Distanzreiten – ein erholsamer Sport für Pferd und Reiter in der Natur
Erwähnt man die Sportart ‚Distanzreiten‘ so erhält man in den letzten Jahren doch häufig hochgezogene Augenbrauen und eine gerunzelte Stirn bei Reitern oder Tierschützern. Gingen schließlich Bilder von internationalen Wettbewerben durch die Medien, die erhebliche Zweifel an dieser Sportart weckten – nicht nur unter Pferdeleuten.
Dass Distanzreiten auf keinen Fall bedeutet ‚als erster, möglichst schnell und um jeden Preis das Ziel erreichen‘ oder ‚das letzte aus Tier und Reiter herausholen‘, das erklärte Iris Cruz Garcia der Redaktion von ‚Stallgeflüster‘. Sie selbst startet seit knapp zwanzig Jahren in dieser Disziplin und ist Regionalbeauftragte des VDD – Verein Deutscher Distanzreiter und -Fahrer e.V. in Hessen.
„Mit einem gesunden Pferd wohlbehalten ankommen – das ist das Ziel in unserem Sport“, erzählt sie uns. „Schließlich reiten oder fahren bei unseren Veranstaltungen unterschiedlichste Teilnehmer mit den verschiedenartigsten Pferde- bzw. Pony-Rassen mit. Da ist das mit dem Tempo nicht so entscheidend.“
Cruz Garcia selbst kam durch Zufall zu dieser Sportart. „Ich hatte einen Reiter-Bekannten, der das machte und habe ihn aus Neugier einmal begleitet. Dabei habe ich mich auf der Stelle mit dieser Sportart infiziert und bin dabei geblieben. Damals hatte ich noch eine Trakehner-Stute, später dann ein Pony, das inzwischen seine Rente genießt und noch von Kindern bespaßt wird. Ich selbst reite mittlerweile Toni. Er ist ein Kaltblut, ein Mix aus Schwarzwälder und Haflinger – also keineswegs ein Pferdetyp, den man sich landläufig als typisches Distanzpferd vorstellt.“
Heute ist Kaltblut Toni 14 Jahre alt und ein erfahrenes Pferd in seinem Sport. Rund 6.000 Kilometer hat er mit seiner Reiterin bereits in den Wertungen des Distanz-Sports erlaufen. Dazu kommen noch viele Kilometer außerhalb der Wertungen, denn in dieser Sportart liegt die Mindestalter-Grenze für den ersten offiziellen Start bei fünf Jahren.
Streng ist das Reglement nicht nur bei den Altersbegrenzungen, sondern auch während der Ritte, berichtet die Regionalbeauftragte. So kann nicht jeder an jedem Ritt teilnehmen, sondern muss sich erst auf einer festgelegten Zahl von kürzeren Strecken für die längeren Wege qualifizieren. Auch dann geht es noch nicht gleich auf die Langstrecken, die teilweise bis zu 160 Kilometer lang sind. Zunächst muss dann eine festgeschriebene Anzahl mittlerer Strecken von 61 bis 80 Kilometer absolviert werden und erst dann dürfen sich Reiter und Pferd an die Langstrecken wagen.
Doch auch unterwegs sind Pferd und Reiter nicht unbeobachtet. Dort gibt es, je nach Strecke, eine vorgeschriebene Anzahl tierärztlicher Verfassungskontrollen, die Reiter und Pferd absolvieren müssen. Dabei untersucht der Veterinär den Puls, der innerhalb von zwanzig Minuten auf 64 sinken muss, prüft Rücken und Sattellage ebenso wie Gangwerk und die Schleimhäute. Erst nach bestandener Prüfung darf das Mensch-Tier-Team weiter reiten.
