Gehen die lokalen, kleinen Turniere in den nächsten Jahren den ‚Bach runter‘?
„Immer häufiger werden kleinere lokale und regionale Turnierveranstaltungen abgesagt“, stellt Christian Schaffrath, Parcoursbauer in Hessen fest. Und dabei sind es doch die kleinen, regionalen Veranstaltungen, auf denen Kinder und Jugendliche ‚rund um den Kirchturm‘ ihre ersten sportlichen Erlebnisse sammeln.
‚Stallgeflüster‘ fragte nach den Gründen, warum so viele kleine Veranstaltungen abgesagt werden müssen. „Die sind vielfältig, doch letzten Endes immer wieder auf die gestiegenen Kosten und Anforderungen der Verbände zurückzuführen,“ meint Schaffrath, der sich nicht nur mit Organisatoren der Turniere unterhält, sondern sein Ohr auch bei den Reitern hat.
Da sind zum einen für die Aktiven zu nennen, die gestiegenen Kosten für Benzin bzw. Diesel. Das trifft Fahrzeuge mit Anhänger und Pferd besonders. Zum anderen gestiegene Startgebühren sowie, obwohl Corona schon längst kein Thema mehr ist, mehraufwandskosten. Die der eine oder andere Verein noch immer geltend macht. Hinzu kommen die Tierarztkosten, die ebenfalls gestiegen sind und die Vorschrift, dass die aktiven Pferde an solchen Veranstaltungen zweimal jährlich geimpft sein müssen. „Eine Vorschrift, die ich nicht verstehe“, meint Schaffrath, der sehr wohl nachvollziehen kann, dass Pferdebesitzer ihre Tiere nicht zwei Mal im Jahr dem Impf-Stress aussetzen wollen und dann lieber auf den Turnier-Start verzichten. „Soweit ich weiß, herrscht diese Vorschrift auf internationalen Veranstaltungen nicht. Dort reicht eine Impfung jährlich aus.“
„Mancher Reiter, der dennoch auf ein Turnier fährt, muss im Anschluss feststellen ‚Außer Spesen nichts gewesen‘, denn aufgrund knapp bemessener Budgets verzichtet so mancher Veranstalter dann auf die Auszahlung von Preisgeldern. Das lockt dann natürlich Profis an, die ihren Nachwuchs auf solchen Turnieren mit wenig Wettbewerb qualifizieren – der Amateur da natürlich wenig Chancen und es vergeht ihm auch die Lust…
Auf der anderen Seite der Medaille stehen die Veranstalter. Auch hier geht’s wie bei den Aktiven um den schnöden Mammon. „Die Gebühren, die die FN vor Beginn einer Veranstaltung verlangt, treiben den Vorstandsmitgliedern kleinerer Vereine schon bei der Planung die Schweißperlen auf die Stirn. Denn rund 4 bis 5.000 Euro sind eine Menge Geld, wenn im Vorfeld nicht klar ist, ob das auch wieder eingespielt werden kann.“
Ein weiteres heftiges, aber auch nicht zu unterschätzendes Problem für viele Vereine ist die Trockenheit der letzten Jahre. Turnierplätze müssen bereits Wochen vor der Veranstaltung regelmäßig gewässert und gefahren werden. Wenn allerdings in manchen Gemeinden nicht mehr gewässert werden darf, wird die Vorbereitung erheblich behindert. Deshalb haben bereits einige Veranstalter ihre Turniere vorverlegt in den Mai oder nach hinten in den Herbst geschoben.
In Zeiten knapper Kassen und unsicherer Zukunft fließen die für regionale Turniere ohnehin schon spärlichen Sponsorengelder noch spärlicher als früher. Hinzu kommt die Helfer-Knappheit. Während früher vor allem die Eltern und Großeltern des Nachwuchses den Verein tatkräftig unterstützten, lässt diese Hilfe bei abnehmender Teilnehmerzahl natürlich auch eklatant nach. Während der Verein früher an Essen und Getränken gut verdiente, vergibt mittlerweile so mancher Vorstand die Bewirtung an einen Caterer.
„In der Folge wird natürlich auch am Schmuck gespart – das Turnier Ambiente wird reizloser, Kindern und Jugendlichen, die nach einer Prüfung lediglich eine Miniaturtüte Gummibärchen erhalten, fehlt der Anreiz“, stellt Schaffrath aus eigener Erfahrung fest. „Aufgabe der Reitsport-Verbände müsste es eigentlich sein, sich dafür einzusetzen, dass dieser Anreiz wieder geschaffen wird. Denn der Nachwuchs kommt von den kleineren lokalen und regionalen Turnierplätzen und fällt nicht vom Himmel.“
Im kommenden Jahr wird es wieder neue Regelungen geben – das wird so manchem Veranstalter aber auch manchem Aktiven das Turnier-Leben noch deutlich erschweren. „So wurde das Toris-Turnierprogramm erneuert. Voraussichtlich können es Laien, auch wenn sie sich mit dem Alten bereits auskennen, nicht mehr bedienen oder dürfen dies nur unter bestimmten Voraussetzungen. Für die Aktiven, die auf Turnier fahren wollen, steht die neue Maut-Verordnung vor der Tür, nach der jedes Gefährt mit einer Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen mautpflichtig ist. Und wer möchte schon, um auf Turnier fahren zu dürfen, ein Maut-Gerät anschaffen?“
„Stallgeflüster“ / E. Appenrodt