Hejo – spann den Wagen an
Inmitten des hügeligen Oberwesterwaldes liegt Herschbach.
Es ist eine kleine Gemeinde mit nicht ganz 1000 Einwohnern, die zur Verbandsgemeinde Selters gehört. Mitten durch den Ort zieht sich die Bundesstraße 413 und direkt an der Ecke dieser vielbefahrenen Straße finden wir den Bauernhof von Birgit Hanne.
Sie bewirtschaftet den Hanne-Hof auf ökologischer Basis und hält vor allem vom Aussterben bedrohte Haustierrassen. Doch nebenbei ist sie auch Pferdefrau aus Passion. Reiten und Fahren – das ist ihr Leben.
Glück haben wir bei unserem Besuch Ende Januar. Es hatte tagelang wie aus Eimern geregnet, doch an diesem vorletzten Januar-Tag hatte der Wettergott ein Einsehen mit der Redakteurin von ‚Stallgeflüster‘. Es war trocken und nur leicht bewölkt, dennoch standen noch überall Pfützen und das eine oder andere Pferd wies auch noch feuchte Stellen auf. Apropos Pferd: Insgesamt leben auf diesem Bauernhof zwölf Pferde. Birgit Hanne hat den Hof mit Weidezaun-Panels zweigeteilt und die Pferde dürfen sich den ganzen Tag über frei darauf bewegen. An den Rändern befinden sich Unterstände, in zwei von Ihnen stehen derzeit zwei Glan-Mutterkühe mit Kälbern.
Bei unserer Ankunft begrüßen uns zunächst die Hunde, Timo ein kleiner Mischling und Jana eine überaus eindrucksvolle Kaukasische Owtscharka-Hündin. Wir sind um einiges zu früh – Konfusion bei der Termin-Absprache. Doch trotzdem sind Birgit Hannes Freundinnen schon da. Sie helfen ihr bei dem, was sie für uns plant: Einen Planwagen-Ausflug in die malerischen Hügel des Westerwaldes. Doch kein gewöhnlicher Planwagenausflug. Zum einen spannt Hanne Noriker ein, zum anderen fährt sie ein Dreiergespann, also eine Troika.
Rasch sind drei Noriker-Damen aus dem Freilauf geholt und vor dem historischen Stall angebunden. Der dient zurzeit als Kinderstube für Hannes Schweine-Zucht. Klar, dass wir, bevor wir uns wieder mit den Pferden befassen, erst einmal einen Blick auf die im Stall herumwuselnden Rotbunten Husumer und Schwäbisch Hällischen Ferkel werfen müssen.
Doch dann wieder zu den Pferden. Hanne ist nicht nur passionierte Reiterin und Fahrerin sondern auch leidenschaftliche Noriker-Liebhaberin. Sechs der zwölf Pferde auf dem Hof gehören zu dieser österreichischen Arbeitspferderasse, die in früheren Zeiten als Saumpferde nicht aus dem Hochgebirge wegzudenken waren. Sie alle stammen aus Maishofen, dem Ort in Österreich, in dem viele Noriker auf der traditionellen Auktion im Frühherbst versteigert werden. Und Birgit Hanne hat sie höchstpersönlich nach Deutschland gebracht. „Mittlerweile sitze ich bei diesen Auktionen zwischen den Händlern, da bekommt man mehr Aufmerksamkeit als unter den ‚normalen‘ Zuschauern“, erzählt sie uns. Lisa und Sissi, die da vor dem Stall auf ihre Körperpflege warten sind schon 20 und 24 Jahre alt, Sophie ist acht und damit ein echter Jungspund im Gespann. Trotzdem warten sie völlig entspannt und geduldig bis wir mit putzen und dem umdrehen des Planwagens fertig sind. Dann wird eingespannt. Auch sehr entspannt. Die Damen ziehen ihre Brustblattgeschirre an und warten bis die Hunde auf dem Wagen und die speziell angefertigten Troika-Leinen ordentlich verschnallt sind – eine Wissenschaft für sich.
Dann öffnet sich das Hoftor, ein Ruck und die drei wollen los. ‚Stallgeflüster‘-Redakteurin Elke Stamm schließt bei dem Gedanken an die direkt vor dem Hof vorbeiführende Bundesstraße erst einmal kurz die Augen – doch keine Panik, brav reagieren die drei auf das Zeichen zum Warten und Halten. Schließlich fehlt auch noch der Passagier, der das Tor zum Hof wieder schließen muss. Doch dann geht’s los. Herschbach liegt landschaftlich ausgesprochen reizvoll, denn zur Gemeinde gehören drei Naturschutzgebiete.
Rasch verfallen die drei Damen in einen flotten Trab – bis Sissi einfällt, dass auch ein Galöppchen vor dem Wagen nicht schlecht ist. Und so geht es in flottem Tempo bergauf. Und wer glaubt, dass ein oder zwei Kilometer Galopp diesen Pferden ausreicht, der sieht sich getäuscht. Bergab hat Birgit Hanne den Fuß fast permanent auf der Bremse bis es dann wieder in flottem Trab (Sissi nutzt die Gelegenheit für weitere Galoppaden) bergauf geht.
Unterwegs erfahren wir dann, dass Birgit Hanne während ihrer Kindheit in Frankfurt aufgewachsen ist. „Da könnte ich auf keinen Fall leben“, meint sie. „Schon damals fand ich das nicht schön – ich wollte immer reiten, aber das durfte ich nicht. Und in Frankfurt Pferde zu finden, war damals für mich nicht möglich. Als wir dann in den Westerwald zogen, hatte ich sie praktisch vor der Haustür und so konnte ich auch reiten.“ „Und wie kamen Sie dann vom Reiten zum Fahren?“, will ‚Stallgeflüster‘ natürlich wissen. „Wir lebten damals in Niederzeuzheim und dort war der ‚Vater des rollenden Sports‘, Karl Bäroth. Der wollte, dass jeder Fahren lernt, hatte dort einen wöchentlichen Stammtisch und hielt jährlich einen Fahrlehrgang ab. Der begann am Aschermittwoch und endete Ostern. Meine Freundin sagte, komm lass uns da doch mitmachen und so lernte ich fahren. Das macht Spaß. Wir sind hier in der Gegend eine größere Gruppe von Fahrern und haben auch schon Wanderfahrten mit mehreren Wagen gemacht. Den Planwagen hatten wir eigentlich gekauft, um darin übernachten zu können.“ Derzeit fährt Birgit Hanne mit ihrem Planwagen allerdings hauptsächlich Gruppen. Kindergeburtstage zu einschlägigen Spielplätzen, Junggesellenabschiede, Firmen-Events oder auch zu Himmelfahrt die fröhlichen Väter. Auch die Troika-Anspannung hat sie eigens wegen des Planwagens für sich entdeckt. „Drei Pferde haben es in diesem hügeligen Gelände mit dem Wagen leichter als zwei.“ Kutschiert sie nicht den großen Wagen, dann fährt sie ihren kleinen Marathon-Wagen – eine Pferdefrau eben, durch und durch.
Wer gerne selbst einmal föhlich durch den Westerwald fahren möchte muss sich vorher anmelden. Birgit Hanne, Rheinstraße 1, 56414 Herschbach. Tel.: 0171 / 78 28 483
„Stallgeflüster“ / E. Stamm