Eis trifft Kunst
Wer vom Hafen aus in Richtung Hauptbadestrand auf der Strandstraße unterwegs ist, ganz gleich, ob gemächlich zu Fuß, mit der Kutsche oder auf dem Fahrrad, der kommt unweigerlich an der Eiscafebar Heiken vorbei. Klein ist sie, passend zu der kleinen Insel – aber wirft man einen Blick auf die Theke, da kann einem schon das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Erdbeer-Eis gibt es hier, Himbeer-Schlehe, Karamel oder Schoko, um nur einige wenige leckere Sorten zu nennen. Doch auch einen ‚echten’ Knaller kann man hier probieren: Sanddorn-Joghurt-Eis. Damit wurde Heike Heiken, die Inhaberin der Eisdiele, als ‚Special Guest’ zum Finale der Gelato World Tour nach Berlin eingeladen. „Ich freue mich riesig, dass wir auf Anhieb zu diesem internationalen Wettbewerb eingeladen wurden und Juist dort vertreten dürfen“, sagt Heiken.
Die gelernte Büro-Kauffrau ist Juisterin und auf der Insel aufgewachsen. „Hier als Kind zu leben, ist toll“, erzählt sie uns. „Man kann ungehindert nach draußen, braucht das Haus nicht abschließen und hat jede Menge Freiraum zum Spielen.“ Natürlich will ‚Stallgeflüster wissen, wie sich Schulbesuch auf der Insel gestalten. „Die Insel-Schule geht bis zur zehnten Klasse. Danach macht man entweder eine Ausbildung oder man besucht eine Schule auf dem Festland. Ein Internat, oder wenn man Familie oder Freunde dort hat, wohnt man bei denen. Ein täglicher Transfer von der Insel zum Festland und zurück ist hier nicht möglich. Schließlich ist der Fährverkehr abhängig von den Gezeiten und auch vom Wetter.“
Heike Heiken absolvierte ihre Ausbildung zur Büro-Kauffrau in Wanne-Eickel und arbeitete dort auch nach deren Beendigung. Im Sommer allerdings kehrte sie häufig nach Juist zurück: Die Familie betreibt das Haus Seemannstreu, eine Frühstückspension mit Fahrrad-Verleih in vierter Generation. „In der Hauptsaison ist da recht viel Arbeit und ich kam regelmäßig zurück, um zu helfen. Darüber hinaus ist es hier einfach nur schön und ich bin gerne hier.“
Als ihr in Wanne-Eickel geborener Sohn vier Jahre alt war, entschloss sich Heike Heiken 1992 die Frühstückspension zu übernehmen und nach Juist zurückzukehren. „Das Leben ist abwechslungsreich und teilweise sehr turbulent, wenn man selbständig ist“, erzählt uns Heiken, die seit 2014 mit ihren Kindern zusammen neben Haus Seemannstreu auch die Eisdiele führt. Neben der Kreation neuer Eissorten aus überwiegend heimischen Früchten hat Heiken jedoch noch ein weiteres Hobby: die Kunst.
Nach der Hauptsaison trifft man sie häufig am Strand. Dort sammelt sie Muscheln oder Strandgut und arbeitet damit. Den Eingangsbereich des Hauses Seemannstreu hat sie in mühe- und liebevoller Kleinarbeit selbst gestaltet. Auch im Eiscafe treffen wir auf Ausstellungsstücke aus Muscheln und Strandgut. „Die habe aber nicht ich gemacht, sondern Pino“, merkt Heiken sofort an.
Wer ist Pino?
Pino Coppola ist Glaskünstler aus San Remo. Seine Werke waren u.a. auf Ausstellungen in New York, Budapest oder München zu bewundern. Derzeit steht Pino recht unspektakulär hinter der Theke der Eisdiele und bedient die Kunden. „Ich mache gerade Urlaub“, erzählt uns der international bekannte Künstler, der diverse Auszeichnungen für seine Arbeiten erhielt. „Von Hause aus restauriere ich eigentlich Kirchenfenster. Aber Glas ist ein faszinierendes Material und so arbeite ich seit Anfang der 90er Jahre neben der Herstellung von Kunstgegenständen, wie Skulpturen oder Lampen auch mit diversen Architekten zusammen. Hier auf Juist kann ich entspannen – hier gibt es keine Hektik. Das Klappern der Pferdehufe, der Strand, das alles gibt dem Leben einen anderen Rhythmus.
Heike, habe ich vor Jahren kennengelernt und helfe ihr während meines Urlaubs täglich zwei bis drei Stunden in der Eisdiele – danach bin ich am Strand und sammele Strandgut für meine Arbeiten. Derzeit fasziniert mich vor allem die Arbeit mit Glas und Holz, das man ja beides am Strand findet. Daraus entwickle ich dann kleine Kunstgegenstände, die hier auch ausgestellt sind.“
Ja, so einfach ist das auf Juist: Man geht ein Eis essen und trifft by the way zwischen Pferdefuhrwerken und Fahrrädern auf einen international renom-mierten Künstler, der gerade international bekannt gewordenes Sanddorn-Joghurt-Eis aus Juist verkauft.
„Stallgeflüster“ / E.St