Pferdenamen: Was steckt dahinter?
„Name ist Schall und Rauch.“ Nicht ganz, Herr von Goethe! In der deutschen Pferdezucht jedenfalls hat der Name seine Bedeutung. Die Praxis, den Vaterstamm eines Pferdes durch den Anfangsbuchstaben seines Namens kenntlich zu machen, hat sich in der deutschen Pferdezucht weitgehend eingebürgert.
Doch welche Rolle spielt der Vater bei Talent und Charakter der Zuchtprodukte? Eine untergeordnete, behaupten viele Züchter aus langjähriger Erfahrung, die Mutter sei wichtiger. Das wird durch die Namensgebung nicht deutlich. Denn selbst wenn man so verfährt wie zum Beispiel der Trakehner Verband, der die Namen seiner Pferde mit dem Anfangsbuchstaben des Namens der Mutter beginnen lässt, wird man dadurch kaum einen Wiedererkennungseffekt erzielen. Nur absolute Insider kennen die einzelnen Stutenlinien des Verbandes so gut, dass sie aus dem Namen Rückschlüsse ziehen können. Was der Trakehner Verband generell durchzieht, versuchen die Oldenburger bei ihren Stuten: Damit die Stutenstämme nachvollziehbar bleiben, wird es als wünschenswert angesehen, die Stuten mit den Anfangsbuchstaben ihrer Mütter einzutragen. Die Holsteiner bieten eine weitere Variante: Jedes Jahr beginnen die Namen der Stuten mit einem weiteren Buchstaben des Alphabets, so dass am Anfangsbuchstaben das Alter der Stute abzulesen ist. Eine Lösung, die alle zufriedenstellen würde, konnte noch nicht gefunden werden. Deshalb verfährt jeder Zuchtverband ein klein wenig anders bei der Eintragung seiner Zuchtpferde. Die meisten Verbände empfehlen, Hengstlinien durch Anfangsbuchstaben der Namen kenntlich und sichtbar zu machen. Bei manchen ist es Verpflichtung – zum Beispiel bei den Hannoveranern oder beim Oldenburger Springpferdezuchtverband – bei anderen freiwillig, wie in Oldenburg, Westfalen oder beim Zuchtverband für Deutsche Pferde. Die Züchter halten sich offenbar gern an die einmal ausgegebene Devise. In aller Regel weisen die Züchter voller Stolz auf die Abstammung ihrer Zuchtprodukte durch die entsprechende Namensgebung hin. Oft wird sogar noch mehr des Guten getan, indem nicht nur der Anfangsbuchstabe, sondern ganze Namensbestandteile des Vaters für dessen Nachkommen übernommen werden. Bei Cornet’s Balou kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass er von Cornet Obolensky abstammt. Dimaggio Black wird wohl Dimaggio zum Vater haben (richtig!). Stakkatol ist erkennbar ein Sohn von Stakkato. Bei Chacco’s Son oder Hickstead white kommt gar kein Zweifel mehr daran auf, wer der Vater ist. Zahllose Don Irgendwas, Fürst, Sir, Prinz und Lord Soundsos weisen auf illustre Vorfahren hin.
Für Hengstnamen gibt es Sonderregelungen. Jeden Hengstnamen darf es nur einmal geben. Das bedeutet, der Name eines Hengstes gilt für Zuchtpferde als gesperrt, wenn er einmal vergeben wurde. Diese Sperrung wird erst aufgehoben, wenn die Hengste aus dem Deckeinsatz ausgeschieden sind und seit fünfzehn Jahren keine Nachkommen-Gewinnsumme haben. Ausnahmen gibt es für Vollbrüder eines Hengstes, die den gleichen Namen mit dem Namenszusatz II, III, IV und so weiter erhalten können. Hengste, die bei der Eintragung ins Hengstbuch bereits S-Erfolge erzielt haben, können ihren Sportnamen auch in der Zucht weiter führen, selbst wenn dieser bereits vergeben ist. Genauso werden Namen von Hengsten aus der Vollblut-, Traber-, Araber- oder ausländischen Zucht grundsätzlich beibehalten.
Der Hannoveraner Verband hat eine Sonderregelung eingeführt, um die Abstammung aus bestimmten Hengstlinien kenntlich zu machen. In den Fällen, in denen Hengste Väter haben, die zwar ursprünglich auf eine bereits in Hannover bekannte Hengstlinie zurückzuführen sind, deren Name aber nicht mit dem Anfangsbuchstaben dieser Linie beginnt, soll der Hengstname mit dem Anfangsbuchstaben der ursprünglichen Hengstlinie beginnen. Diese Regel kommt besonders bei im Ausland gezogenen Vätern zum Tragen, da deren Namensgebung anderen als den in Deutschland üblichen Regeln folgt. Als Beispiel nennt der Hannoveraner Verband Fürst Rousseau von Rousseau. Rousseau geht ursprünglich auf den Linienbegründer Furioso xx zurück. Daher beginnt der Name von Fürst Rousseau nicht mit R, dem Anfangsbuchstaben des Vaters, sondern mit F, dem Anfangsbuchstaben der Hengstlinie.
„Wenn der Leib zu Staub zerfallen, lebt der große Name noch“, diese nicht vom großen Dichterfürsten, sondern von seinem Konkurrenten Schiller stammende Weisheit mag die FN bewogen haben, drei besonders herausragende Namen des Sports zu sperren. Kein Meteor, keine Tora und keine Halla dürfen auf deutschen Turnierplätzen das unsterbliche Andenken der Vorbilder beflecken. Allerdings sind nur diese drei Namen gesperrt. Miltons, Ratinas oder Centos dürfen die Turnierszene in zahllosen Varianten bereichern und mit ihren Namen von den Ambitionen ihrer Besitzer künden. Bei den Vollblütern dagegen darf jeder Name nur ein einziges Mal verwendet werden. Bei der Eintragung von Pferden in die Turnierpferdeliste der FN wird sehr liberal verfahren. Abgelehnt werden nur Namen mit obszönen, beleidigenden oder politisch unkorrekten Inhalten. Auch da, wo es nicht vorgeschrieben ist, halten sich die Besitzer von Turnierpferden im Allgemeinen an die Regel, die Namen ihrer Pferde mit dem Anfangsbuchstaben des Vatersnamens beginnen zu lassen. Allerweltsnamen verlieren im Laufe der Jahre nicht an Beliebtheit. Filou beispielsweise gibt es inzwischen schon weit über tausend Mal. Der Name wird dann als Zusatz mit einer arabischen Ziffer versehen: „Filou 1017“. Zuchthengste müssen ihren Zuchtnamen bei der Eintragung als Turnierpferd beibehalten. Das schreibt die Deutsche Zuchtverbandsordnung für Reitpferde vor. Stuten dagegen dürfen im Turniersport einen anderen Namen tragen als in der Zucht, was dazu führt, dass einige Stuten zwei Namen, einen Zucht- und einen Sportnamen, im Pferdepass stehen haben. Auch eine weitere Schiller-Vorgabe, „Ein hohes Kleinod ist ein guter Name“ wird von den Züchtern und Pferdebesitzern bei der Eintragung ihrer Pferde beherzigt. Was dabei herauskommt, ist Geschmackssache. Hätte Jus de Pomme seinen Olympiasieg unter dem Namen Apfelsaft errungen, wäre das zwar auch nicht weiter schlimm gewesen, aber der Klang der französischen Version des Namens macht sich doch weit besser. Während es dem Profi ziemlich gleichgültig ist, ob er auf Aschenputtel, Ratzeputz oder Poor Boy den großen Preis gewinnt, wünscht sich der Amateur, Reiter, Züchter oder Gestütsbesitzer einen Namen für sein Pferd, der das widerspiegelt, was das Pferd sein soll: Schön und gut. Millennium, Satisfaction, Zauberfürst, Bestseller, Dressage Royal, Grand Charmeur, Wolkentänzer oder Glückspilz zeugen davon. Witzige Namen sind schon seltener: Geliebte, Mittwoch, Warts ab, Not for sale, Piccolino für den Großen oder Goliath für das Pony. Schlichte Namen wie Willi, Lotte, Fritz, Paulchen oder Luise bürgen dafür, dass der Besitzer nicht mehr scheinen als sein mag. Er will durch Leistung überzeugen. Lieber mit Fritzi ein S gewonnen, als mit Tres bien, Adonis, Märchenprinz oder Golden Jump einen schlechten Ritt abgeliefert. Gerne auch mit lokalem Bezug wie Lemwerder oder Brandenburger. Überhaupt sind Städtenamen sehr beliebt: Amalfi, Tokyo, Berlin oder Bordeaux. Englische oder französische Namen klingen nicht so bieder, sondern eher weltmännisch. His Highness, Gambler oder Rayban erinnern daran, dass die Pferde auf internationalem Parkett starten sollen. Schätzungsweise ein Drittel der Pferdenamen in Deutschland sind englischen Idioms. Mit der Verwendung von Namen der neuesten Filmtitel, Popgruppen, Filmstars oder Sängern werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Man beweist, dass man auf dem neuesten Stand ist und englisch versteht. Shakira, Al Pacino, Liza Minelli , La Toya, Lenny Kravitz geben davon Zeugnis. Und dann gibt es noch Namen wie Chingachgook oder Cocoricococoboy. Sie scheinen nur gewählt zu sein, um die Sprechkünste des Tunieransagers einer möglichst harten Probe zu unterziehen.
„Stallgeflüster“ / A. Rieden