Spanische Hofreitschule Wien: ‚Stallgeflüster‘ mit Bereiter Philipp Burg im Gespräch
Die Spanische Hofreitschule in Wien ist die einzige Institution der Welt,
an der die klassische Reitkunst der Hohen Schule von der Renaissance bis heute bewahrt und unverändert gepflegt wird. Für fast jeden Pferdeliebhaber, den es nach Wien verschlägt, gehört ein Besuch der Hofreitschule zum Pflichtprogramm – die Vorführungen dort sind nahezu einzigartig. ‚Stallgeflüster‘ hatte jetzt die Gelegenheit einen Bereiter der bereits seit vielen hundert Jahren weltberühmten Reitschule zu treffen und ein persönliches Gespräch zu führen.
Unsere Hauptfrage an den jungen Mann, Philipp Burg (36) lautet natürlich „Wie wird man Bereiter an dieser historischen und kulturellen Institution?“ So erzählt uns Burg ein wenig von seinem Werdegang. Aufgewachsen ist Burg auf einem Bauernhof in der Steiermark – klar, dass es dort für die Kinder ein Pony und später dann ein Haflinger zum Alltagsleben dazu gehörten. „Mit zehn Jahren habe ich in der Zeitung ein Foto aus der Spanischen Hofreitschule gesehen und wusste genau: Da will ich hin und das will ich machen.“
„Mit zehn kann man sich natürlich noch nirgends ernsthaft bewerben. Das musste warten bis ich vierzehn war. Und tatsächlich wurde ich aufgrund meiner Bewerbung zum Vorreiten eingeladen. Allerdings hieß es für mich vor der Lehre zum Bereiter in Wien zunächst noch ein Jahr lang die Schulbank drücken – man muss auch als Bereiter-Lehrling in Wien die neunte Schulstufe beendet haben.“
Doch dann ging’s für Burg direkt nach Wien. Lehrjahre sind keine Herrenjahre – das gilt auch in der Spanischen Hofreitschule. Zunächst standen für den Auszubildenden erst einmal ein paar Wochen Stallarbeit mit einem Pfleger auf dem Programm. Putzen, Pferde für den Bereiter herrichten, das sind die ersten Aufgaben, wenn man sich auf das Ziel dort einmal Bereiter werden zu wollen, einlässt. Später dann darf der Eleve zwei bis drei Pferde schon selbst versorgen. Während dessen erhält er von einem der Bereiter Unterricht. „Zunächst bekam ich hauptsächlich Longen-Stunden und Sitz-Schulungen, darauf wird allergrößter Wert gelegt“, berichtet der Bereiter aus seiner Ausbildungszeit.
„Wenn das dann alles zur Zufriedenheit klappt, bekommt der Eleve einen ausgebildeten Schulhengst für den Unterricht beim Bereiter. Ich bin zwar früher schon als Kind geritten, aber Reiten gelernt habe ich erst in Wien.“
Natürlich wollen wir, an konkrete Zeitpläne gewöhnt, wissen, wie lange das dauert. Aber da kommt die den Österreichern oft nachgesagte Gelassenheit zu Tage: „Das kann zwei Jahre dauern, aber auch drei, das kommt darauf an, wie es sich entwickelt.“
Wenn es sich schließlich gut entwickelt hat, bekommt der ,Einsteiger‘ in Wien schließlich immer mehr Pferde zugeteilt, darf beginnen junge Pferde anzulongieren und, wenn er gut genug ist, darf er auch einen jungen Hengst anreiten. Und schließlich darf er oder – seit 2016 auch sie – dann auch mit einem ausgebildeten Hengst in der Schulquadrille reiten. Dort muss er sich bewähren, das Pferd mehrfach gut und ordentlich vorstellen, dann steigt er/sie auf zum Bereiter-Anwärter(in).
Mit den Jahren wachsen dann auch die Aufgaben. Bereiter-Anwärtern wird ein Jung-Hengst zur Ausbildung zugeteilt, der für dann für die Schul-Quadrille ausbildet, wird. Auch hier gibt es in der Spanischen Hofreitschule – anders als im modernen Sport – keine Fristen innerhalb derer bestimmte Dinge zu erlernen sind.
„Zum einen werden bei uns die Hengste erst mit fünf Jahren angeritten, zum anderen ist jedes Pferd anders. Manch einer ist schneller, der andere etwas langsamer – da richten wir uns nach den Tieren.“
Also hat auch ein Bereiter-Anwärter alle Zeit, die er braucht, um ‚sein‘ Pferd sorgfältig auf die Aufgaben in der Schul-Quadrille vorzubereiten. Dazu gehören u.a. Passagen, Schulterherein, Wechsel etc. Hat der Anwärter seinen ihm zugeteilten Hengst fertig ausgebildet, reitet er ihn in der Schul-Quadrille – das große Ziel aller, die in der Wiener Hofreitschule Bereiter:in werden wollen.
Doch damit ist der Anwärter noch längst kein Bereiter. Dazu muss er erst das von ihm ausgebildete Pferd im Rahmen einer Publikums-Vorführung (ohne dass die Zuschauer etwas davon ahnen) vor seinen Prüfern gut vorstellen. Dann ist es geschafft – der Anwärter ist Bereiter und bekommt ebenso wie seine Kollegen jährlich einen jungen Hengst zur Ausbildung zugeteilt und reitet seine bereits fertig ausgebildeten Hengste.
„Jedes unserer Pferde ist anders und man muss schauen, wo seine Begabungen liegen. Nicht alle Pferde gehen in der Quadrille. Wir haben auch Spezialisten, wie Levadeure, Courbetter oder Caprioleure. Pferde, die die klassischen Schulsprünge zeigen, werden einzig und allein in dieser Disziplin eingesetzt.“ Burg selbst hat einen Caprioleur an der Hand und einen im Sattel ausgebildet.
Sicherlich sind Ausbildung der Pferde und die der Menschen um sie herum nicht nach modernsten Effektivitätsmaßstäben zu messen – aber gerade deshalb liefern sie uns das kunstvolle, einfühlsame und harmonische Bild, das wir heute so schätzen. Und das dazu führte, die klassische Reitkunst der Spanischen Hofreitschule 2015 in die UNESCO-Liste als immaterielles Kulturerbe der Menschheit aufzunehmen.
Fragt man Bereiter Philipp Burg nach seinen weiteren beruflichen Zielen, so erhält man die Antwort: „Die Ausbildung von Pferden und die des Nachwuchses. Und vor allem die Überlieferung der klassischen Reitkunst auf höchstem Niveau.“ Da wünschen wir uns von ‚,Stallgeflüster‘ nur, dass es auch in ferner Zukunft noch Idealisten und Ideale geben möge, die ‚Kunst des Reitens und der Ausbildung junger ,Pferde‘ als Berufung sehen und weiter tragen dürfen, ohne dabei materielle Aspekte in den Vordergrund stellen zu müssen.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm