Zwei Dressur-Nachwuchstalente fanden zusammen
16 Jahre alt ist die junge Dame, ihr Pferd erst sieben. Gemeinsam gewannen sie im Dezember ihre erste Dressurpferde M in Kranichstein. Ein Paar sind sie allerdings erst seit einem dreiviertel Jahr: Melina Thelemann und ihr Hengst Francois.
Die blonde Melina kommt aus einer Familie, in der Pferde eine Rolle spielen. Ihre Tante reitet und Mutter Karin stieg wieder in den Sattel, als die Tochter das Reiten ernsthaft begann. Schon mit fünf Jahren bekam die Kleine ihre ersten Reitstunden auf einem Haflinger-Schulpferd im Taunus. Mit sieben hatte sie dann auch schon ihre erste Reitbeteiligung und fand mit neun ihre erste ‚große‘ Pferde-Liebe. Das Pony ‚Proud Doug‘. „Mit ihm habe ich die ersten Reiterwettbewerbe geritten und mich bis zur Klasse L mit ihm hochgearbeitet“, erzählt die blonde Schülerin.
„Es war wirklich die ‚große Liebe‘ ergänzt Mutter Karin. Wir mussten mehrmals täglich in den Stall fahren und Melina ging abends nicht zu Bett, bevor sie nicht ihrem Pony ‚gute Nacht‘ gesagt hatte.“
Später bot ihr Steffi Rothenberger-Krause das Pony Danilo zum Reiten an, die letzten beiden Jahre war sie erfolgreich mit Pony Cyrill auf den Turnierplätzen unterwegs und konnte dort u.a. erste FEI-Erfolge verzeichnen.
Doch die Pony-Zeit für den Nachwuchs dauert nicht ewig. So mussten sich Melina und Mama Karin im letzten Sommer nach einem geeigneten Großpferd für die junge Dame umsehen, wenn diese weiterhin im Turniersport aktiv bleiben wollte. Und das ist in Corona-Zeiten nicht ganz einfach. „Doch hier kamen der Zufall und erneut Steffi Rothenberger-Krause ins Spiel“, erzählt Karin Thelemann. „Eines späten Samstag-Abends bekam ich eine What’s App von Steffi mit dem Video eines Auktions-Pferdes und dem Hinweis, dass diese Online-Versteigerung am Sonntagvormittag beendet wird. Ich hatte mir vorher niemals vorstellen können, ein Pferd zu kaufen, das man nicht live gesehen hat, aber das Tier gefiel mir so gut, dass ich mir die Röntgen-Aufnahmen schicken ließ und sie an Steffi weitergab.“
„Am nächsten Morgen war ich mit dem Fahrrad unterwegs, Melina verfolgte die Auktion am Rechner und hielt mich telefonisch auf dem Laufenden.“ Während Mutter Karin dies erzählt, rutscht Melina noch heute ganz aufgeregt auf ihrem Stuhl – wie mag sie wohl letzten Sommer vor dem Bildschirm gerutscht sein?
„Natürlich hatten wir uns ein Limit für das Bieten gesetzt – und ich bot fleißig unterwegs auf meiner Fahrradtour. Doch nach einer langen dreiviertel Stunde bekamen wir den Zuschlag. Jetzt hatten wir ein Pferd gekauft, das wir noch nie gesehen hatten und zu allem Überfluss stand das in Ungarn.“
Einen Monat lang warteten Karin und Melina darauf, dass das Pferd nach Deutschland gebracht werden konnte, dann hielten die beiden es nicht länger aus. Kurzerhand machte sich die beiden Damen mit einem Transporter selbst auf den Weg. Einig waren sie sich bei dem Gedanken: „Armes Pferd. Der kann doch niemals die hohen Erwartungen, die wir jetzt an ihn haben, erfüllen.“
In Ungarn angekommen führte sie der erste Weg nicht etwa ins Hotel, sondern direkt in den Stall. Francois oder Franz, wie er jetzt liebevoll genannt wird, stand am Ende der Stallgasse in der letzten Box. „Im ersten Augenblick, als ich ihn sah, rutschte mir erst mal das Herz in die Hose“, erinnert sich Melina an das Treffen. „Er war riesig. Und ich fragte mich, wie um Himmels willen ich eine Volte mit ihm reiten soll. Doch dann ging’s an das Probe-Reiten. Der junge Mann, der ihn ausgebildet hatte, meinte, ich könnte mich sofort daraufsetzen – doch habe ich ihm erst einmal den Vortritt gelassen. Aber als ich dann auf Franz saß, war es ein Traum. Das ist schöner als fliegen, dachte ich.“
„Wir haben ihn dann ohne viel Umschweife eingepackt und sind nach Hause gefahren“, berichtet Mutter Karin. Und schon im Oktober waren die drei dann wieder unterwegs. In Kreuth erritten sich Melina und Franz ihre erste M-Platzierung. Jetzt hofft Melina, dass sie in diesem Jahr noch öfter starten kann – als nächstes Turnier steht Ankum auf dem Plan. Wünschen wir dem neuen ‚Dream-Team‘ viel Erfolg auf ihrem weiteren Weg.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm