Horseguide in unberührter Natur -So lebt die Hessin Ricky ihren Traum in Amerika
Wenn das mal kein Traumjob ist! Ricky McGarry aus Wetzlar arbeitet als Horseguide in den Outer Banks, einer schmalen, 280 Kilometer langen Inselkette im Atlantik vor der Ostküste Amerikas.
Zu Pferd führt sie Touristengruppen durch den wunderschönen Nationalpark Frisco Woods.
Endlose Strände, unberührte Natur, warmes Klima: Die Outer Banks sind als Ausflugsziel bei den Amerikanern sehr beliebt. Hier campen sie, düsen in ihrer Freizeit mit ihren 4-Wheel-Drive-Autos über den langen Sandstrand. Doch es gibt auch einen ruhigeren Teil. Dort, wo es keine Häuser, sondern nur unberührte Natur gibt, malerische Wälder und abgelegene Sümpfe, verdient Ricky mit Reiten ihren Lebensunterhalt. Die Geschichte einer Pferde-Abenteurerin, die noch lange nicht angekommen ist!
Die Liebe zu Pferden wurde Ricky quasi in die Wiege gelegt: Als Ulrike wurde sie in eine pferdeverrückte Familie hineingeboren. Ihre Eltern Ingrid und Willy Uhl waren erfolgreiche Dressur- und Vielseitigkeitsreiter, besaßen Pferde und betrieben die Reithalle in Münchholzhausen bei Wetzlar.
Pferde waren schon immer ihr Ding, sagt sie. Bis sie 11 war, ritt Ricky Turniere: Dressur und Springreiten. Nach dem Abi machte sie erstmal eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau. Doch ein Schreibtischjob, das merkte sie schnell, war
so gar nicht ihr Ding. Ricky wollte Reisen, Abenteuer, die Welt sehen. Und machte sich auf die Socken. Anfangs nur im Winter, da zog sie monatelang in fernen Ländern der Sonne hinterher. Im Sommer ging‘s zurück nach Wetzlar, dort jobbte sie in Restaurants als Bedienung. Traumhaft: Bevor sie nach Virginia Beach in die Heimat ihres amerikanischen Mannes zog, lebte die Wetzlarerin zehn Jahre lang mit ihm und den vier gemeinsamen Kindern auf einem Boot in der Karibik. „Da wurde es aber dann zu eng, als die Kinder grösser wurden,“ erzählt sie. Das war vor 12 Jahren, Rickys Tochter und die drei Jungs waren zwischen 15 und fünf Jahre jung.
Statt auf dem Boot lebt Ricky seitdem mit der Familie in einem Strandhaus in Virginia Beach im US-Bundesstaat Virginia. So herrlich sich so ein Leben im Strandhaus für uns anhört – Ricky merkte bald, dass ihr was fehlt: Die Natur, Freisein, Abenteuer! Monatelang überlegte sie hin und her, recherchierte im Internet nach Jobs in der Nähe. „Ich konnte nicht mehr reisen und brauchte etwas, was mich wieder happy macht. Wo ich mich gut fühle und was ich mit meiner Familie vereinbaren kann.“ Sie fand eine Stellenanzeige der Pferderanch Equine Adventures im 202 Kilometer südlich liegenden North Carolina, auf der Insel Hatteras der Outer Banks. Man suchte einen Manager. Pferde! Das war es, was sie vermisst hatte, was sie brauchte wie die Luft zum Atmen.
Ricky setzte sich in ihren geliebten Geländewagen, einen alten, himmelblauen Chevy Suburban, Baujahr 1995. Fuhr die drei Stunden runter zu den Outer Banks. Bewarb sich jedoch nicht als Manager, sondern als Horseguide. Und bekam den Job! „Seitdem arbeite ich 3 bis 4 Tage die Woche in den Outer Banks, wohne in einem alten Wohnmobil, das steht zwischen Koppel und Stall. Wir sind sieben bis acht Mädels, die hier als Horseguide jobben.“ Ein Traum, der wohl jeder Reiterin das Herz bis zum Hals galoppieren lässt!
Zweimal täglich reitet sie in Gruppen zwischen sechs und 12 Personen aus, bei mehr als sechs Leuten sind zwei Horseguides dabei. Die Pferde gehen im Wechsel. 22 leben auf der Ranch, vom Kaltblüter über Ponys bis zu Quarterhorses. Eines haben alle gemeinsam: Sie sind so trainiert, dass sie im Schritt gehen, wenn der Reiter beide Zügel zurückzieht. „Das ist wichtig, denn wir nehmen alles auf den Ausritt mit, auch absolute Anfänger,“ lacht Ricky, die schon unzählige Touristen mit ihrer Begeisterung fürs Reiten angesteckt hat.
15 bis 16 Stunden dauert Rickys Arbeitstag – und sie genießt jede Minute! „Ich stehe spätestens um 4.30 Uhr auf. Um 5 werden die Pferde von der Weide geholt und gefüttert. Die erste Gruppe Gäste kommt um viertel vor sieben. Wir begrüßen sie und erklären ihnen zuerst mal, was auf sie zukommt. Machen eine Reit-Demonstration, fragen nach Reiterfahrung, Größe und Gewicht, um die Pferde einzuteilen.“
Um 7 Uhr reiten sie los, 45 Minuten auf einer festgelegten Strecke durch ein idyllisches Sumpfgebiet Richtung Strand. Am Meer wird dann noch einmal 45 Minuten entlang geritten. „Mit allem Drum und Dran sind wir drei Stunden unterwegs. Nach dem Ritt helfen wir unseren Gästen von den Pferden, die Leute werden verpflegt und bespaßt, die Pferde abgesattelt und gewaschen. Bei Temperaturen von 30 Grad und mehr genießen sie die Erfrischung! Meistens essen wir Mädels ein Sandwich im Stehen, wuseln zwischen Koppel und Stall hin und her. Der nächste Ritt startet um 17 Uhr, da müssen die Pferde wieder gesattelt, gefüttert, getränkt und vorbereitet sein.“
Die Ausritte sind ein unglaublich schönes Erlebnis für alle. Geübte Reiter werden von den Horseguides am Strand vorgeschickt, von Trab bis Galopp ist alles drin. Ricky selbst reitet meistens auf ihrem Lieblingspferd Onyx, ein dickes, massives Quarterhorse. Sie strahlt: „Mit Onyx, das war Liebe auf den ersten Blick. Wenn ich ihn reite, bin ich einfach nur happy!“ Feierabend ist frühestens um 21 Uhr. Aber umziehen und duschen? Dauert viel zu lange!
In Reitklamotten gehen die Mädels in ihre Lieblingskneipe Pop‘s. Nur die Reiterstiefel hat Ricky gegen Flip-Flops getauscht und genießt die Luft an den Füßen: „In’s Pop’s kann man auch ungeduscht und verschwitzt hingehen, das stört keinen. Wir setzen uns an den Tresen, trinken eiskaltes Flaschenbier und verdrücken Burger.“ So cool, wie man sich echte Cowgirls eben vorstellt. Um 22, spätestens 23 Uhr, ist Ricky wieder in ihrem Wohnmobil. Meist setzt sie sich noch mal zehn Minuten auf die Stufen und schaut in die Nacht über die Koppel, auf der Millionen Glühwürmchen um die Wette tanzen. „Ich kann manchmal gar nicht fassen, wie schön das alles hier ist. Genial!“
Jeden Tag machen die Horseguides Menschen glücklich – auch wenn es mal zu kleinen Missgeschicken kommt. Ricky lacht: „Der Strand ist kein schlechter Ort, um vom Pferd zu fallen. Ein zehnjähriger Junge, der mit seinem Pony am Strand galoppierte, um seine beiden großen Schwestern einzuholen, hatte den Steigbügel verloren und fiel ins Wasser. Er strampelte und ruderte mit den Armen. Ich bin sofort hinterher, da kam er klatschnass aus den Wellen und strahlte bis zu den Ohren, rief: ‚Oh Mann, ich hatte noch nie solchen Spaß!‘“
Und auch Ricky erlebt immer wieder besondere Momente. Wie mit den Musical-Darstellerinnen, mit denen sie auf dem Rückweg vom Strand in strömenden Regen geriet. Ricky lächelt: „Die Mädels fingen lauthals an, Musicalhits anzustimmen. Aus Grease, My Fair Lady. Das war einfach super. Wir kamen pitschnass und laut singend im Stall an.“
Hat das Leben als Horseguide eigentlich auch negative Seiten? „Das Gehalt könnte deutlich höher sein,“ seufzt Ricky. „Aber das nehme ich gerne in Kauf. Ich bin zufrieden damit und werde nie reich werden! Ich fühl mich extrem wohl als Horseguide, bin sehr kontaktfreudig und mag Menschen genauso gern wie Pferde.“
Sechs bis acht Monate dauert die Reitsaison, in der Ricky zwischen Familie und ihrer Arbeitsstelle bei Equine Adventures hin und her pendelt. Eine Strecke dauert drei Stunden Autofahrt – für Amis ein Katzensprung. Drei bis vier Tage verbringt Ricky McGarry im Sommer pro Woche auf Hatteras, dann geht’s für drei bis vier Tage zurück ins Strandhaus zu den Kids nach Virginia Beach.
Aber Ricky wäre nicht Ricky, wenn es ihr in den Wintermonaten nicht langweilig würde. Also schrieb sie letzten Herbst über Facebook die Besitzerin einer Ranch in Nicaragua an, bewarb sich als Horseguide. Die Antwort: ‚Wir brauchen zur Zeit keinen. Aber wenn du kommen willst, komm vorbei.“ Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Zwei Monate blieb sie, half bei den Ausritten mit. Durch die wilde, ursprüngliche Landschaft, wo die Pferde sich im seichten Wasser wälzen können. „Wir haben Vollmond-Ritte mit Lagerfeuer am Strand gemacht, in die Sterne geguckt. Wunderschön. In den USA ist das versicherungstechnisch gar nicht möglich. Ich habe es unglaublich genossen. Ich komme definitiv wieder.“
Nächstes Jahr, wenn ihr jüngster Sohn 18 wird und aufs College geht, will sie ihren Lebenstraum verwirklichen: „Reiten auf der ganzen Welt. In verschiedenen Ländern als Horseguide arbeiten. Wenn du Erfahrung hast, kannst du dich überall bewerben. Solange meine Gesundheit, meine Knochen und die Kondition mitmachen. Am liebsten für immer!“ Kein Zweifel, dass Ricky McGarry ihren Traum wahr machen wird. Wir bleiben dran. Versprochen!
www.equineadventures.com
„Stallgeflüster“ / K. Pohl