Holzrücken mit dem Pferd – mehr als nur ein Stück Nostalgie
Fast die Hälfte (42,3 Prozent) unseres Hessenlandes sind von Wald bedeckt. Damit gehören wir zusammen mit Rheinland-Pfalz zu den waldreichsten Bundesländern Deutschlands. Von Oktober/November bis März/April ist Holzerntezeit in diesen Wäldern. Wer von uns Reitern viel draußen unterwegs ist, kann oft ‚ein Lied davon singen’.
Da finden sich tiefe Fahrspuren, die – auch mit dem Pferd – kaum noch passierbar sind. Tiefe, rund fünf Meter breite Schneisen, die sogenannten Rückegassen, zerfurchen alle zwanzig Meter den Wald in mehr oder weniger geraden Linien. Reiten kann man auf diesen Spuren nicht, denn dort liegen die restlichen Äste der Bäume und sie müssen aus ökologischen Gründen da auch bleiben. Die Rede ist von den Spuren der so genannten Harvester. Sie fällen die Bäume, entasten sie und liefern die Stämme an die breiten Wege, wo Lkws sie dann abtransportieren. Da der Kran einer solchen Erntemaschine in der Regel nur zehn Meter lang ist, bedarf es der kurzen Rückegassen-Abstände von zwanzig Metern, zehn nach rechts und zehn nach links.
Nur so erreicht der Harvester alle gekennzeichneten Bäume. Dass die Spuren dieser schweren Erntemaschinen (sie bringen beladen ein Gewicht von bis zu 35 t auf den Boden) nicht nur hässlich, sondern auch schädlich für das empfindliche Öko-System des Waldbodens sein können, haben inzwischen wissenschaftliche Untersuchungen ergeben. Die Praxis, Holz mit diesen Maschinen zu ernten, hat sich seit den 70er Jahren entwickelt. Vorher kamen Traktoren zum Einsatz und davor das Pferd.
Doch kann man Holz auch schonender und ebenso effektiv – sowohl in der Menge als auch von den Kosten her – ernten? „Ja, Holz rücken mit dem Pferd ist keine Nostalgie“, sagen Mathias Mengel und Elmar Stertenbrink von der Interessengemeinschaft Zugpferd. Mengel weist dabei auf den Klima-Gipfel hin, die CO2-Emissionen und meint: „Das Thema ist derzeit aktueller den je.“ Elmar Stertenbrink, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Zugpferd, betreibt ein Dienstleistungsunternehmen für die Forstwirtschaft in Erkrath bei Düsseldorf. Neben den Pferden arbeitet er auch mit Maschinen und sieht – als Unternehmer – neben dem ökologischen vor allem auch den wirtschaftlichen Aspekt. „Vor allem beim Abtransport des Holzes aus den Beständen ist das Pferd nahezu unschlagbar.
Wir kombinieren den Einsatz von Pferd und Maschine – das Pferd zieht die Stämme aus dem Bestand, die Endrückung übernimmt der Seil- oder Zangenschlepper. Das heißt, wir haben wesentlich größere Rückegassen-Abstände (ein Zusatz-Gewinn an Holzbestand für den Waldeigentümer), schonen den Waldboden, arbeiten mit weniger Emissionen und verursachen auch deutlich weniger Schäden im Bestand.“
Eine ähnliche Effektivitäts-Bilanz zieht die Diplomarbeit von Julia Wirth an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg. Sie vergleicht „…Leistung und Pfleglichkeit zwischen Pferd und Seilschlepper beim Vorliefern von Fichten-Vollbäumen“.
Nach ihren Erkenntnissen ist das Pferd deutlich flexibler im Einsatz, wenn ein Baum mal nicht so fällt, wie geplant, verursacht weniger Schäden am verbleibenden Bestand (der ja in den nächsten Jahren auch verkauft werden soll) und arbeitet umweltfreundlicher. Die Menge des vorgelieferten Holzes ist fast gleich, beim Pferd im Fall von Vollbäumen geringfügig kleiner als beim Seilschlepper.
„Das Vorliefern von Holz an die Fahrwege, das ist die Stärke des Pferdes und genau der richtige Eisatzort“, kommentiert Elmar Stertenbrink diese Erkenntnisse. „Die Arbeit im Waldbestand ist immer individuell an die jeweiligen Gegebenheit anzupassen, da ist das Pferd in vielen Fällen einfach unschlagbar“, meint der Fachmann und rechnet uns noch kurz vor, dass die Anfahrts- und Arbeitskosten für eine Maschine deutlich höher sind, als die für zwei Pferde, die beispielsweise zwei Arbeitstage für das Vorliefern von 100 Festmeter Holz benötigen. „Sicherlich ersetzen Pferde nicht die Maschine. Aber sie sind eine sinnvolle, kostengünstige und vor allem bestandsschonende Ergänzung dazu.“
Einem ‚stimmigen Mix’ zwischen Maschinen- und Pferdeeinsatz sind auch Forstwirte nicht abgeneigt. So sprach Stallgeflüster mit Forstamtmann Karl-Matthias Groß aus Usingen. „Für eine nachhaltigere Bewirtschaftung unseres Waldes werden wir von diesem Jahr an auch Pferde mit einbeziehen – wir stehen bereits mit regionalen Rückern in Kontakt“, sagt der ehemalige Revierförster. „Für mich spielt dabei vor allem die Flexibilität eine wichtige Rolle. Wenn man einen Harvester aus mehreren hundert Kilometer Entfernung bestellt, wird der kommen und arbeiten – egal, wie das Wetter ist.
Dabei werden natürlich bei Nässe Wege und Waldböden stärker geschädigt als bei Trockenheit. Regionale Anbieter sind da flexibler – sie haben kurze Anreisezeiten und können bei schlechten Bodenverhältnissen die Arbeiten auch mal verschieben. In den kommenden Jahren werden wir sehen, wie sich der Mix aus Pferd und Maschine entwickelt.“
Da können wir als Forst-Laien für die nächsten Jahre nur gespannt abwarten, wohin die Reise in der Waldbewirtschaftung geht. Wird der ‚gute alte Partner Pferd’, der offenbar ebenso effektiv in der Waldarbeit ist, wie die Maschine, diese Riesen-Geräte auf ihren Platz außerhalb des Bestandes verweisen?
„Stallgeflüster“ / Elke Stamm