-Champion beim Bundeschampionat der 6jährigen Fahr-Pferde errang. Nur eine Woche später fand dann in Ungarn die Weltmeisterschaft der jungen Fahrpferde statt, bei denen Marie mit ihren beiden Youngsters natürlich nicht fehlen durfte. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Fortino wurde Weltmeister und Sky Dweller Vize-Weltmeister.
Als ‚Stallgeflüster‘ Marie und Peter Tischer in Neu-Isenburg besuchte, kamen sie gerade aus Holland zurück. In Kronenberg hatte ein Vorlaufturnier für die Weltmeisterschaften stattgefunden, bei dem Marie mit Fortino gestartet war. Nach hause fuhr sie mit einem schönen zweiten Platz in der Dressur- und einem sechsten in der kombinierten Wertung (bestehend aus den Wertnoten für Dressur-, Hindernis- und Gelände-Fahren).
Natürlich will ‚Stallgeflüster’ ein wenig mehr über die Pläne der neuzehnjährigen wissen – denn schließlich ist die Karriere der jungen Dame durchaus bemerkenswert – auch wenn Papa Peter, nachdem er das US-Team von 2008 bis 2010 als Trainer für die Weltreiterspiele in Kentucky betreute und danach bis 2015 Bundestrainer war. Fahren muss heute die Tochter allein. Marie sieht das ganze trotz aller Ambitionen eher entspannt. Sie hat gerade das schriftliche Abi in der Tasche und bereitet sich gerade auf die mündlichen Prüfungen vor.
„Jetzt kommen erst einmal ein paar kleinere Turniere. Anfang bis Mitte Mai fahre ich noch Sichtungen für die Weltmeisterschaften – wir werden sehen, wo wir dann landen.“ Auch der Zukunft sieht sie entspannt entgegen: Nach bestandenem Abi möchte sie gerne Agrarwissenschaften studieren: „Natürlich am liebsten in Gießen, damit ich mich weiter um die Pferde kümmern kann.“
Apropos ‚sich um die Pferde kümmern‘ – richtige Hobbys außer den Pferden hat Marie nicht, dazu reicht die Zeit nicht aus. Da kann ‚Stallgeflüster‘ nur weiterhin so viel Erfolg wünschen wie bisher und hoffen, dass wir noch viel von Marie Tischer zu hören bekommen.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm