Phoebus: Seine großen Erfolge erzielte er nicht nur im Grand Prix Sport
Bei der hessischen Reitpferde-Auktion im Herbst 1990 galt er als schwieriges Pferd – im Oktober 1999 wurde er zum ‚Hessenpferd des Monats’ gewählt.
Wir sprechen hier von Phoebus und seiner Besitzerin Elke Funk. 1999 – das ist lange her. Deshalb besuchte Stallgeflüster die international erfolgreiche hessische Reiterin, um zu sehen, wie es ihr heute geht.
Dazu führt uns unser Weg in die idyllische Kleinstadt Runkel. Eingerahmt von Burg Runkel und Schloss Schadeck, durchzogen von der Lahn, scheint in diesem Ort die Welt noch in Ordnung zu sein. Schon an der Haustür hören wir helle Kinderstimmen – Elke Funk leitet seit 2006 das Kinder- und Jugendhaus Funk und betreut traumatisierte Kinder.
„Internationaler Dressursport und eine sozialpädagogische Ausbildung, wie passt das zusammen?“, fragen wir uns bzw. Elke Funk. „Das hängt mit meiner Geschichte und der des Hauses zusammen“, erklärt sie uns. Schon als sie klein war, leiteten die Eltern Gudrun und Ludwig Funk Kinder- und Jugendeinrichtungen. 1979 verwirklichten sie sich den Traum von einer kleinen, sehr individuellen Einrichtung: Sie kauften das Haus in Runkel und betreuten hier Kinder und Jugendliche in kleinem, familiären Rahmen. „Ich habe hier seit 1979 gelebt“, erzählt Elke Funk, deren viele Ausbildungsqualifikationen uns in Erstaunen versetzen. So ist sie beispielsweise Erziehern, Sozial- und Trauma-Pädagogin, Pferdewirtschaftsmeisterin Reiten und hat die Zusatzqualifikationen ‚Reiten für Behinderte’ sowie ‚Heilpädagogisches Reiten’ des DKThR (Deutsches Kuratorium für therapeutisches Reiten), seit einem Monat darf sie sich Sport -Mental -Coach nennen.
Zum Reiten kam die heute 48jährige durch eine verständnisvolle Familie und deren Unterstützung: „Als ich klein war und ein Pferd sah, übte das eine absolute Faszination auf mich aus. Also mietete mein Vater alle paar Wochen ein Pony und lief mit mir durch den Wald. So habe ich die ersten reiterlichen Grundkenntnisse bekommen. Denn unsere Familie war nicht so betucht, dass ich regelmäßig Reitstunden nehmen konnte.“
Aber Reitunterricht bekam Elke Funk dann schließlich doch. Ihre Oma hatte ihr bei ihrem Tod ein wenig Geld hinterlassen, mit der ausdrücklichen Verfügung dies für den Kauf eines Pferdes zu verwenden. So kam sie zu Sonja Theis, die hier ein reiterliches Talent entdeckte und förderte.
Als sie dann 1990 Phoebus entdeckte, war das die große Liebe. Obwohl Marika Behnsen ihr bei der Auktion erklärt hatte, dass dieses Pferd nur auf dem Zirkel probegeritten werden kann, weil er in dieser Bahn niemals ‚ganze Bahn’ geht und gerne auch mal zum Steigen neigte – trotzdem war Phoebus das Herzenspferd.
„Vor allem das erste halbe Jahr war schwierig mit ihm“, erzählt sie uns. „Aber dann stellte ich bald fest, dass Dinge, die andere Pferde schwierig fanden, für ihn ganz leicht waren.“ Bereits mit sechs hatte sich Phoebus für das Bundeschampionat qualifiziert, mit acht gehörte er zu den Top Ten und war die Nummer vier in Hessen. „von da an standen auch mir viele Türen offen, von denen ich noch nicht einmal zu träumen gewagt hätte“, berichtet Funk. „Bis Grand Prix hatte ich ausschließlich selbst ausgebildet – ich durfte auf einmal bei den Besten Trainern der Welt Conrad Schumacher reiten, der das Talent von Phoebus erkannte, bei Klaus Balkenhol, um nur zwei zu nennen. Nach einer heftigen Verletzung, die sich Phoebus mit dreizehn Jahren zugezogen hatte, wurde mir allerdings klar, dass es beim Reiten für mich nicht um die Schleifen ging, sondern immer nur um mein Pferd.“ So startete sie als Phoebus 14-jährig und wieder völlig genesen war auf keinen Turnieren, sondern genoss dieses wunderbare Pferd ganz ohne Turniersport.
Als Elke Funk 2006 das Kinderhaus von ihren Eltern übernahm, ging Phoebus ‚in Rente’. Allerdings in eine Rente mit einer Aufgabe, die ihm 1990 niemand zugetraut hätte: Er wurde zum Partner für viele traumatisierte Kinder, hörte ihrer Lebensgeschichte zu, wenn sie erzählten, ließ sich verwöhnen, die Kinder auf sich reiten und gab ihnen ein wenig von dem Ur-Vertrauen zurück, dass sie verloren hatten. Vielleicht waren dies seine größten Erfolge? Als Phoebus im vergangenen Dezember im Alter von 29 Jahren starb, wollte Elke Funk außer den Pferden zu Therapie-Zwecken für die Kinder kein neues Pferd wieder für sich haben. Doch das Schicksal wollte es anders: Es gibt wieder ein Pferd aus dem ‚großen Sport’ im Stall Funk.
Dieses Mal haben wohl die Menschen das Tier gerettet – doch das dankt es ihnen. Das Kind, das in Phoebus’ letztem Lebensjahr, als er nicht mehr geritten wurde, bei ihm auf der Koppel saß, reitet inzwischen dieses Pferd.
Da wünschen wir uns von Stallgeflüster, dass möglichst viele Kinder, die ähnlich traurige Schicksale erlebt haben, wie die im Kinder- & Jugendhaus Funk, auch von möglichst vielen Menschen so viel Zuwendung erfahren, wie von den Pferden.
„Stallgeflüster“ / Elke Stamm