Iris Cruz Garcia geht es bei ihren Ritten – ebenso wie vielen anderen Reitern – nicht um einen Sieg oder eine Platzierung. „Viele von uns sammeln Kilometer mit ihren Pferden. Das gemeinsame Erlebnis und die erreichten Kilometer sind für uns das Wichtigste“, erzählt sie. Bei ihren Ritten ist sie meist allein. „Toni ist aufgrund seiner Rasse nicht der Schnellste und ich genieße es sehr auch einmal abzusteigen, ihn fressen zu lassen oder ein paar Fotos zu machen. Das ist kein Problem, denn die Geschwindigkeit, die pro Kilometer bei einem solchen Ritt vorgegeben ist, liegt bei sieben bis acht Minuten pro Kilometer. Da kann man schon mal ein kurzes Päuschen einlegen.“
„Übrigens hat einer unserer Reiter auch bereits das goldene Reitabzeichen erhalten,“ berichtet sie uns. „Das aber keineswegs für viele Siege oder Platzierungen, sondern für insgesamt 36.000 Kilometer, die er zusammen mit seinen Pferden zurückgelegt hat.“ Eine beachtliche Leistung kann man dazu nur sagen.
Besonders stolz ist die Regionalbeauftragte auf die überaus seltenen Doping-Fälle in diesem Sport hier in Deutschland. „Alle Regionalbeauftragten erhalten von der FN die Doping-Tests, die wir dann während der Veranstaltungen mit den Tierärzten durchführen. „Da gab es bisher keine nennenswerten Fälle, die positiv waren.“
Als nächsten Start mit ihrem Kaltblut plant die 56jährige einen Vier-Tages-Ritt über 251 Kilometer durch den Vogelsberg. Am ersten Tag sind 81 Kilometer zu bewältigen, am zweiten 65, dann 63 und schließlich noch 41. Natürlich will ‚Stallgeflüster‘ gerne wissen, wie das in der Praxis ausschaut. Schließlich brauchen Tier und Mensch etwas zu essen, einen Platz zum Schlafen und eventuell auch unterwegs mal Unterstützung.
„Einige von uns haben einen Tross dabei“, berichtet Iris Cruz Garcia, „andere reiten eher allein, so wie ich beispielsweise. Ich gebe meine Sachen, die ich dringend brauche, dann oft einem Tross mit. Das macht jeder von uns gerne – da gibt es keine Probleme. Und ich selbst schlafe meistens im Pferdeanhänger bei meinem Pferd.“ Klar, dass da zwischen Mensch und Tier ein echter Teamgeist entsteht.
Aber auch dem trainiertesten Team kann ein solcher Ritt doch mal zu viel werden – was dann? „Dann hört man auf“, lautet die Antwort. Wir staunen nicht schlecht. Doch darf man während der Distanzritte abbrechen – die gerittenen Kilometer werden in der Wertung trotzdem angerechnet. Als Beispiel erzählt uns die Distanzreiterin von einem 160-Kilometer-Ritt in Mecklenburg-Vorpommern. „Ich kam relativ spät abends an der letzten Verfassungskontrolle an und stellte fest, dass ich in der Dunkelheit hätte weiter reiten müssen. Das Gebiet dort ist aber Wolfs-Gebiet und ich bekam schlichtweg Angst. So habe ich mit fittem Pferd aufgehört, aber die 122 Kilometer, die wir bereits zurückgelegt hatten, wurden in der Wertung trotzdem angerechnet.“
Ein fairer Sport kann man dazu nur feststellen. Allerdings gibt es hier, wie überall, auch jene, die nur vom Erfolg leben und darunter dann auch wieder einige schwarze Schafe, die sich nicht sonderlich um das Wohl ihrer Tiere kümmern. Schade, dass oft nur diese Negativ-Beispiele ihren Weg in die Medien finden, findet ‚Stallgeflüster‘.
Das müsste bitte noch abgeändert werden. Es ist eigentlich = 0. Ich habe noch nie von einer positiven Medikationskontrolle in den letzten Jahren in D gelesen.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm