Die Natur Natur sein lassen
Die Natur bestimmt das Leben auf der Insel – das merkt der Gast bereits bei der Planung seines Urlaubs. Denn auch der Fährverkehr richtet sich nach ihr. Das Schiff transportiert Gäste und Gepäck über das Wattenmeer. Dieses ist jedoch nur bei Flut, also maximal zweimal am Tag, möglich und die Tiedenzeiten variieren und mit ihnen auch der Fährplan.
Solch enge Verbindung zwischen Natur und dem Alltagsleben sind in unserer modernen Zeit eher ungewöhnlich. Deshalb macht sich ‚Stallgeflüster’ auf den Weg ins Nationalpark-Haus – denn schließlich gehört Juist zum Nationalpark ‚Niedersächsisches Wattenmeer.
Gegenüber dem Kurplatz, im ‚alten Inselbahnhof’ treffen wir Jens Heyken, den Leiter des Hauses, der gerade von einer Wattführung zurückgekehrt ist. Der studierte Forstwirt ist ‚echter’ Juister und arbeitet hier seit rund 19 Jahren. „Der Spaziergang über den Meeresboden, ohne Taucheranzug ist für viele Menschen eine ganz besondere Erfahrung“, erzählt er uns. Seine Hauptaufgabe ist eigentlich der Bildungsauftrag – eine Aufgabe, die hier im Haus liebevoll wahrgenommen und vor allem von den vielen Kindern, die hier an den eigens für sie eingerichteten interaktiven Exponaten offensichtlich gerne akzeptiert werden.
„Viele Menschen wissen sehr wenig über den so vielfältigen Lebensraum Wattenmeer. Das liegt daran, dass sie in ihrem täglichen Umfeld gar nicht oder nur selten damit konfrontiert werden. Und Juist hat da so einiges Wissens- und Sehenswertes zu bieten. Die Insel ist ja sehr schmal (max. ca. 900 m breit, min. ca. 500 m) und liegt zwischen der offenen See und dem Festland. Wenn man also den richtigen Punkt erwischt, kann man sowohl auf die offene See als auch in das Wattenmeer schauen. Da sieht man dann bei Flut ganz genau, wie das Wasser aus der offenen See mit vielen großen Wellen ungebremst auf die Insel trifft. Auf der Watt-Seite dagegen ist das Wasser ruhig – es wurde durch die Barriere der Insel gebremst und muss sich zwischen Insel und Festland ‚durchquetschen’“.
„Alle Ostfriesischen Inseln sind so genannte Barriere-Inseln. Deshalb sind die meisten von ihnen durch schwere Küstenschutzbauten vor dem Wasser geschützt. Juist ist das eine Ausnahme:
Der Ort liegt in der Mitte der Insel – da ist kein übermäßiger Schutz durch massive Buhnen notwendig. Dünenbereiche, vor allem im Westen, werden, wenn sie gefährdet sind, lediglich mit Sand verfüllt – das ist dann nicht so auffällig.“
Auch eine weitere Besonderheit der Insel, auf die wir von selbst nicht gekommen wären, erklärt uns Jens Hyken genauer. „Aufgrund seiner speziellen geografischen Lage, lagert sich Sand, den die Flüsse vom Festland mit in die Nordsee bringen, auf Juist ab. So wird beispielsweise am ‚Kalfamer’ am Ostende der Insel mehr Sand angespült als abgetrieben.
Das Gebiet gehört heute zu den so genannten ‚Ruhezonen’ – ein Brutgebiet für viele Vogelrassen. Es ist während der Brut- und Aufzuchtzeiten für Besucher gesperrt und darf lediglich vom 1. November bis 31. März auf gekennzeichneten Wegen betreten werden.“
Eine weitere große Sandbank, Juist liegt im Westen der Insel, das Billriff. Hier kann der Gast, hauptsächlich während der Vogelzugsaison, zigtausende Zugvögel beobachten. Und, wer es lieber ‚niedlich’ hat, kann eine Ausflugsfahrt zur Kachlotplate, buchen. Sie ist ebenfalls eine der Juister Sandbänke allerdings von der Insel durch einen Pril getrennt. Hier leben hunderte von Seehunden und Kegelrobben.
So, jetzt hat uns Jens Heyken viel über die Besonderheiten dieser Insel erzählt und wir erkennen, dass die Natur hier nicht nur den Lebensrhythmus mitbestimmt, sondern dass die Menschen sich ihrer Umwelt auch bewusst sind und ihr Schutz hier großgeschrieben wird – auch wenn der Tourismus die Haupteinnahmequelle auf der Insel ist.
‚Die Natur Natur sein lassen’ ist hier kein Lippenbekenntnis.
„Stallgeflüster“ / E.St