Kosten für tierärztliche Behandlungen kaum noch bezahlbar
Im November 2022 trat die neue Gebührenordnung für tierärztliche Behandlungen in Kraft. Was so manch einer damals befürchtete, hat sich inzwischen bewahrheitet: Tierärztliche Behandlungen sind für manchen Haustierhalter kaum noch bezahlbar. Ganz gleich, ob Hund, Katze oder Pferd – die Behandlungsgebühren haben sich dramatisch erhöht – teilweise mehr als verdoppelt.
Stallgeflüster‘ sprach über dieses Thema mit Claudia Becker und Sabine Reimers-Mortensen. Sie sind u.a. Mitbegründerinnen der Vereinigung Deutscher Tierhalter, die seit September dieses Jahres ihre Arbeit offiziell aufgenommen hat. Das Ziel: „Tierhaltern und ihren Tieren eine Stimme zu geben, die bei politischen Meinungsbildungsprozessen und in Gesetzgebungsverfahren gehört wird“.
„In Deutschland gibt es rund 20 Millionen Haushalte, die Tiere halten,“ berichtet Sabine Reimers-Mortensen. Sie leitet seit mehr als 25 Jahren einen landwirtwirtschaftlichen Betrieb und ist Pferdezüchterin. „Ich war überaus betroffen, als ich feststellte, dass sich viele Tierhalter die neuen Gebühren nicht mehr leisten können und ihre Tiere teilweise sogar abgeben müssen. Betroffen sind vor allem private Haustierhalter, oft ältere Menschen mit kleiner Rente. Aber auch Hobbytierhalter, die oft zum Erhalt vom Aussterben bedrohter Haustierrassen beitragen. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag zu Erhaltung der Genreserven auch für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung. All diesen Menschen gemein ist, dass sie keine Interessenvertretung haben, die politisches Gehör findet.“
„So haben wir dann gemeinsam mit einigen engagierten Tierhaltern, zu denen u.a. auch Tierärzte gehören, den VDTH gegründet. Unser erstes Nah-Ziel ist es, die sofortige Überprüfung und Überarbeitung der GOT zu erreichen. Schließlich fand bei der Novellierung 2022 keine Anhörung der tatsächlich Betroffenen statt. Wir wollen erreichen, dass die GOT so überarbeitetet wird, dass die Gebührenerhöhungen maßvoll und fair auch für die Tierhalter sind. Dazu gehört auch die Einschränkung bzw. eine klare Definition des ‚billigen Ermessens‘ für die Festlegung von Steigerungsfaktoren für eine Behandlung. Schließlich sollten Tierarztrechnungen im Sinn des Verbraucherschutzes Transparent und klar nachvollziehbar sein.“
Um diese ersten Ziele des VDTH zu erreichen, plant die Vereinigung mit einer Petition ein Quorum von 50.000 Unterschriften zu erreichen und damit Möglichkeit zu erlangen, ihr Anliegen persönlich vor dem Petitionsausschuss vorzutragen. Zusätzlich werden in Berlin Abgeordnete und Regierungsvertreter persönlich über die Probleme von Tierhaltern informiert (www.vdth-ev.de/petition).
„Das“, so Claudia Becker und Sabine Reimers-Mortensen, „sind jedoch nur die ersten Schritte der Vereinigung. Wir sind noch relativ jung und wollen uns nicht gleich mit zu vielen Projekten verzetteln. Deshalb nehmen wir erst einmal das Notwendigste in Angriff – weitere Aktivitäten werden folgen, wenn wir erste Ziele oder Teil-Ziele erreicht haben.“
„Stallgeflüster“ / E. Stamm
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Auch die FN wird aktiv:
Ebenso wie VDTH ist auch die FN inzwischen aktiv geworden. Sie will ebenfalls in einer groß angelegten Unterschriftenaktion gemeinsam mit 58 Pferdezucht- und Pferdesportverbänden und der Vereinigung Deutscher Tierhalter (VDTH) auf das Problem aufmerksam machen. Ihre Petition läuft bis zum 30. Januar 2024 und wird dann an den für die GOT zuständigen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir übergeben. Nach nur einer Woche hatte die Aktion der FN bereits 80.000 Unterschriften erreicht – ein deutliches Zeichen dafür, wie es den Pferdehaltern ‚unter den Nägeln brennt‘.
Die Aktionen der FN und der Unterstützer wenden sich mit ihren Petitionen „nicht gegen die Tierärzte selbst oder generell gegen eine Gebührenerhöhung. Die Arbeit der Tierärzte und ihrer Angestellten muss angemessen und fair entlohnt werden. Dafür war eine Anpassung der GOT unumgänglich. Erhöhungen um 20 bis 30 Prozent wären nachvollziehbar und maßvoll gewesen. In der Realität haben sich Rechnungen aber oft mehr als verdoppelt. Uns liegen Rechnungen vor, die drastische Preiserhöhungen belegen. Ein typischer Behandlungsfall wie eine Kolik-Untersuchung ist beispielsweise von 350 auf 900 Euro gestiegen, eine Kolik-OP von 6.000 auf 12.000 Euro. Das ist für viele Tierbesitzer nicht mehr leistbar. Eine solche Preisexplosion geht zu Lasten der Tiere und des Tierschutzes“, so die FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach.
(https://www.got-so-nicht.de)