Polizeireiterstaffel Niedersachsen: Pferde mit Mut und Herz im Einsatz
Jedes Jahr suchen die Polizeireiterstaffeln nach Nachwuchs-Dienstpferden.
Doch diese Suche gestaltet sich teilweise immer schwieriger. Ein Polizeipferd muss – das ist die grundlegende Voraussetzung – ein ausgeglichenes Interieur haben. Hinzu kommen natürlich weitere Kriterien, wie z.B. absolute Gesundheit. „Die modernen Warmblut-Sportpferde sind dafür gezüchtet, Olympisches Gold zu erringen. Sie sind meist ausgesprochen nervig und empfindsam – das müssen sie auch sein, für diese Aufgaben“, kommentiert Jan zum Berge, stv. Vorsitzender des Stammbuches für Kaltblutpferde Niedersachsen e.V. die Entwicklung in der Warmblutzucht. „Solch empfindsame Tiere eignen sich jedoch als Partner bei schwierigen Aufgaben in der Öffentlichkeit eher weniger.“
Bereits seit zehn Jahren bringt die Polizeireiterstaffel Hannover Schwere Warmblüter zum Einsatz. „Mittlerweile sind es zwölf, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben“, erzählt Martin Koopmann, Leiter der Polizeireiterstaffel Hannover. „Ihre Reaktion bei aus ihrer Sicht gefährlichen neuen Situationen fällt meist so aus, dass sie einen Schritt zur Seite gehen, schauen und dann nach Aufforderung weiter gehen. Unsere Kaltblüter zeigen sich bis jetzt so, dass sie stehen bleiben, schauen und dann nach Aufforderung weiter gehen. Mit vielen Warmblütern ist das nicht so. Bei ihnen ist der Fluchtinstinkt deutlich stärker ausgeprägt und wesentlich schwieriger zu kontrollieren. Nicht nur aus diesem
Grund starteten wir den Versuch, Kaltblutpferde bei der Polizei zum Einsatz zu bringen. Auch das imposante Erscheinungsbild mit dem zeitgleich freundlichen Ausdruck hat uns überzeugt.“
„Wir züchten Pferde mit Mut und Herz“, sagt Jan zum Berge, der u.a. selbst das Hannoversche Kaltblut züchtet, auf das die Polizei vor ca. vier Jahren aufmerksam wurde. „Unsere Kaltblüter sind gelassen und halten auch psychischem Druck durchaus stand.“ Die Pferde, die bei zum Berge und anderen Züchtern auf die Welt kommen und als ‚Hannoversches Kaltblut‘ in den Büchern geführt werden, sind allerdings keine ‚reinen‘ Kaltblüter, wie beispielsweise das Rheinisch-Deutsche Kaltblut. Um die Rasse zu veredeln kommen hier Vollbluthengste in der Zucht zum Einsatz. „Unser Zuchtziel sind Pferde mit einem Anteil von 6,25 und 12,5 Prozent Vollblutanteil. Das trägt zur Rittigkeit bei – denn schließlich reiten wir selbst gerne.“
An erster Stelle bei den Zuchtzielen stehen für zum Berge das Interieur, die Gesundheit und erst dann das Exterieur, das allerdings im Wesentlichen auch der Verbesserung der Gesundheit dienen muss. „Schließlich darf ein großes schwereres Pferd nicht auf dünnen Beinchen stehen – das geht langfristig nicht gut“, kommentiert zum Berge seine Schwerpunkte.
Die offiziellen Zuchtziele für das Hannoversche Kaltblut sind: Pferde mit einer Größe von 1,60 bis 1,70 m bei Hengsten, Stuten 1,57 bis 1,65 m. Bei den Farben sind Füchse mit überwiegend hellem Langhaar vorherrschend, aber auch Schimmel, Rappen und Braune möglich. Der Kopf soll trocken, markant und mit einem lebhaften Auge ausgestattet sein, der hals kräftig, nicht zu kurz und gut aufgesetzt. Den Körper wünscht man sich rundrippig mit viel Brusttiefe, dazu genügend lange Beine und einen mittleren Rahmen. Das Fundament soll trocken und korrekt sein, die Gelenke stark und klar, die Hufe rund und hart mit genügend hohen Trachten, dazu ein seidiger, nicht zu üppiger Behang. Die Pferde sollen fleißige, taktmäßige und raumgreifende Grundgangarten aufweisen, die sie zum Einsatz als Arbeitspferde in Land- und Forstwirtschaft aber auch als Hobby- und Planwagenpferde mit großer Ausdauer befähigen. Besondere Merkmale dieser Pferderasse sind ein ruhiges und ausgeglichenes Temperament, Leistungsfähigkeit, Futterdankbarkeit sowie ihre Gutmütigkeit, Robustheit und Langlebigkeit.
„Wir züchten Pferde, die ihren Job als Partner des Menschen tun, ganz gleich ob vor dem Wagen oder unter dem Reiter“, begeistert sich zum Berge für die Rasse, „die deutlich feiner im Handling ist, als beispielsweise ein Rheinisch Deutsches Kaltblut, dabei aber ebenso cool im Kopf wie dieses.“ „Der Schritt vom Warmblut zum Kaltblut ist riesig“, gibt zum Berge ohne weiteres zu. „Doch garantieren sie dem, der sie reitet, ein entspanntes Erlebnis.“
Entspannung, das ist auch das Stichwort für Martin Koopmann. „Schon als die jungen Kaltblüter bei uns ankamen, waren sie wesentlich relaxter, als ich das je bei anderen Pferden beobachtet habe. Neuem nähern sie sich deutlich ruhiger, schauen sich das an und akzeptieren es dann. Ihr Verhalten ist eben ganz anders als die eines Warmblutpferdes – ihr Interieur deutlich entspannter.“
Koopmann hofft, dass er mit diesen Tieren gute Partner für seine Kollegen gefunden hat. „Schließlich erwarten wir im Einsatz ruhige, zuverlässige Pferde. Die meisten Einsätze finden im Schritt oder auch mal in kurzen Trabsequenzen statt, dann ist meist wieder langes, ruhiges Stehen erforderlich. Ich denke, dass diese Pferde dafür bestens geeignet sind.“ Wider Erwarten bekam Koopmann auch ein positives Echo von den Kollegen, die als Ausbilder und Bezugspersonen der jungen Pferde in Celle zuständig
sind. „Manche von ihnen sind auch privat im Pferdesport unterwegs, teilweise auch in der Dressur. Da habe ich natürlich zunächst mit wenig Begeisterung gerechnet und bin inzwischen positiv überrascht. Natürlich stellt jedes Pferd Anforderungen an seinen Reiter. Das tun auch die Kaltblüter – aber andere als Warmblüter.“ Andere Anforderungen, das weiß jeder, der ein Kaltblut besitzt, stellen diese Pferde vor allem im Hinblick auf ihre Ausrüstung. Alles muss größer und weiter sein, als beim Warmblut. Es gibt so gut wie nichts von ‚der Stange‘ zu kaufen. Und da geht es der Polizei nicht besser als jedem Freizeitreiter. Dazu kann man nur sagen: Willkommen im Kaltblut-Reich.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm