Quo vadis Fahrsport?
Ein Fahr-Turnier? Manch einer, der seit Jahren reitet, hat noch niemals ein Fahrturnier besucht.
Woran liegt das? Fahrturniere gibt es eben nicht so viele wie Reitturniere und sie werden weniger beworben. Spricht man mit dem Fahrer-Nachwuchs, hört man schon dort Besorgnis über die weitere Entwicklung dieser Sportart. ‚Stallgeflüster‘ sprach mit einigen, Menschen, die sich für den Fortbestand und die Nachwuchsförderung in dieser tollen Sportart, vor allem in Rheinland-Pfalz, engagieren.
„Als wenig rosig“, beurteilt auch der seit November frisch gebackene Ausbildungskoordinator für Rheinland-Pfalz, Alexander Berghoff, die Zukunftsaussichten. „Wir haben wirkliche Probleme den Nachwuchs an die Leinen zu bekommen“, stellt er fest. „Zu wenig Fahrschulen, zu wenig Ausbilder, zu wenig Veranstalter, die Einsteiger-Turniere anbieten. Dafür aber ein hoher Aufwand bei Turnier-Besuchen und generell – auch durch die neue GOT – gestiegene Kosten und Anforderungen. Der Fahrsport schrumpft stetig, ein Trend, der nicht nur bei den Jugendlichen, sondern auch bei den Erwachsenen feststellbar ist.“
Auch Sandra Rummel-Rudolph, Mutter eines heute vierzehn Jahre jungen Nachwuchsfahrers lernte die Lage 2019 so kennen. „Unsere Familie ist noch nicht so lange im Fahrsport aktiv – wir waren ursprünglich Reiter.“ Dennoch qualifizierte sich Sohn Samuel damals für die Deutschen Jugendmeisterschaften in München. Dort fiel auf: Viele Verbände hatten Trainer oder Landestrainer dabei, „bei uns war niemand. Daraufhin habe ich mich schlau gemacht“, erzählt die engagierte Mutter. „Doch musste ich feststellen: Die Kassen waren leer.“
„So habe ich mit zwei weiteren Mitstreiterinnen die Corona-Zeit genutzt und in Absprache mit dem Fachbeirat Fahren, ein Konzept zur Förderung des Jugendfahrsports entwickelt.“ Für den Fahrsport in Rheinland-Pfalz ist es eine unglaubliche Bereicherung, dass es gelungen ist, den international bekannten und elfmaligen Deutschen Meister im Pony-Vierspänner, Steffen Brauchle, als Trainer für den Landeskader zu gewinnen. Der zweite Punkt war die Entwicklung einer Sponsoren-Mappe. Dort haben wir alle Jugendlichen vorgestellt und den Fahrsport bzw. die Prüfungen genauer zu erklären. Damit haben wir 2022 begonnen und sind stolz darauf, dass wir viele neue Sponsoren gewinnen konnten. Der Dialog mit unseren Sponsoren ist uns wichtig und wir wissen, deren Engagement überaus zu schätzen. Ohne sie wird es im Fahrsport zusehens schwieriger und ich wünsche mir für unser Team und den nationalen Fahrsport noch mehr Unterstützung bzw. Sponsorenpartnerschaften. Mit einem Teil dieses Geldes konnten wir Steffen Brauchle für die Deutschen Jugendmeisterschaften als Honorartrainer engagieren.“
Da der ehemalige Ausbildungskoordinator kurz vor der DJM zurückgetreten war, sprang Frau Rummel-Rudolph kurzfristig auf der DJM als Mannschaftsführerin ein. Auch wurden die Mühen des neuen Konzeptes belohnt. Erstmals in der Geschichte des rheinland-pfälzischen Jugendfahrsports kommt in 2023 die Deutsche Meisterin U 25 Zweispänner Pferde aus Rheinland-Pfalz. Leonie Eisenbarth siegte souverän mit ihren Freibergern Nemo und Norton. Auch Xenia Marie Christian konnte mit ihrem Wildzang`s Time Light überzeugen und wurde für 2024 in den Bundeskader berufen. Insgesamt war die rheinland-pfälzische Jugend mit sieben Teilnehmern und Teilnehmerinnen stark vertreten und konnte mehrere Einzelplatzierungen erzielen. Im Jahr 2022 wurde Sohn Samuel Landesmeister U16 in der Klasse A und konnte sich in Mainz-Gonsenheim auch den Titel Rheinhessen-Meister 2022 sichern. 2023 gewann der dreizehnjährige bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Meißenheim das Hindernisfahren der Zweispänner. Mit seinem Pony Kamerun`s Greg war er auch bereits international am Start.
Eine dritte, ebenso wichtige Maßnahme war es, möglichst viele Vereine anzusprechen, um so jugendlichen Einsteigern die Möglichkeit zu schaffen, auf ersten Turnieren Erfahrungen zu sammeln.“
Auch ist es gelungen bereits bekannte Veranstalter für das Ausschreiben von Nachwuchsprüfungen zu gewinnen. So wurden in 2023 spezielle Nachwuchsprüfungen von den Fahr- und Reitvereinen in Zeiskam, Singhofen und den Pferdefreunden Westpfalz ausgeschrieben. Aufgrund der guten Resonanz wird auch in 2024 mit dem Fortführen dieser Serie gerechnet. Besonders freut sich die Mutter des erfolgreichen jungen Fahrers Samuel Rudolph über eine Aktion bei dem tradionellen Pfingstturnier in Zeiskam. Dort bekamen die Fahrsport-Anfänger jeweils einen Paten zur Seite gestellt, der die schwierigen S-Prüfungen fährt. „Das hat die Jugendlichen ungemein motiviert und beeindruckt.“Natürlich ist die engagierte Mutter – sie selbst ist mittlerweile Trainerin B – nicht nur analog unterwegs. Sie und ihr Team nutzen auch die sozialen Medien, wie Facebook und Instagram, um Sponsoren auf dem Laufenden zu halten und Werbung für den Fahrsport zu machen. Die Jugendfahrsportseite Rheinland-Pfalz wird redaktionell von ihr betreut.
Von der FN würde sie sich eine deutlichere Außendarstellung des Fahrsports wünschen. Sie stellt ganz klar fest: „Fahrsport ist ein Team-Sport. Er fördert die körperliche Fitness (auch wenn manch einer glaubt, dass die Fahrer nur auf der Kutsche sitzen, müssen sie dennoch kilometerlange Geländestrecken oftmals zu Fuß ablaufen). Darüber hinaus werden die kognitiven Fähigkeiten gefördert, das Verantwortungsgefühl für den Partner Pferd und als Team-Sport natürlich auch die soziale Kompetenz – also all die Soft-Skills, die von unseren Kindern später an der Uni oder im Beruf verlangt werden. Es wäre schön, wenn auch seitens der FN hier mehr der Fokus auf die wertvollen Elemente, die der Fahrsport so quasi nebenbei vermittelt, zum Beispiel auch den anderen Pferdesportlern nähergebracht werden würde. Großes Engagement scheint tatsächlich einiges zu bewirken. Auch Manfred Winternheimer, Richter bis zur Kl. M weiss, dass es der Fahr-Nachwuchs nicht leicht hat. Allerdings, so merkt er an, sei es schade, dass so manche Veranstaltungen oft mit Handycaps ausgestattet seien, dass nicht jeder dort fahren könnte. Es würde nicht schaden, so meint er, wenn beispielsweise Fahrer höherer Klassen im Zweispänner auch mal ein junges Pferd neben einem gut ausgebildeten in kleineren Prüfungen vorstellen dürften.
„Denn schließlich“, so meint er, „müssen wir dankbar für alle sein, die dem Pferdesport noch treu sind. Deshalb müssen wir möglichst vielen Fahrern die Möglichkeit bieten, auf Turnieren zu starten. Es gibt jede Menge Fahraufgaben, die auch mit einem einfachen, noch nicht so gut ausgebildeten Pferd gefahren werden können. Dabei wird besonderer Wert auf die Leinenführung gelegt oder die Anlehnung berücksichtigt. Das bietet aber auch ganz jungen Fahrern die Möglichkeit in den Sport hineinzuwachsen.“
Die jüngsten als Fahrer, das sind die Sorgenkinder von Alexander Berghoff. Ihm fehlt der U16 Nachwuchs für das Jahr 2024. „Wir haben nur eine Fahrschule in Rheinland-Pfalz“, klagt er. Dennoch schaut er zuversichtlich in die Zukunft des Fahrsports. „2026 werden in Aachen auch die Fahrer am Start sein und wir bemühen uns sehr um Fahrer aus dem Freizeitbereich. Trotz aller Probleme gibt es noch immer eine starke Fahrkultur und die ist beständig.“
„Stallgeflüster“ / E. Stamm