Mounted Games oder ‚langsam gibt es nicht‘
Ein rasantes Spiel, ein spannender Team- und Familien-Sport oder eine Freizeitbeschäftigung mit vielen Reisen und Zusammentreffen mit Freunden und Bekannten.All diese Bezeichnungen könnte man für die Beschreibung von Mounted Games verwenden. Mounted Games (berittene Spiele) ist eine Sportart, die vor allem in Norddeutschland und Niedersachsen seit den neunziger Jahren Tradition hat, in manch anderen Bundesländern aber kaum bekannt ist.
Entstanden ist diese Team-Sportart, bei der athletische und reiterliche Fähigkeiten gleichermaßen gefordert sind, in Indien, als es noch britische Kolonie war. Damals versuchte man die Reitersoldaten in Friedenszeiten mit Wettkampf-Spielen dieser Art fit zu halten und entwickelte ein Regelwerk, nach dem Turniere stattfinden. In Großbritannien gelten Mounted Games heute als Bestandteil des Reitsports.
Ein Mounted Games-Team besteht aus vier bis fünf Reitern und deren Ponys oder – in Deutschland auch Großpferden. Allerdings dürfen bei einem Spiel nur jeweils vier starten. Wie bei einem Staffelrennen spielen immer mehrere Teams direkt gegeneinander. Dabei sind zwischen den 54 m auseinanderliegenden Start- und Wechsellinien von jedem Reiter bestimmte, vorgegebene Aufgaben (Spiele) zu erledigen, die Mut, Geschicklichkeit, Tempo und Teamfähigkeit verlangen. Man könnte sie auch einteilen in Tempo-, Technik- und Aufspring-Spiele. Macht ein Reiter einen Fehler, muss er diesen korrigieren, bevor er das Spiel fortsetzt.
„Eine der wichtigsten Spielregeln in diesem Sport ist die Fairness gegenüber dem Pony“, erzählt uns Mounted Games-Papa Marc Blecker von der Reit- und Fahrgemeinschaft Fischerhude. Als Begleiter seiner Tochter ist er bereits seit 2009 in Sachen Mounted Games während der Sommermonate fast jedes Wochenende unterwegs. „Sporen und Gerte sind bei den Spielen grundsätzlich verboten. Auch verbale Attacken, wie beispielsweise ‚Du blöder Gaul‘ können zum Ausschluss führen. Bei einem Turnier wird zuerst immer ein Paddock abgesteckt und das Pferd abgeladen. Erst danach meldet man seine Startbereitschaft und begrüßt Bekannte und Freunde.“
Insgesamt gibt es im Regelwerk der VRMGD (Verband für Reiterspiele Mounted Games Deutschland e.V.) etwa 30 Spiele, mit unterschiedlichsten Geräten und Aufgaben. Dazu gehören u.a. Kartonrennen, Luftballonstechen, Flaschentausch etc. Die, insgesamt 54 m lange ‚Arena‘, in der oft sechs Teams gleichzeitig auf ihren parallel nebeneinander liegenden Bahnen spielen, ist unterteilt in je zwei 4,5 m lange Security Boxen, am Anfang und Ende des Spielfeldes. Dann folgt der Startbereich und die Startbox in der sich jeweils nur der Teilnehmer aufhalten darf, der als nächster am Start ist. Am Ende des Spielfeldes befindet sich der ca. 22 m lange Wechselbereich mit der gegenüberliegenden Security Box. Er ist durch die Wechsellinie vom Spielfeld getrennt.
„Etwa drei Läufe über die abgesteckte Strecke muss jedes Team während eines Turniers absolvieren“, erklärt uns Jörg Hartwig, ebenfalls Mounted Games-Papa, aber gleichzeitig Presseverantwortlicher beim VRMGD. Je nach Altersklasse gehören zu solch einem Lauf sechs bis zehn unterschiedliche Spiele, die die Teams nacheinander absolvieren müssen. Die Altersklassen sind geteilt in U 14, U18 und die offene Klasse. Nach jedem Spiel baut die Arena-Party um.“ „Die Arena-Party, das sind nicht etwa Leute, die da feiern, sondern Helfer, die für den schnellen Umbau während des Laufs mit unterschiedlichen Spielen verantwortlich sind“, klärt uns Marc Blecker auf. „Da gibt es jede Menge zu tun, denn die Läufe der unterschiedlichen Mannschaften finden ja auf sechs parallel angeordneten Bahnen statt. Deshalb ist das auch ein Familiensport, denn hier wird jede helfende Hand gebraucht. Und die meisten Eltern sind voll dabei, sind Fahrer, Fütterer und Aufbauer.“
Beide Väter sind ebenfalls Reiter, und sich völlig einig: „Ein bisschen verrückt muss man schon sein, um so was zu machen. Aber es macht Riesen-Spaß auf den Turnierplätzen zu sein und die Leute zu treffen, zu fachsimpeln und sich zu unterhalten.“ Das ist die Haupt-Motivation der Mounted Games-Eltern, die ihre Kids mit deren Ponys teilweise sogar durch Halb-Europa kutschieren. Doch auch anders herum ist es möglich. So erzählt uns Marc Blecker, dass er einmal am Rand der Arena stand, neben ihm zwei Kinder, die plötzlich brüllten: „‘Mama Du schaffst das!‘ Erst da wurde mir klar, dass hier mehrere Teams von Müttern unterwegs waren.“
Die Turniere dauern jeweils einen Tag, manchmal auch zwei Tage und, es gibt Veranstaltungsorte, an denen an einem Wochenende zwei Ein-Tages-Turniere unterschiedlicher Vereine stattfinden. Dort sammeln die Mounted Gamer Punkte. Das Gewinner-Team erhält immer so viel Punkte, wie Mannschaften im Lauf sind, das zweite entsprechend weniger, und so fort. „Auch das Team, das am schlechtesten abschneidet, erhält also noch Punkte“, erklärt uns Marc Blecker. Er findet dieses Verfahren „aus pädagogischer Sicht für ausgesprochen gut. Damit hat auch der letzte noch Punkte für Wertungen in weiteren Läufen gesammelt.“
Insgesamt reitet ein Team zwei bis drei Qualifikationen pro Turnier, danach gibt es dann noch eine Final-Qualifikation.
„Die Reiter der einzelnen Teams bleiben in Deutschland während der Turnier-Saison immer die gleichen. Aber zwischen den Turnierjahren tauschen wir manchmal. So gehörte beispielsweise einmal eine Luxemburgerin zum Team Fischerhude. Und auch in Frankreich tauscht man gerne einmal“, erzählt uns Marc Blecker.
„Schwierig ist es, ein Team zusammenzustellen“, da sind sich die Väter einig. Jörg Hartwig lebt in Leipzig. „In Sachsen war es bis vor kurzem noch nicht so verbreitet, dass Kinder ihre eigenen Ponys hatten. Und Schulpferde stellt für solche Veranstaltungen niemand gern zur Verfügung. Erst jetzt, wo mehr Kinder eigene Ponys haben, haben wir auch eine größere Anzahl von Teams.“
Derzeit hat der VRMGD rund 42 Mitgliedsvereine und 462 persönliche Mitglieder. Rund 60 Prozent der Vereine gehören zum nördlichen Niedersachsen, fünf Vereine gibt es in Bayern, einen in Baden-Württemberg und einen in Brandenburg. „Die Bayerischen Aktiven tendieren allerdings eher zu Turnieren in Italien und der Schweiz, das liegt für sie oft näher als Norddeutschland“, erklärt uns Jörg Hartwig. Dennoch haben alle untereinander Kontakt, kennen sich und freuen sich schon jetzt auf die kommende Turniersaison, wenn man sich wieder trifft und zum Gedankenaustausch beisammen ist.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm