Das Camargue-Pferd
Pferde Poseidons, Pferd aus dem Meer, Pferde aus Wind, Sand und Meer….
Es ranken viele Legenden um diese ursprüngliche Pferderasse. Eine Rasse, die seit tausenden von Jahren mit recht geringem Zuchteinfluss noch immer sehr robust ist. Sie wachsen in der wunderbaren Camargue in den Sümpfen in halbwilden Herden heran.
Kennen nur Wind, Wetter, Wasser, das karge Futter der Sumpflandschaft. Ihr Körper ist dem Lebensraum perfekt angepasst. Ihre Haut ist dunkel und gegen die Sonne gefeit, ihr Fell wird schnell vom normal farbigen Fohlenfell zu einem perlmuttweißen Haarkleid verschimmeln. Die Pferdekinder zeigen schnell um die Augen eine sogenannte Fohlenbrille – ein Kreis aus weißem Haar. Der zeigt an, dass die Farbe in den nächsten 7 bis 10 Jahren verschwunden sein wird. Dieses Haarkleid schützt die Pferde in den Sumpfweiden vor dem lästigen Ungeziefer. Ein Schutzschild gegen Stechmücken. Ihr Geruch erinnert ans Pferd, ist aber deutlich anders, als bei unseren Warmblütern. Eine Tatsache, die beim Ausritt im Sommer von großem Vorteil ist. Nachbars Warmblut ist schier irre von den Bremsen, mein Schimmel geht ganz gelassen daher. Der gesamte Organismus ist perfekt an den unwirtlichen Lebensraum im Sumpf angepasst. Mit harten, breiten Hufen bewegen sich diese Pferde perfekt sowohl im Sumpf, als auch auf dem trockenen harten Boden der Camargue. Auch hier bei uns in NRW laufen die Pferde barhuf auf Turnieren wie auch Messen und im Naturpark Hohe Mark. Bei einer der ältesten Züchterinnen Deutschlands, Mrs Roselies Egert – Gestüt Liberte – müssen die Pferde dann beschlagen über die harten Wege des Siebengebirges wandern. Das liegt aber dann tatsächlich am Weg.
Julius Cäsar liebte ihren wachen Geist, ihre Schnelligkeit, den Mut und die Ausdauer. Auch mich faszinieren diese Charaktereigenschaften sehr. Das wohl auf das Solutre`Pferd zurückgehende, ein wenig grob wirkende Pferd hat noch immer viel von einem Wildpferd. Es ist ein kräftiges kleines Pferd, mit einem Stockmass von 135 cm bis 150 cm. Aber es ist ein Pferd, das einen Erwachsenen abdeckt und bei harter Arbeit zu tragen fähig ist. Seine Beine sind kräftig und tragfähig. Sein häufig grober Kopf wird von einem sehr kräftigen und oft kurzen muskulösen Hals getragen. Er geht in einen kurzen, kräftigen Rücken über. Dieser Rücken dient der Arbeit mit dem Gardian, dem südfranzösischen Viehhirten. Dieser hat sich über hunderte von Jahren die Pferde nach Eignung für die harte Arbeit ausgesucht. Die Rasse zeichnet sich aus durch besonders hohe Lernfähigkeit, sehr große Neugierde, und den freien Willen, mit jemandem zu agieren. Es ist ein Lebewesen, das uns immer wieder daran erinnert, was uns am Pferd eigentlich so fasziniert. Ein tief angesetzter Schweif mit üppigem Haar wie auch eine üppige Mähne sind für der CRIN BLANC typisch. Ihre Beine sind am Fesselgelenk durch einen üppigen Kötenbehang geschützt. Große freundliche Augen achten wachsam auf ihre Umgebung, kleine Ohren schauen aus der üppigen Mähne hervor. Und in Sekundenbruchteilen ist eine solche Herde silberner Pferde in Bewegung, wenn der spähende Aufpasser dies für nötig hält. Ich kann Stunden im Gras sitzend auf diese Pferde schauen.
Die unglaubliche Ausdauer, die rasante Geschwindigkeit, mit der man mit diesem Pferd durch knietiefe Wasserflächen dahinfliegt. Das Wasser spritzt rechts wie links bis über meinen Kopf an mir vorbei, das Pferd saust auf dem Weg durch das Land mit frei getragenem Kopf sicher dahin. Bei einem Ritt durch den Sumpf mal so schnell, dass ich auf der Prämienstute eines befreundeten Züchters tatsächlich nur gesessen, geatmet und mich am Camarugesattel festgehalten habe. Nie zuvor habe ich so ganggewaltige, energische Pferde reiten dürfen. So kraftsparend der Reiter seinen Tag auf den wenig schwungvollen Pferden verlebt, so wandelbar ist dieses Pferd in seinem Element. Ein Wechsel vom gemütlichen Sofa zum temperamentvollen Tänzer, unglaublich.
In Frankreich werden die Pferde in Manaden halbwild aufgezogen. Jedoch gibt es solche Gestüte nicht mehr zu Hauf, Gestüte mit über 20 ha und mindestens 4 Pferden sind auch dort nicht viele. Die von mir besuchten Zuchten alter Linien verfügen über deutlich größere Herden und eine lange Zuchtgeschichte. So haben sich die Züchter Puget, Mailhan, Jalabert, Yonnet, Roche seit vielen Jahren der Reinzucht verpflichtet. Dort laufen Herden von 40 bis 60 Pferde auf Flächen von 400 bis 1000 ha. Für unser Auge unglaubliche Weiten. Seit 1968 ist das Camargue bei HARAS Nationaux in Frankreich als Rasse anerkannt und wird in Reinzucht kontrolliert gezüchtet.
Je nach Schwerpunkt des Züchters unterscheiden sich die Pferde durchaus optisch. Bei vielen Pferden erkennt man noch heute die genetischen Einflüsse der um 8 nach Christus durchs Land gezogenen Mauren. Sie brachten über Spanien die Berberpferde nach Europa. Weit später in den Kriegswirren der Spanisch-Französischen Herrscher 1600 – 1715 vermischte man das Camargue mit spanischen und portugiesischen Pferden. Man benötigte mutige Pferde für die Schlacht, für Generäle sollten sie weiß sein. Diese Einzüchtungen erkennt man auch heute noch mit gutem Auge.
Dennoch haben die Pferde ihre ursprüngliche Erscheinung in den Zeiten zurückerlangt, in denen sie wieder recht unbeachtet in den Sümpfen verschwanden.
So schauen uns bei der Rinderarbeit auf dem Gestüt Mailhan und Jalabert mutige wendige Camargue an, bei der Zucht Roche legt der Hausherr Wert auf Rittigkeit, klassische Feinheit und traditionelle Brauchbarkeit. Die Bücher von Bernard Roche sind lesenswert und zeigen sein Herzblut für diese Pferde und die Tradition. Das Gestüt Colombet zeichnet sich durch am Rind mutige und coole und vor der Kutsche brauchbare Pferde aus. Die Zuchten jüngerer Traditionsbetriebe wie „Du Claud“ (Luhring) und „de Laute“ (Vinuesa) beeinflussen die Optik der Pferde durch sehr gleichmäßige Zuchtergebnisse.
Aber alle erhalten und fördern das vielseitige Arbeitspferd.
In Deutschland werden die Zuchtbedingungen für das Camargue von den staatlichen Zuchtverbänden bei der Körung und Prüfung von Zuchtpferden übernommen und eingehalten. Jedoch wird für die Körung in Deutschland zu meiner Freude nicht so früh eine berittene Prüfung der so spät erwachsenen Pferde erwartet. Die Systematik der Beweise von Rittigkeit und Brauchbarkeit erfolgt zum Glück zu späterem Zeitpunkt auf Turnieren.
Wir versuchen, auch in Deutschland über die Arbeit mit unseren Zuchtpferden ihre ursprüngliche Robustheit zu erhalten und prüfen unsere Pferde selbstverständlich auch am Rind. Natürlich haben wir keine schwarzen Camarguetiere, die wir hüten müssen, Deutschland ist gerade im Ruhrgebiet eher Industrienation als Sumpf. Aber der eine oder andere Bauer lässt ein Hüten seiner Jungrinder durch die Pferde üben. So bleibt die Fähigkeit dieser Rasse, durch sein selbstbewusstes Auftreten am Rind schon sehr selbstständig seiner Arbeit nach zu gehen auch erhalten.
Unsere Fohlen kommen nach dem für die Rasse unabdingbaren Natursprung – dem Liebesakt der Pferde in der Herde – eigenständig zur Welt. Wir haben das Glück gehabt, die meisten Geburten sehen zu können, aber längst nicht alle. Die schwarzen, braunen, roten und falbfarbenen Pferdekinder wachsen gesund in der Herde auf, sind Mamas Prinz und werden von den größeren Halbgeschwistern bespielt und den Tanten umsorgt und gemaßregelt. So aufgewachsene Pferde sind später auch gesunde Freizeitpartner und nicht unbedingt Dauerkunde für den Tierarzt. Das genau war der Grund meiner Wahl der Rasse. Ein gesundes Pferd. Erst mit frühestens 3 Jahren werden diese Pferde von uns für die Zuchtschau am Boden ausgebildet, später erst langsam in die Arbeit genommen. Und zum weiter Wachsen wieder in die Herde entlassen. Vielleicht ist genau das der Grund, warum mein Jouvas mit jetzt 23 Jahren noch immer die Erscheinung eines 6jährigen Pferdes hat.
Unsere Züchter im Verein bemühen sich, regelmäßig frisches Genpotenzial von geprüften Pferden aus der Camargue zu importieren, um die Besonderheit der Rasse zu erhalten. Sie halten sich an strenge Regeln der Camargue sowie an die häufig modernen Richtlinien pferdegerechter und ethisch sinnvoller Aufzucht. Ganze 5 Gestüte sind in Deutschland noch aktiv und leisten eine erstklassige Arbeit. Vergleiche mit den Pferden aus der Camargue müssen diese Pferde nicht fürchten, sie sind typvolle und wunderschöne Vertreter ihrer Rasse. Gezogen von Individualisten, die die besonderen Charaktereigenschaften dieser perlweißen Pferde lieben und hüten.
Wer ein solches Pferd sein Eigen nennt, der tut gut daran, seinen Charakter zu verstehen.
Dafür hat er ein Pferd, das nicht jedermann hat.
Er hat ein Pferd, das seit hunderten von Jahren der Partner des Viehhirten war. Es kennt schnell die Arbeitsabläufe. Es kennt schnell die Aufgaben seines Herrn. Es weiß schnell, wie es seinen Herrn darin unterstützt. Man sitzt rasch auf einem Pferd, das einem bei gutem Umgang und fairer Behandlung zu gerne den Wunsch vom Hintern abliest. Aber auch sehr selbständig und selbstbewußt eigene Entscheidungen trifft. Mit diesen Charakterzügen muss der Reiter dann umzugehen und sie zu kanalisieren und nutzen wissen.
Unser Verein versucht, diese wundervollen Eigenschaften der Camarguepferde zu transportieren. Wir versuchen, die Traditionen der Camargue zu zeigen und mit ein wenig Unterstützung der französischen Freunde gelingt uns das hin und wieder ganz ordentlich. So zeigen wir die Pferde weitestgehend in traditioneller Zäumung ab gewissem Ausbildungsstand. Das bedeutet ein selbständiges Pferd auf blanker Kandare im super bequemen Camarguesattel geritten, die Reiter tragen die Tracht der Gardians mit Achtung und Stolz.
So zeigen wir – genau wie auch die stolzen Züchter in der Camargue – unsere Pferde in der Dressur, im Trailparcours (in der Camargue ist diese „Maniabilite´ auf Zeit geritten) nach Stil und Zeit, im Gelände wie auch an der Herde. Ein Züchter aus Deutschland reist seit Jahren mit seinem Hengst zu den zwei Traditionsturnieren in die Camargue und der wundervolle Hengst Lugar du Claud wurde mit dem Prix François André 2018 als besonders wertvoll ausgezeichnet. Die zwei waren wiederholt Teilnehmer an internationalen Meisterschaften der Working Equitation.
Das Camargue ist ein ungeheuer brauchbares gesundes Pferd, das je nach Zuchtauswahl die Fähigkeiten hat, bis zur hohen Schule geritten zu werden. Wir haben unseren ersten Deckhengst auf Springturnieren bis zur Klasse L erfolgreich starten können und in der Dressur bis Piaffe und Passage fördern dürfen, unsere jetzigen Hengste sind im letzten Jahr bei den deutschen Meisterschaften in der Working Equitation in der Klasse M und S** gestartet und platziert gewesen. Alle unsere Pferde machen einen gigantischen Job auf den deutschen Pferdemessen in wundervollen Schaubildern von Hengstquadrillen, gemischten Schaubildern, Stutenbildern in Liberte´ .und dem in der BRD einzigartigen Rodo di Rosso, einem Arbeitsschaubild von 8 Stuten. Und trotzdem toben wir auch gerne mit diesen wundervollen Wesen über die Waldwege am Niederrhein, wo sie unerschrocken dahinfliegen. Und uns daran erinnern, was wir an den sanften Wesen aus Wind und Meer so schätzen…. KRAFT, AUSDAUER; ADEL; ROBUSTHEIT; FEINGEFÜHL, SCHÖNHEIT und der Geruch nach warmem Pferd.
Bei Interesse steht der Verein Camarguepferde Deutschland e.V. gern zur Verfügung.
Info findet man unter:
www.camarguepferde-deutschland.de
Von Raphaela Rohm