Mit Geduld und Vertrauen – So wird Hannoveraner Cazou zum Ritterpferd ausgebildet
Das Freienfelser Ritterturnier in Weinbach-Freienfels (Kreis Limburg/ Weilburg) ist eines der größten Showritterturniere Deutschlands und unter den Mittelalter-Fans Kult.
Farbenprächtig kostümierte Rittersleute hoch zu Ross bestreiten seit 1992 am ersten Maiwochenende vor Tausenden begeisterten Zuschauern aufregende Wettbewerbe. 2020 gibt es eine Corona-bedingte Zwangspause. Mehr Zeit für Jochen Janz, um den 10-jährigen Hannoveraner Cazou zu seinem Ritterpferd auszubilden.
Jochen Janz aus Drommershausen ist einer der Hauptakteure des Turniers, in der Szene bekannt als „Wallram zu Nassau-Weilburg“. Sein Markenzeichen ist der rote Wappenrock mit schwarzen Löwen als Wappentier auf der Brust.
Sein langjähriges treues Ritterpferd Lauser, ein Hesse, ist seit letzten Juli im Pferdehimmel. Er wurde 21 Jahre alt. Das Pferd war eigentlich zu groß und zu schwer für Ritterturniere – doch Lauser war ein Naturtalent und hatte Spaß dran. Bei den Deutschen Meisterschaften der Ritterschaften vor drei Jahren erkämpfte Janz mit Lauser den dritten Platz bei 24 Teilnehmern.
Seit Anfang diesen Jahres übt Janz nun mit Cazou: „Durch Corona haben wir mehr Zeit zum Trainieren als sonst. Das Rittertraining ist wie Dressurreiten. Es hat viel weniger mit Mut als mit Disziplin, Konzentration, Geduld und Nervenstärke zu tun,“ sagt er. Nur Pferde, die in der größten Hektik cool bleiben, eignen sich dafür. Lauser war so ein Pferd. Jochen Janz: „Der Lauser war eine super coole Socke. So ein Pferd werde ich nie wiederhaben. Das ist der Cazou nicht. Cazou lässt sich auch schon mal aufregen, wird unruhig. Aber er ist sehr gelehrig. Und auf jeden Fall rittiger, als das der Lauser war. Jetzt, wo er Vertrauen gefasst hat, ist er auch richtig gut.“
Vertrauen ist das A und O bei der Ausbildung zum Ritterpferd. Plus Geduld, Geduld, Geduld und regelmäßiges Training. Eine gute Grundausbildung ist natürlich Voraussetzung. Das Pferd muss gute Nerven haben, darf nicht hektisch auf Dinge oder Bewegungen reagieren. Ruhig bleiben, egal was passiert: „Das Pferd muss lernen und wissen, dass es sich auf seinen Reiter verlassen kann. Dass das, was ich von ihm verlange, in Ordnung ist. Das ist eine absolute Vertrauenssache,“ weiß Janz.
Cazous Eingewöhnungsphase war schwierig: Er war anfangs sehr nervös. Bis der Hannoveraner zu Janz kam, kannte er nur Reitplatz und Reithalle. Ging gut in Schritt ,Trab und Galopp, war aber unglaublich schreckhaft in der Natur. Spazierenreiten war dem Pferd völlig fremd: „Er hatte Riesenangst vor Gegenverkehr und Radfahrern, manchmal sogar Durchfall vor Angst bekommen, wenn uns ein Radfahrer entgegenkam!“
Janz hat es mit viel Geduld und Ausdauer geschafft, Cazous Vertrauen zu gewinnen. Harte Arbeit, sagt er. Nun, nach fast einem Jahr, ist Cazoo soweit, dass er ein kleines Ritterturnier reiten könnte: Dazu gehört unter anderem Ringe stechen, Helme schlagen, die Sau (eine Attrappe) aufspießen und Rolandreiten. „Bis aufs Tjosten kann ich nun alles mit ihm machen,“ sagt Janz nicht ohne Stolz. Das Tjosten, mit gestreckter Lanze aufeinander zustürmen, ist eine der schwierigsten Disziplinen der Ritterturnierspiele.
Die Königsdisziplin der Ritterturniere ist das Feuerspektakel zu Pferd und der Ritt durchs Feuer. Für ein Pferd, das instinktiv große Angst vor Feuer und Blitzen hat, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Würde es seinem Instinkt folgen, würde es angesichts der gespenstisch flackernden Fackeln in der Dunkelheit und bei glühendem meterhohem Funkenregen, umtobt von schwingenden Schwertern und Äxten und johlenden Menschen, um sein Leben rennen. Es braucht ein bis zwei Jahre intensives Training, bis ein Pferd in diesem wilden Schlachtgetümmel cool bleiben kann.
Man muss langsam und mit viel Geduld an das Tier herangehen, erklärt Janz: „Erstmal nehme ich eine Flamme in die Hand und gehe mit Cazou am Zügel zu Fuß, er geht hinter mir her. Später kommen kleine Feuerchen am Boden hinzu, dann Fackeln. Wir reiten dicht an aufgestellten Fackeln vorbei, damit das Pferd merkt: Hier passiert mir nichts. Da steckt harte Arbeit dahinter, in der Lernphase immer verbunden mit Belohnung, Leckerli oder Möhren. Damit die Pferde das, was sie lernen, mit etwas Positivem verbinden. Bei Cazou bin ich schon erstaunt, dass er das so schnell mitmacht, weil er das alles ja gar nicht kannte.“
Unabhängig vom Feuer wird das Pferd auch an Waffen herangeführt: „Ich fange mit einem Besenstiel an, den ich rechts und links während des Reitens an seinem Kopf vorbeistoße,“ erklärt der ehemalige Turnierreiter. „Später kann man dann stattdessen einen Speer nehmen. Oder ich schwenke ein Tuch neben seinem Kopf hoch und runter, ziehe eine Fahne über sein Gesicht: Er sieht dann nichts, rennt weiter und merkt gleichzeitig: Es passiert mir nichts!“ Pferde, von Natur aus Fluchttiere, weichen Hindernissen aus und springen zur Seite. Ein Pferd, erklärt Janz, weiß nicht, wie tief die Pfütze ist, über die es springt. Das weiß nur der Reiter. Es könnte auch ein fünf Meter tiefes Wasserloch sein! Showreiten ist also absolute Vertrauenssache. Gerne erinnert sich Janz an seinen Lauser: „Beim normalen Training war er immer faul und so ein bisschen desinteressiert. Aber wenn der die Kuvertüre draufhatte, war das ein anderes Pferd. Sobald er die farbige, lange Decke spürte, schaltete er um, war sofort bereit, wie auf Automatik. Schon der erste Waffengang saß.“ So leicht macht es Cazou seinem Ritter nicht. Doch seine gute Rittigkeit und die solide Grundausbildung sprechen für den Hannoveraner. Die regelmäßige Arbeit tut ihr übriges: Ein Tag Dressur, ein Tag Schritt im Gelände, immer abwechselnd: „Eine Regelmäßigkeit muss da sein,“ weiß Jochen Janz. Und er freut sich auf nächstes Jahr im Mai: „Dann hoffe ich, dass Cazou und ich gemeinsam beim Freienfelser Ritterturnier an den Start gehen können.“
„Stallgeflüster“ / K. Pohl