Welches Pferd für wen?
Deutschland ist im Pferdesport die Nummer eins – so liest und hört man es immer wieder. Rund eine Million Menschen (0,97 Mio.) über vierzehn Jahre besitzen ein oder mehrere Pferde ergab eine Umfrage des Online-Portals ‚Statista.de‘. Nach Zahlen der FN gab es in Deutschland im Jahr 2019 rund 840.000 regelmäßig aktive Reiter und 1,48 Mio. ‚Gelegenheitsreiter‘. Die Anzahl der Pferde in privatem Besitz beziffert die FN mit 1,25 Millionen von denen rund 45 Prozent in Pensionsbetrieben untergebracht sind.
Schaut man die Pensionsbetriebe an, stellt man schnell fest: Dort existiert ein buntgemischtes Völkchen verschiedenartigster Pferderassen. Vom Haflinger, über den Spanier, Huzulen etc., etc…, findet man inzwischen selbst die ausgefallensten ‚Modelle‘.
Damit stellte sich für ‚,Stallgeflüster‘ die Frage: Welche Art von Pferden suchen die Reiter eigentlich? Worauf legen sie bei der Pferdewahl besonderen Wert und warum?
Fragen, die nicht ganz einfach zu beantworten sind. Denn die Faszination, die Pferde auf uns Menschen ausüben ist überaus individuell. Am einfachsten zu beantworten ist es, wenn jemand im Sport aktiv ist und dies bleiben will. Er wird sich sicherlich für ein für seine Sportart gezüchtetes und geeignetes Tier entscheiden. D.h. für den Dressur- oder Springsport sicherlich für eine der üblichen deutschen Warmblutrassen.
Allerdings liegt der Anteil der turniersportlich organisierten Reiter lediglich bei 24 Prozent – die restlichen 76 Prozent sind eher freizeitmäßig unterwegs. Und gerade im Bereich Freizeit, so eine Untersuchung von Claudia Gille und Kollegen aus dem Jahr 2011, zeigt, dass sich sowohl das Freizeit-Verhalten als auch die Ansprüche im Lauf der Jahre gewandelt haben. „Während die leistungsorientierten Reiter eher in klassischen Reitsportdisziplinen vertreten sind, dominieren in moderneren Reitsportdisziplinen vor allem Genussmotive. Insgesamt entwickelt sich der Trend im Reitsport deutlich vom Drill in der Reitbahn hin zu mehr Entspannung, Erholung und Selbstverwirklichung. Der Wunsch, in der Freizeit Leistung zu bringen, sich mit anderen zu messen und Erfolg zu haben, ist nur noch für einen kleineren Teil der Pferdesportler bedeutsam.“
Damit ist für ‚Stallgeflüster‘ zwar schon vieles erklärt, doch zufrieden sind wir in der Redaktion noch längst nicht und schauen mal auf der Homepage der FN vorbei, ob es da etwas zu finden gibt. Und siehe da, wir finden eine Untersuchung des Institutes Ipsos aus dem Jahr 2019, die sich mit den Trends im Pferdesport beschäftigt.
Auch hier ist unschwer festzustellen, dass Pferdebesitzer heute nicht unbedingt nur am sportlichen Erfolg interessiert sind: 76 Prozent der organisierten Aktiven gibt an, eher im Freizeitbereich unterwegs zu sein, bei den nicht-organisierten sind es sogar 90 Prozent, die mit dem Turniersport ‚Nicht viel am Hut haben‘: „Je höher die Affinität zum Pferdesport, desto eher wird die klassische, traditionelle Reitweise, vor allem die Dressur, präferiert. Aktive, nicht organisierte und gelegentliche Pferdesportler bevorzugen das Ausreiten.“
Gut, jetzt haben wir herausgefunden, wie und wo aktive Reiter unterwegs sind, wissen allerdings noch immer nicht genau, was sie für Pferde suchen. Doch auch hier lässt uns die Ipsos-Studie nicht im Stich: „Es gibt eine eindeutige Präferenz für ein ruhiges, gelassenes, friedliches und entspanntes Wesen – Charaktereigenschaften rangieren vor Reiteigenschaften.“ …Und nicht nur das: Auch die Beziehung zwischen Mensch und Pferd steht mit 10 Prozent (verlässlich, zuverlässig) und 11 Prozent (Vertrauen, Vertrauen zu mir hat) vor den Reiteigenschaften. Erst an vierter Stelle rangiert die Ausbildung (Gehorsamkeit mit 8 Prozent von insgesamt 14). Schlusslichter sind Pflegezustand und Gesundheit sowie äußere Erscheinungsmerkmale. Unterstrichen wird dieses Umfrage-Ergebnis durch den Kommentar eines langjährigen Pferdespediteurs, der ‚Stallgeflüster‘ gegenüber feststellt: „Jeder, will heute ein besonderes Pferd haben und vor allem einen besonderen Umgang damit.“ „Das die Ausbildung eines Tieres nicht ganz vorne auf der Liste der Eigenschaften rangiert, kann leicht schief gehen“, stellt Mitja Hinzpeter zu diesem Thema fest. Er arbeitet als Hufbeschlagsschmied und ist mehrfacher Meister und Weltmeister in der Trend-Sportart Working Equitation. „Für mich steht die Ausbildung eines Pferdes an wichtigster Stelle. Denn habe ich ein gut ausgebildetes, gehorsames Pferd, dann kann das draußen im Gelände schön mal ein wenig nervös werden, aber ich habe die Sicherheit, dass es gehorcht. Das ist vor allem für Freizeitreiter ein Sicherheitsaspekt, der nicht von der Hand zu weisen ist. Die Beziehung zwischen Mensch und Pferd, das Vertrauen zueinander, entwickeln sich im Umgang miteinander und im Lauf der Zeit, die man miteinander verbringt.“
„Stallgeflüster“ / E. Stamm