Liebe geht durch den Magen
… eine alte Weisheit, der sich vor allem Menschen, die Tiere halten, nicht entziehen können. Denken wir nur an Tante Emmas fetten Dackel oder den moppeligen Yorkshire von Frau Maier und den speckigen Kater von Herrn Schulze. Doch nicht nur die so genannten Kleintiere sind von der allzu großen Liebe ihrer Besitzer betroffen – auch Pferde, so stellen Tierärzte mittlerweile immer wieder fest, werden so geliebt, dass sie immer runder werden.
Das Angebot an Zusatz- und Ergänzungsfuttermitteln, die uns Pferdebesitzern von der Industrie angeboten werden, ist so vielfältig, dass der Laie vor dieser Fülle und den angegeben Produktnutzen schier verzweifelt. Da gibt es beispielsweise Müslis. Die einen versprechen Leistungssteigerung, die anderen eine diätetische Ernährung, da gibt es haferfreie und solche mit Hafer. Letzten Endes entscheidet oft der Geruch: „Das riecht so lecker, da freut sich mein Schimmel bestimmt über einen zusätzlichen Schepper.“
Doch „ein zusätzlicher Schepper“ wieviel ist das tatsächlich für das Pferd? „Das ist Abhängig von der Größe, der Rasse, Alter und der jeweiligen Arbeit, die das Tier zu leisten hat“, sagen Tierärzte und Ernährungswissenschaftler. Und bereits der letzte Punkt, die Arbeit, führt zu ganz unterschiedlichen Interpretationen. Da kommt beispielsweise Frau Schulz mit ihrem Sunny nach anderthalb Stunden aus dem Gelände zurück und bemerkt: „Heute hat er aber viel geschafft. Das gibt eine Zusatzration.“ Frau Schulz ist Freizeitreiterin, war die meiste Zeit im Schritt unterwegs, ist ein wenig getrabt und einen Weg entlang auch kurz galoppiert. Nach ihrer Einschätzung war das viel – Fachleute hingegen interpretieren dies als ‚leichte Arbeit’.
Unter ‚leichter Arbeit’ verstehen Fachleute z.B. 30 Minuten Schritt, 20 Minuten Trab und zehn Minuten Galopp. D.h. die Arbeit, die ein Freizeitpferd in der Regel täglich ausübt. Unter ‚mittlerer Arbeit’ verstehen sie die Ausdehnung der Gesamtarbeitszeit auf etwa das Doppelte oder eine deutliche Steigerung der Trab und Galopp-Arbeit. Erst Hochleistungen, wie das Training über Renndistanzen, Ausdauerleistungen wie Distanzritte oder intensives Training mit hoher Schweißproduktion werden als ‚schwere Arbeit’ bewertet.
Ursprünglich deckten Pferde ihren Energiebedarf in ihrem Lebensraum, der Steppe. Rund sechzehn Stunden verbringt ein wild lebendes Pferd langsam vorwärts gehend mit der Futteraufnahm und legt dabei täglich rund 30 bis 40 km zurück. Trotzdem der Mensch das Pferd seit weit mehr als tausend Jahren zum Nutztier herangezogen hat – der Verdauungstrakt hat sich nicht verändert. Dementsprechend sollte auch die Fütterung dem natürlichen Verhalten angepasst sein: Viele kleinere Mengen sind hier mehr und ausreichende Mengen an Raufutter absolut notwendig.
Der Domestizierung des Pferdes folgte eine höhere Arbeitsleistung und damit ein höherer Energiebedarf, der auf natürliche Weise nicht mehr zu decken war. Deshalb setzte der Mensch auf konzentrierte Futtermittel, wie beispielsweise Hafer, der den Nährstoffbedarf innerhalb kurzer Zeit deckte und das Tier wieder einsatzbereit machte.
Die Menge des Futters, die ein Pferd braucht, errechnet sich, so der Infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e.V. aus dem so genannten ‚Erhaltungsbedarf’ sowie dem ‚Leistungsbedarf’. Der Erhaltungsbedarf ergibt sich aus den natürlichen Körperfunktionen, wie Kreislauf, Atmung, Futteraufnahme, Verdauung etc. „Der Leistungsbedarf ergibt sich aus der Muskelarbeit wie Reiten, Springen, Laufen, Ziehen sowie Trächtigkeit und Milchleistung.“ Die Ernährungswissenschaftler berechnen den Energiebedarf nach der so genannten ‚metabolischen Körpermasse’, die sich aus der Dreiviertel-Potenz von tatsächlichem Lebend-Gewicht ergibt. Danach beträgt der Rechenfaktor für die metabolische Körpermasse eines 600 kg schweren Pferdes 121,230930281. Den Energiebedarf für den Erhaltungsstoffwechsel berechnen die Wissenschaftler mit rund 0,6 Megajoule pro kg metabolischer Körpermasse, also muss diese, um den Gesamt-Bedarf zu ermitteln, mit 0,6 multipliziert werden. So ergibt sich für die tägliche Erhaltung ein Bedarf von aufgerundet 73 Megajoule. Je nach Leistung des Tieres addieren die Wissenschaftler noch zwischen 25 Prozent für leichte und zwischen 50 bis 100 Prozent bei schwerer Arbeit hinzu.
Ein Kilogramm Hafer enthält beispielsweise 12,15 MJ verdaulicher Energie, zusammengesetzt aus Rohprotein, Rohfett, Rohfaser und freien Extraktstoffen. Auch Heu, Silage oder Heulage enthalten verdauliche Energie: Zwischen 8,5 und 11 Megajoule pro Kilogramm beziffern die Ernährungswissenschaftler des Infodienstes Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e.V. die Mengen. Danach könnten ca. 9kg Heu am Tag den Erhaltungsbedarf eines 600 kg schweren Pferdes decken. Dann noch ein wenig Hafer oder anderes Krippenfutter bei leichter Arbeit dazu – und schon wäre das Tier ausreichend ernährt, wäre da nicht noch der Bedarf an Mineralstoffen, die der Körper dringend benötigt und z.T. nicht selbst produzieren kann.
Bei allem, was wir verfüttern, sind Qualität und Inhalt entscheidend. Kann der Bedarf an Mineral-Stoffen in manchen Regionen Deutschlands durch Heu oder Gras weitgehend gedeckt werden, gibt es andere Regionen, deren Böden durch andere Zusammensetzung nur wenig oder kaum die dringend benötigten Mineralien aufweisen. Die meisten Mischfuttermittel enthalten bereits zusätzliche Mineralstoffe, doch, wer es ganz genau wissen will, kommt um eine Blut-Analyse nicht herum.
Generell gilt:
Bei der Fütterung – auch bei der bei vielen Pferdebesitzern so beliebten Zusatzgabe von Müsli & Co – sollte immer die tatsächliche Arbeitsbelastung und die ‚normale’ Stall-Ration im Auge behalten werden, denn manchmal ist weniger ein bisschen mehr, vor allem wenn es darum geht Zivilisationskrankheiten, wie beispielsweise Rehe, vorzubeugen.