Musikerin Jördis Tielsch -Geronimo spielt die erste Geige
Musik und Pferde: sind ihre große Leidenschaft.Während Singer-Songwriterin und Geigerin Jördis Tielsch zurzeit mit Rea Garvey und seiner Band durch Deutschland tourt, wartet auf der heimatlichen Koppel in Sinn ihr geliebtes Palomino-Pony Geronimo – mit seinen 25 Jahren gerade mal ein Jahr jünger als die Künstlerin. Der Araber-Welshcob-Mix, auf dem sie Reiten lernte, ist ihr Begleiter seit Kindertagen. Ebenso wie ihre Geige, die sie virtuos beherrscht. Seit zehn Jahren ist Jördis Tielsch mit ihrer eigenen Pop-Folk-Band erfolgreich, hat mehrere Alben veröffentlicht und war als Gastmusikerin mit den Wise Guys und Heinz Rudolf Kunze auf Tournee. Ihre große Liebe zu Pferden und das rastlose Künstlerleben unter einen Hut zu bringen, ist eine ständige Herausforderung. In Stallgeflüster erzählt Jördis Tielsch, wie sie zwischen beiden Welten pendelt – und warum Pferde für sie im Leben die erste Geige spielen.
Stallgeflüster: Dein Pferd Geronimo begleitet dich nun schon fast dein ganzes Leben…
Jördis Tielsch: Geronimo ist mein allererstes Pferd, mein Herzenspony, mein absolutes Traumpferd, mit dem ich Reiten gelernt habe. Ich hatte eine Reitbeteiligung auf ihm, und als seine Besitzerin vor einigen Jahren ausgewandert ist, hat sie ihn mir anvertraut. Da ich in Köln studiere und nur noch am Wochenende zuhause sein kann, haben meine Eltern sich eingearbeitet und die Aufgabe übernommen, sich um ihn zu kümmern. Sie haben sogar mit dem Reiten angefangen! Geronimo ist der perfekte Lehrmeister, unser kleiner Professor. Meine Mutter war auch schon immer pferdevernarrt, durfte aber nie reiten, weil ihre Mutter, meine Oma, solche Angst vor Pferden hatte.
Geronimo hat Anfang des Jahres Gesellschaft bekommen…
Meine Eltern haben Trovador dazu geholt, einen fünfjährigen Spanier, damit sie zusammen ausreiten können – bisher ritt einer auf Geronimo, der andere musste Fahrradfahren. Trovador ist ein P.R.E, sehr talentiert für Zirkuslektionen, und aktuell menschenbezogener als Geronimo, der mit seinen 25 Jahren schon ein alter Herr ist und manchmal seine Ruhe braucht. Geronimo ist ein eher stilles Pferd, aber wenn ich längere Zeit nicht da war, kommt er wiehernd auf mich zugelaufen. Ich vermisse ihn sehr, wenn ich unterwegs bin, und hätte ihn am liebsten immer in meiner unmittelbaren Nähe. Ich verabschiede mich immer mit ausgiebigen Kuscheleinheiten von ihm.
Rea Garvey gewann am 21. Mai Stefan Raabs „Free ESC 2021“ mit dem Song „The One“, du hast ihn auf der Geige begleitet. Wie kam es dazu?
Für den irischen Remix des Songs „The One“ kontaktierte mich Rea Garvey’s Musical Director, der eine authentische Geigerin mit Faible für irische Musik suchte. Eine Künstleragentur hatte den Kontakt vermittelt. Ich mag die irische Musik total gerne und habe auch live einige irische Stücke im Programm. 2019, vor Corona, war ich für ein Auslandssemester vier Monate in Dublin und habe in Pubs Live-Sessions mit meiner Geige gespielt, ein wunderschönes Erlebnis. Ich habe irische Musik total verinnerlicht, und als die Anfrage kam, habe ich natürlich sofort zugesagt.
„Jede Geige hat ihre eigene Persönlichkeit und ihr Temperament.
Das ist eine genauso besondere und einmalige Beziehung wie zu einem Pferd.“
Du hast einen beeindruckenden Auftritt gehabt, der dein Leben ziemlich verändert hat…
Ja, das stimmt. Rea Garvey hat mich danach gefragt, ob ich als Bandmusikerin mit auf seine Sommer Tournee gehen will. Ich habe keine Sekunde gezögert. Rea Garvey hat eine tolle Truppe. Ich singe und spiele Geige. Eine große Ehre für mich. Ich habe die ersten Tourstopps nun hinter mich gebracht, und es wird immer entspannter für mich. Anfangs war ich sehr aufgeregt, aber jetzt fängt es richtig an Spaß zu machen und ich genieße es, auf der Bühne zu stehen.
Wie schwer fällt dir die Trennung von deinen Pferden?
Mein aktueller Fokus liegt auf dieser Tour. Ich hoffe ich schaffe es, wenn mal ein paar Tage Pause sind, den Pferden Guten Tag zu sagen. So eine Tour ist sehr anstrengend. Du kannst in dieser Zeit eigentlich nichts anderes machen. Künstlerleben und Pferde, das sind zwei Welten, zwischen denen ich hin und her wechsele. Wenn ich mich von den Pferden trennen muss, ist es die ersten Tage ganz, ganz schwer. Wenn ich dann aber eine positive, erfüllende Ablenkung habe wie die Musik, dann hab ich die Pferde zwar noch im Kopf, es ist aber kein Herzschmerz mehr wie in den ersten Tagen. Nach einer längeren Zeit wird die Sehnsucht nach ihnen wieder größer. Mich beruhigt sehr, dass Geronimo und Trovador bei meinen Eltern und unserer Reitlehrerin Anja Schmidt in besten Händen sind. Ich habe schon lange bei Anja Reitstunden, und jetzt unterrichtet sie meine Eltern, betreut quasi die ganze Familie und die Pferde.
Du begeisterst die Fans neben deinen Fiddle-Künsten auch mit deiner Wahnsinns-Bühnenpräsenz…
Ich denke, ich habe prinzipiell durch den Umgang mit Pferden eine gute Portion Selbstbewusstsein mitbekommen. Der Unterricht mit Anja hat das nochmal verstärkt, weil sie selbst ein enormes Selbstbewusstsein ausstrahlt. Sie inspiriert mich, als starke Frau ist sie mein Vorbild. Das hilft mir sehr in der Musikwelt, die ja immer noch eine Männerdomäne ist. Ich nehme wahr, dass es manchmal schwer ist, sich in diesem Business als junge Frau zu behaupten und ernst genommen zu werden. Meine Erfahrung mit Pferden und das daraus resultierende Selbstbewusstsein hilft mir dabei sehr.
„Ich würde gerne mal eine Dressurprüfung reiten, aber man kann nicht überall 100 Prozent geben.“
Das heißt, deine Pferde unterstützen dich bei deiner Musikkarriere?
Das Musikbusiness kann sehr stressig und oberflächlich sein, und da gibt es für mich nichts Schöneres, als durch meine Pferde geerdet zu werden. Der Umgang mit Pferden, im Gelände, in der Natur, der perfekte Ausgleich zu allem anderen. Gerade Geronimo, der kennt mich jetzt so lange, der weiß genau, wie ich bin, was mit mir los ist. Wenn ich bei den Pferden bin, komme ich bei mir selbst an. Mit der Band auf der Bühne zu stehen, den Applaus des Publikums zu bekommen, das ist ein wunderschönes Gefühl. Aber ich finde es sehr wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, wo man herkommt. Die Branche ist sehr verführerisch, da kann man schnell abdriften und abheben, wenn man Erfolg hat. Ich liebe es auch, Musik und Reiten zu verbinden. Reiten hat ja auch viel mit Rhythmus-Gefühl und Takt zu tun. Manchmal reite ich in der Halle zur Musik. Es ist unbeschreiblich, wenn man merkt, dass auch die Pferde auf den Takt der Musik reagieren.
„Das Musikbusiness kann sehr stressig und
oberflächlich sein, und da gibt es für mich nichts Schöneres, als durch meine Pferde geerdet zu werden.“
Was ist dir näher: Deine Geige oder dein Pferd?
Jede Geige klingt anders und hat ihren eigenen klanglichen Charakter. Jede Geige hat ihre eigene Persönlichkeit und ihr Temperament. Das ist eine genauso besondere und einmalige Beziehung wie zu einem Pferd. Eine Geige ist aber natürlich kein Lebewesen. Aber man kann sie zum Leben erwecken, wenn man sie spielt. Als Kind hatte ich eine rot lackierte Geige, die ich Wild Alice getauft habe. Aktuell spiele ich eine Geige, in die ich mich auf den ersten Blick bei einem Geigenbauer in Halle verliebt habe. Sie hat noch keinen richtigen Namen, ich habe sie trotzdem lieb. Ich habe mit sechs Jahren angefangen Geige zu spielen, und parallel dazu war die große Liebe zu den Pferden immer da. Meine Freundinnen teilen meine Pferdeleidenschaft. Wir haben bis wir 12, 13 waren mit Hingabe Reiterhof gespielt. Wir waren die wilden Pferde, sind durch den Wald gerannt, haben uns Hindernisse gebaut, über die wir gesprungen sind, haben die Zeiten gestoppt, Wettkampflisten erstellt und Schleifchen gebastelt. Heute verbringen wir gemeinsame Zeit mit unseren Pferden, die wir uns damals sehnlichst gewünscht haben.
„Ich denke, ich habe prinzipiell durch den
Umgang mit Pferden eine gute Portion Selbstbewusstsein mitbekommen.“
Mit der Geige hast du zahlreiche Wettbewerbe wie „Jugend musiziert“ gewonnen. War Reiten als Wettkampfsport nie ein Thema für dich?
Reiten war für mich immer Hobby, Freizeit und Erholung. Ich würde natürlich auch gerne mal eine Dressurprüfung reiten, aber man kann nicht überall 100 Prozent geben. Zu meiner Musik kommt ja auch mein Lehramts-Studium, ich bin im vorletzten Master-Semester. Ich finde es unglaublich schön, Dressurwettbewerbe anzuschauen, das Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd, das ist eine wunderschöne Kunstform, wie Musik.
Was ist dein Traum für die Zukunft?
Berufsmusikerin wäre schon toll, aber ich muss nicht unbedingt auf die ganz große Bühne. Einmal im Jahr eine schöne Club-Tour spielen, in intimer Atmosphäre, nicht vor 20.000 Leuten. Meine Songs schreiben und alle ein, zwei Jahre ein Album herausbringen. Lehrer zu werden ist mein fester Plan B, falls es mit der Bühnenkarriere nicht klappt. Gerade hatte ich ein Praxis-Semester an einer Schule, und es hat mir viel Spaß gemacht, den Kindern Musik nahezubringen. Menschen für Musik zu begeistern, das ist sehr erfüllend für mich. Auf einem kleinen Hof leben, mit Katze, Pferd und Hund – das ist mein Traum. Ich bin sehr naturverbunden und liebe das Landleben. Im Herbst bin ich mit Geronimo immer im Wald unterwegs, wie mit einem Hund, ohne Strick, und wir sammeln Steinpilze. Es wäre ganz schlimm, wenn ich in meinem zukünftigen Leben diese Beziehung zu Pferden nicht fortführen könnte. Die Bindung zu einem eigenen Pferd ist etwas ganz Besonderes. Pferde sind mein Leben.“
„Stallgeflüster“ / K. Pohl