Reiterfreunde aus ganz Deutschland ersteigerten 87 Thüringeti-Pferde
Volksfest in Crawinkel – oder doch nicht? Ein riesiges Fest mit Buden, an denen es gebrannte Mandeln, Crepes, Steaks, Würstchen, Kuchen und alle möglichen Getränke gibt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als spannende Pferdeauktion.
Insgesamt 87 Thüringeti-Pferde wurden traditionsgemäß am Tag der deutschen Einheit hier in Crawinkel versteigert.
Bereits zum fünften Mal findet die Auktion hier statt – und der Menschen-Andrang ist beachtlich. Hier treffen sich neben Freizeitreitern eine Reihe von Profis, unter ihnen auch Dressurreiterin Uta Gräf, national und international bekannt. Reiter und Fahrer, aus Deutschland, Ungarn, Polen etc., die Dialekte, die man hier hört, reichen vom tiefsten bayrisch über schwäbisch bis hin zum norddeutschen.
Kein Wunder, denn viele Pferde aus dem Katalog haben Pedigrees, nach denen sich so mancher ‚die Finger leckt‘. Und nicht nur das: Heinz Bley, Chef der Thürengeti Agrar GmbH, kann mit so manchem Erfolg der Pferde aus seiner Zucht aufwarten. Da erzählt beispielsweise Auktionator Volker Raulf launig von einem Pferd, das bei der Freispring-Vorführung vor zwei Jahren ganz offenbar keine Lust mehr hatte, sämtliche Absperrungen übersprang und in der Weite der Thürengeti entschwand. Wieder eingefangen wurde dieser Ausreißer dann doch noch verkauft – und errang in diesem Jahr einen der vordersten Plätze bei den Weltmeisterschaften der jungen Fahrpferde.
Doch nicht nur Söhne und Töchter berühmter Väter und Mütter stehen hier im Fokus: Auch eine Reihe von Freibergern und Koniks gehören in diesem Jahr wieder zum Auktions-Lot. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Sie sind in den großen Herden der Thüringeti aufgewachsen und hatten nur dann Menschen-Kontakt, wenn es unbedingt notwendig war. Dennoch sind sie, jetzt für die Auktions-Interessenten in den großen Laufställen der ehemaligen LPG aufgestallt, freundlich und interessiert gegenüber den Zweibeinern.
Auch im Auktions-Ring, an dem die Zuschauer sich am Tag zuvor ein Bild über den Bewegungsapparat und das Temperament der Tiere machen können, gibt es keine Hektik, kein unnötiges Peitschenknallen und, wie Auktionator Raulf immer wieder betont, kein Rascheln oder Scheuchen mit Plastik-Tüten etc. So verlassen die Tiere nach getaner Arbeit den Ring gelassen und in Ruhe.
Extra für die Kauf-Interessenten angereist sind Yvonne Gutsche und Lucia Ebert. Die beiden erfahrenen Pferde-Trainerinnen demonstrieren zwischen den Vorstellungen der jungen Pferde, wie Mensch und Tier zu harmonischer Kommunikation kommen können. Lucia Ebert hat ihren Lux mitgebracht – er wurde im vergangenen Jahr als Zweijähriger hier versteigert. Inzwischen kann er alles, was ein Freizeit-Pferd können sollte, vom Reiten bis zum kleinen Sprung über einen Baum, und vor allem eines: keine Angst vor flatternden, raschelnden oder klappernden Dingen haben. Auch die Zuschauer und den Applaus nimmt Lux überaus gelassen zur Kenntnis.
Noch nicht ganz so gelassen, aber bereits erstaunlich mutig ist Nexus THC, mit dem Yvonne Gutsche seit zwei Tagen arbeitet. Drei Jahre alt ist der Sohn von Neos van’t Vossenhof Z jetzt, und die hat er in der Herde verbracht. Dennoch problemlos akzeptiert er Yvonnes Plastiktüten, mit denen sie seinen kompletten Körper abstreichen darf und das zahlreiche Publikum. „Der hat halt noch nichts Schlechtes erlebt“, kommentiert ein Zuschauer neben mir die Vorstellung und Erklärungen.
Am Sonntagnachmittag dann ist es endlich für manch einen, der bereits seit zwei Tagen durch die Ställe wandert und sein Wunsch-Pferd betrachtet, so weit. Auktionator Raulf ist in seinem Element. Der studierte Agrar-Ingenieur verfügt nicht nur über jahrelange Auktions-Erfahrung, sondern züchtet auch selbst und ist von der Landwirtschaftskammer bestellter Sachverständiger. So weiß er genau, wovon er spricht, wenn er die jeweiligen Tiere im Auktions-Ring vorstellt und das Publikum zum Bieten animiert. Spaß macht ihm sein Beruf – das spüren auch die Interessenten. „Das Spannende an einer solchen Auktion ist, dass sie einen reellen Preis zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt widerspiegelt. Ein Pferd ist in dem Augenblick, in dem geboten wird, genau so viel wert, wie das höchste Gebot“, erklärt er ‚Stallgeflüster‘.
Rund drei Stunden dauerte die Veranstaltung – dann hatten fast alle Pferde neue Besitzer gefunden. Besonderer Beliebtheit an diesem sonnigen Tag erfreuten sich die Nachkommen des Florestan I-Sohnes Forrest Gump. Sie wussten mit Typ und Bewegungsqualität zu überzeugen. So stellte Forrest Gump, der zuvor Pachthengst am Nordrhein-Westfälischen Landgestüt in Warendorf war, auch eine der beiden Preisspitzen bei den Fohlen. Für 4.000 Euro wurde ein Hengstfohlen von Forrest Gump aus einer Rosier-Chopard-Mutter einem Bieter aus Hessen zugeschlagen. Ebenfalls 4.000 Euro kostete eine Tochter des Formidabel aus einer DijonAndino xx-Mutter, die von einer Bieterin aus Baden-Württemberg erworben wurde.
Im Bereich der zwei- und dreijährigen Jungpferde erzielte eine zweijährige Tochter des Caruso de Trebox aus einer Ulando-Fabricius-Mutter den Höchstpreis. Für 3.400 Euro wechselte die Stute nach Westfalen. Interessant war der hohe Anteil von ‚Wiederholungstätern‘ bei den Käufern. So betätigte sich ein renommierter Dressurstall aus Rheinland-Pfalz zum wiederholten Male als Käufer. Gleich mehrere Pferde wurden in die Schweiz, Österreich, die Niederlande und Ungarn verkauft.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm