Bekannt im Sattel Stallgeflüster-exklusiv: Ingrid van Bergen
Sie besitzt zwei Friesen und einen Andalusier, elf Hunde, ungezählte Katzen, 45 Großvögel – ist einfach tierlieb und jederzeit für einen flotten Spruch gut: Ingrid van Bergen. Mit dieser Grande Dame des deutschen Films beginnt „Stallgeflüster“ eine neue Serie, in der in loser Folge prominente Zeitgenossen auf ihre Sattelfestigkeit geprüft werden sollen.
Über sie zu schreiben, fällt nicht leicht; denn man weiß nicht, womit man anfangen soll. Ingrid van Bergen hat mehr als hundert Kino- und Fernsehfilme gedreht, sie spielt nach wie vor erfolgreich Theater, geht auf Tournee und kümmert sich liebevoll um ihre vielen Tiere in ihrer Wahlheimat in einem gut 1000 Einwohner zählenden Ort in der Lüneburger Heide. Im hohen Norden Deutschlands schwärmt die gebürtige Danzigerin nach wie vor vom Mittelmeer. Auf Mallorca („vielleicht gehe ich wieder hin“) lebte sie sieben Jahre und betrieb dort eine große Finca mit ca. 80 Tieren.
In diesen kalten Ostertagen während unseres „Stallgeflüster“-Gesprächs ist Tristesse im gemütlichen Haus van Bergen angesagt. Die langjährige Freundin und Bereiterin ist gestorben. Typisch Ingrid: Sie holte ihre gute Seele zum Sterben zu sich. Originalton der Schauspielerin: „Ich bin mit dem Tod vertraut, meine Tochter Carolin verstarb schon im Alter von 26 Jahren an Krebs.“ Auch Ingrids Vater starb früh als Soldat. Bedingt durch den Krieg hatte sie eine schwere Kindheit. Mit ihrer Mutter und den Geschwistern floh sie gegen Kriegsende aus Masuren zunächst nach Danzig. Beim Untergang der „Wilhelm Gustloff“ 1945 (kürzlich Zweiteiler im ZDF) kam auch ein Großteil ihrer Klassenkameraden ums Leben.
Filme mit Rühmann und O. W. Fischer
Daß Ingrid van Bergen in den fünfziger und sechziger Jahren zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schauspielerinnen gehörte, dokumentieren Filme mit O. W. Fischer, Martin Held und Heinz Rühmann (Des Teufels General, Wir Wunderkinder, Rosen für den Staatsanwalt, Wir Kellerkinder, Alle Menschen werden Brüder u.a.). Sie verschweigt heute ebenso wenig, daß sie sechs längere Beziehungen führte und dreimal verheiratet war. Zur Chronistenpflicht gehört ferner die Wahrheit, daß sie im Februar 1977 im Affekt ihren Lebensgefährten Klaus Knaths erschoß. Ihre Töchter waren damals 13 und 18 Jahre jung. Der folgende Prozeß löste einen enormen Medienrummel aus. Nach dem Urteil verbrachte sie fünf Jahre im Frauengefängnis im bayerischen Aichach. Sie wurde wegen guter Führung entlassen. Van Bergen rückblickend: „Für mich eine wichtige Erfahrung.“ Aber es gelang ihr zunächst nicht, an ihre alte Schauspielkarriere anzuknüpfen.
Star auf Rügen bei den Störtebeker-Festspielen
Erst in den neunziger Jahren kehrte sie als sympathische Sekretärin Liebscher in der Familienserie „Unser Lehrer Doktor Specht“ erfolgreich auf den Bildschirm zurück. 2007 gab Ingrid van Bergen in der WDR-Fernsehreihe „Kratzbürsten – Lust und Frust im reifen Alter“ (unter anderem an der Seite von Renate Schmidt, Hannelore Hoger, Jutta Speidel, Katja Ebstein und anderen deutschen Frauen aus der Medienbranche) Einblicke übers Älterwerden und das Leben an sich.
Heute freut sie sich auf ihr neuerliches Engagement bei den Störtebeker-Festspielen mit mehr als 120 Mitwirkenden, 3 Schiffen, 30 Pferden und vielen mehr auf der Freilichtbühne der Insel Rügen. Die Intendanten Ruth und Peter Hick sind gute Freunde, die bei dem „Seewolf“ auf die „bodenständige ältere Dame“ bauen. Jahr für Jahr 350.000 Zuschauer sind von den Freiluftaufführungen in Ralswiek (bekannt als Joya) begeistert. Im kommenden Sommer wird ein neuer Besucherrekord erwartet – nicht zuletzt wegen Ingrid van Bergen.
Von Juni bis September steht sie in Rügen auf der Bühne – in einer auf ihren Leib geschriebenen Paraderolle als ältere bodenständige Dame. Natürlich lebt die gute Seele von Ralswiek in einem Appartement „über den Pferden“. Und danach will die schlagfertige, gebildete und kommunikative Persönlichkeit wieder auf Tour durch die deutschen Lande gehen: Mit „Ingeborg“ von Gurt Goetz. Von Müdigkeit also keine Spur.
Leicht bekleidet kam die Frau aufs Pferd
Und wie kam die Frau wirklich aufs Pferd? Sie lacht und gesteht „Stallgeflüster“ in bekannt rauher Stimme: „Das ist in der Tat sehr lange her. Ich mußte für einen Film in Österreich als leicht bekleidete Dame auf einem Pferd sitzen. Ich konnte nicht reiten, nahm in Berlin im Reitstall Onkel Tom vier Wochen Reitunterricht und wollte dies gemäß meiner Rolle leicht bekleidet machen. So wurde ich zum Gespött der ganzen Anlage.“ Im gleichen Berliner Stall lernte sie eine „bildschöne Araber-Schimmelstute“ (aus einem nicht legalen Sprung in Polen) kennen und verliebte sich in den Vierbeiner. 1991 war sie bei den Festspielen in Bad Segeberg als Feuerreiterin engagiert. Aber ihr eignes Pferd war verletzt und der Intendant Jürgen Lederer stocksauer: „Ein krankes Pferd gibt es nicht, Du mußt reiten.“ Da flippte sie förmlich aus. Ein Stuntman stellte ihr einen Lippizaner zur Verfügung. Der Auftritt klappte trotz aller Schwierigkeiten dank ihres reiterlichen Könnens.
Mit Freddy Quinn im Zirkus Krone und für einen Olympia-Boykott
Eine andere Geschichte passierte mit Freddy Quinn anläßlich der weltweit gesendeten TV-Weihnachts-Gala im Münchner Zirkus Krone. Als Ingrid einen Andalusier ritt wollte Freddy auch auf´s Pferd…prima.
Alles andere ist gesagt. Oder doch noch nicht?
Ingrid van Bergen ist mit ihren mehr als 70 Lenzen fit wie ein Turnschuh (tägliches Training auf dem Laufband). Sie ernährt sich vegetarisch und läßt sich von herkömmlichen Religionen („ich mag keine Dogmen“) nicht gängeln. Darum ist die überzeugte Anhängerin des Buddhismus nach den jüngsten blutigen Auseinandersetzungen in Tibet für einen
Boykott der Olympischen Spiele in China. Doch da regiert das große Geld für Ausrichter und Athleten!
Ihr ganzes Herz im Lüneburger-Heide-Dornizil gehört weg von der großen Politik den Andalusiern und den schwarzen Perlen, ihren Friesenpferden. Für ihre Zucht erwarb sie 2006 ein jahrgangsbestes Siegerfohlen im Hessischen Landgestüt Dillenburg, vor wenigen Wochen an gleicher Stätte ein weiteres bundesweit dekoriertes Fohlen. Die Tierschützerin, Patin zweier asiatischer Kinder und gesellschaftlich engagierte Frau hat für den Fahrsport kein Faible. Ihr heißgeliebter Andalusier-Hengst ist jetzt ein Wallach, weil (Originalton) „er immer am Rad drehte, wenn die rossigen Friesen-Stuten an der Box vorbei geführt wurden“.
Danke für das Gespräch.
Wir sehen uns hoffentlich bald, liebe Ingrid van Bergen!
Wir bescheinigen Ihnen viel Stallgeruch. Unsere Note: 1 plus mit Sternchen!
„Stallgeflüster“ / F. Cunz und A. Pötzl