Turniersport im Zeichen von Corona
Noch vor ein bis zwei Wochen wurden viele Turnierveranstaltungen abgesagt. Jetzt werden die Auflagen gelockert. Und damit starten auch wieder die sportlichen Ereignisse. Wirklich? Und für wen? Am Pfingst-Sonntag und -Montag ‚stieg‘ in Darmstadt-Kranichstein das Dressur-Turnier. Zwei Tage mit jeweils vier Prüfungen.
Am Sonntagvormittag fanden Dressurpferdeprüfungen in den Klassen A und L statt, am Nachmittag eine Dressurprüfung Kl. M** und Klasse S*.
Ähnlich strukturiert war der Montag: Vormittags eine Reitpferdeprüfung und eine Dressurpferdeprüfung Kl. M. Danach eine Dressurprüfung Kl. M* und anschließend St. Georg Special*.
Die Teilnehmerzahlen in Corona-Zeiten waren begrenzt – dennoch standen am Sonntagmorgen um 8.00 Uhr 30 Starter bereit, um ihre Pferde den Richtern zu präsentieren. Denn: Außer den Richtern gab es keine Zuschauer, diese waren hier nicht zugelassen. Anders als zu ‚normalen‘ Zeiten durfte auch jeder Reiter lediglich einen Helfer mitbringen. Und dieser musste sich namentlich anmelden.
Teilnahmeberechtigt waren ausschließlich aktuelle Bundeskadermitglieder, Pferdewirte, Pferdewirtschaftsmeister und deren Auszubildende sowie Berufsreiter, die ihr Einkommen gewerbsmäßig durch den Beritt von Pferden Dritter oder den regelmäßigen Handel mit Pferden erzielen. Die Pferdesportprofis blieben hier also unter sich – eine Veranstaltung, die nicht zum Spaß genannt wurde, sondern ausschließlich zur Qualifikation von Pferd oder Reiter.
Für das komplette Gelände galten neben der Maskenpflicht die üblichen hessischen Abstands- und Kontakt-Regeln – ein entspanntes Turnierwochenende konnte dies also nicht werden.
Das Tragen von Mund und Nasenschutz auf dem gesamten Gelände war Pflicht für jeden, der sich dort aufhielt. Lediglich während des Abreitens und der Prüfung war das Abnehmen erlaubt. Nach der Prüfung waren die Teilnehmer aufgefordert, das Gelände zügig in Richtung Parkplatz zu verlassen – Siegerehrungen fanden nicht statt, der Kontakt zu Meldestelle erfolgte ausschließlich telefonisch oder per Mail. Für errittene Gewinngelder hatten die Teilnehmer vor der Prüfung ein Formular mit Konto-Nummer ausgefüllt und dem Veranstalter ausgehändigt – sie sollen nach Eingang der Nenngelder durch den Veranstalter überwiesen werden.
Immerhin konnten die Reiter, die früh morgens los gefahren waren, etwas zu essen erwerben. Das allerdings durften sie im Umkreis von 50 Metern um den Gastronomiebetrieb nicht anrühren – empfohlen war der Verzehr im eigenen Auto.
In der Dressur-Prüfung Kl. S* am Sonntag-Nachmittag starteten zwanzig Teilnehmer, im Prix St. Georg Special* am Montag-Nachmittag immerhin fünfundzwanzig. Beide Prüfungen entschied übrigen Dorothee Schneider mit der erst achtjährigen Oldenburger Stute Sisters Act vom Rosencarre vor Henrik Lochthowe mit Damons Davian am Sonntag und Sharom am Montag für sich.
Logisch, dass gerade Berufsreiter von den Corona-Beschränkungen besonders betroffen waren. Das Erreichen von Qualifikationen war nicht möglich, weder für das Pferd noch den Reiter. Auch der Handel stagnierte. Doch stellt sich die Frage: Sind Qualifikationen und Platzierungen alles, was den Sport ausmacht?
Hinzu kommt eine bittere Erfahrung, die das Turnierbüro nach der als ‚erfolgreich‘ eingestuften Veranstaltung machen musste: „Gestern hatten wir uns noch gefreut, weil wir ein, nach unserer Meinung und dem Feedback vieler Reiterinnen und Reiter nach schönes und harmonisches Dressurturnier hinter uns gebracht haben. Alle haben sich an die momentan herrschenden Regeln gehalten. Da wo Mund-/ Nasenschutz erforderlich war, wurde er getragen. Die Abstandsregeln wurden befolgt und die Reiterinnen und Reiter haben (wenn auch manchmal mit etwas Diskussion) nur 1 weitere Person mit auf die Anlage gebracht. Heute allerdings wird unsere Freude getrübt, denn es erreichte uns der Hinweis von der zuständigen Genehmigungsbehörde für unsere Turniere, dass bereits am Freitag Nachmittag eine anonyme Anzeige eingegangen sei. Darin wird behauptet, dass man in mehreren Whattsapp-Gruppen geplant habe mehrere Personen in Pferdeanhängern zu verstecken, um diese auf die Reitanlage zu schleusen. Wir sind stolz drauf, dass wir uns einen Ordnungsdienst zu eigen gemacht haben, der genau dieses verhindert. Sich dabei auf teilweise ewige Diskussionen einlässt und auch manchmal Beschimpfungen ertragen muss, um am Ende aber unser Konzept durchzusetzen, damit wir im Interesse der Behörden handeln.“
„Das für uns unverständlichste ist, dass es sich bei der Anzeigerin sogar um eine Teilnehmerin handeln soll. Das bedeutet, dass jemand aus dem Kreise der startberechtigten Berufssportler dafür sorgen möchte, dass die Veranstaltungen, die wir gerade mit viel Mühe und Unterstützung des PSV Hessen ins Rollen gebracht haben, wieder verboten werden.“
„Für uns ist das ziemlich unverständlich und verdirbt uns die Lust daran weitere Dressurturniere in diesen Zeiten zu veranstalten. Wir hoffen auf das Verständnis der restlichen Reiterinnen und Reiter“, so das Fazit des organisierenden Turnier-Büros Schäfer.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm