„Bei der Pferdeausbildung sich selber einen Spiegel vorhalten“
Voltigierweltmeister Kai Vorberg referiert beim Reitverein Butzbach zu „Pferdeerziehung in Sinne einer vertrauensvollen Partnerschaft“. Gute Erziehung des Pferdes als Grundlage für Spaß und Sicherheit im Reitsport. Grundlegende Regeln der Verhaltensforschung und Aspekte der Pferdeerziehung standen beim PM-Seminar Ende März in Butzbach im Mittelpunkt
Kai Vorberg, mehrfacher Welt- und Europameister im Voltigieren und aktueller Bundestrainer/Disziplintrainer der deutschen Voltigierer, war einer der Referenten in der Butzbacher Reithalle. Beim Butzbacher Reit- und Voltigierverein sprach er zusammen mit Ivonne Hellenbrand zum Thema „Erziehung und Pflege des Pferdes im Sinne einer vertrauensvollen Partnerschaft.“ Das Seminar, das von den Persönlichen Mitgliedern der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) zusammen mit dem Pferdesportverband Hessen organisiert wurde, galt zwar als Trainerfortbildung, richtete sich aber auch an jeden Pferdesportinteressierten, der die Zusammenarbeit mit seinem Tier verbessern will. Nach Begrüßung der Referenten und der über 80 Teilnehmer durch Dr. Wolfgang Kubens, dem Stellvertretenden Vorsitzenden des Hessischen Pferdesportverbandes, lernten die Besucher zunächst bei Kai Vorberg in einer theoretischen Einheit, dass die gute Erziehung des Pferdes die Grundlage für Spaß und Sicherheit im Reitsport ist. Da Pferde untereinander fast nur über Körpersprache kommunizieren und im Herdenverband klare Hierarchien und Regeln herrschen, ist es hilfreich, wenn der Mensch dies auch in seinem eigenen Verhalten berücksichtigt. Bezogen auf ein Zitat von Reitmeister Martin Plewa bedeute dies, dass das Pferd „nicht vermenschlicht“ werden solle, sondern der Mensch sich eher mit dem „pferdischen Verhalten“ auseinandersetzen müsse. Während seines Vortrages erläuterte Vorberg Lerntheorien und Beispiele aus der Verhaltensforschung. Die Grundbedürfnisse des Pferdes als Flucht-, Steppen- und Herdentier müssten hierbei immer Berücksichtigung finden. Habe beispielsweise ein Pferd nicht genügend Bewegung, sei ein wichtiges Grundbedürfnis gestört. „Man muss Verantwortung übernehmen“, so der Trainer aus Warendorf.
Ein wichtiger Punkt sei die Verhaltensformung, das heißt, Erwünschtes soll verstärkt und hervorgehoben werden, Unerwünschtes soll entfernt werden. Dies erreiche man am besten mit „positiver Verstärkung.“ Bei der Verhaltensformung des Pferdes sollte anfangs bereits das „Bestreben zu reagieren“ belohnt werden. Hiernach steht die Belohnung der „sofortigen Reaktion in die richtige Richtung auf die menschliche Einwirkung.“ Es folgt die Belohnung für „Kontinuität“ und am Ende steht die Belohnung des Pferdes hierfür, dass der Mensch „verschiedene Dinge auch an unterschiedlichen Orten abfragen“ kann. Mit vielen kleinen Beispielen ging der Trainer auf alltägliche Situationen beim Putzen oder Führen der Pferde ein und gab Tipps zur besseren Verständigung, denn häufig führen Missverständnisse in der Praxis zwischen Reiter und Pferd zu unerwünschten Situationen, die auch das gegenseitige Vertrauen der Sportpartner belasten. Sinnvoll sei auch, das Training systematisch zu planen, immer eine Auswertung des Trainings vorzunehmen und gegebenenfalls frühzeitig Fehler zu korrigieren. Bei der Ausbildung spiele die „Losgelassenheit „ dabei eine entscheidende Rolle. „Bei bereits fehlender Losgelassenheit ist es schwer, in der Erziehung etwas zu erreichen“, so Vorberg der Pferdewirtschaftsmeister und ausgebildeter Diplom Trainer des Deutschen Olympischen Sportbundes ist. Gegen Ende des ersten Seminarteils zeigte Vorberg mit einem Zitat von Andrew McLean, wie Theorien und Praxis ineinander wirken: „Sich immer wieder zu fragen, wie leicht und wie schwer es für ein Pferd ist, uns zu verstehen. Das bedeutet letztlich auch, dass wir uns bei der Ausbildung eines Pferdes selbst einen Spiegel vor Augen halten sollten. Wir müssen mindestens genauso auf uns blicken, wie auf das Pferd, um zu Erfolg und Harmonie zu kommen.“
Anhand einiger Beispiele zeigte Vorberg, was bereits beim Führen oder Longieren eines Pferdes beachtet werden sollte. Komplettiert wurde das Gelernte schließlich mit einer Vorführung am Pferd. An einem ihm bisher unbekannten Voltigierpferd des Butzbacher Vereins demonstrierte der Weltmeister, welches Verhalten gegenüber dem Pferd zu Missverständnissen führen kann oder welche Gesten dem Vertrauensaufbau dienen können. In der Pause erläuterte die ehemalige Berufsreiterin Ivonne Hellenbrand von der Schweizer Effax GmbH, wie erfolgreiche Pferdepflege funktioniert. Hierbei stand nicht nur die richtige Anwendung von Putzzeug und Pflegeprodukten im Vordergrund, sondern es gab auch viele Praxistipps wie die Huffestigkeit verbessert oder die schuppige Pferdehaut beruhigt werden kann. Die Teilnehmer lernten auch, dass Pferdehaut einen anderen PH-Wert besitzt als die menschliche Haut und ein Striegel mit Kokusborsten das Pferdefell zum Glänzen bringt, weil Kokus rückfettend wirkt und die Haut zusätzlich pflegt. Nach der Veranstaltung dankte Dr. Wolfgang Kubens den beiden Dozenten und überreichte auch Marlie Krause und Kyra Heinrich vom Reit- und Voltigierverein Butzbach ein Präsent. Das Butzbacher Vereinsteam hatte für die Bewirtung der Gäste und den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung gesorgt.
Stallgeflüster / Tanja Radermacher