Tradition trifft Technik: Gießener „Nice to Schmied you“ -Event
Der Beruf des Schmiedes gehört zu den ältesten Handwerksberufen, die wir kennen.die wir kennen. Doch haben die Zeit, neue Techniken und Kenntnisse auch diese Profession verändert. Ein Umstand, der bei dem Event ‚Nice to Schmied you‘ an der Lehrschmiede der Klinik für Pferde in Gießen auch dem ‚Schmiede-Laien‘ deutlich bewusst wurde.
Ein interessantes und buntes Programm hatte das Team rund um Melanie Striebinger, Hufbeschlaglehrmeisterin, für den letzten Freitag im September zusammengestellt. Die Veranstaltung sollte informieren, Anregungen geben und vor allem dem kollegialen Austausch der Hufbeschlagsschmiede untereinander dienen. Eine Intention, die nach ‚Stallgeflüster‘-Beobachtung durchaus gelang.
Denn bereits beim ersten Workshop auf dem Programm, der Vorstellung des ‚Werkman Black‘ durch Javier Palancares Hoyer kommt es zu intensiven Fachsimpeleien unter den Kollegen. Der Werkman Black ist ein hochmodernes Messsystem, das über am Huf angebrachte Sensoren die geringfügigste Bewegung des Hufes erfasst und auf einem Tablet als 3D-Animation darstellt. Es bietet, den genauen Überblick über den Auf- und Abfußpunkt, die Belastungsphase, die Abrollphase, Schwung, Schritt-Länge und Höhe. Auf dem Tablet lassen sich rechter und linker Fuß direkt miteinander vergleichen. Zusätzlich kann eine Vorher-Nachher-Analyse erfolgen, die sich ebenfalls digital vergleichen lässt. Rund 1100 Messdaten pro Sekunde übermitteln die an den Hufen festgekletteten Sensoren an das Gerät – eine Präzision, mit der das menschliche Auge nicht mithalten kann. Und natürlich, die Teilnehmer am ‚Nice to Schmied you‘ verfolgen gespannt die Vorher-Nachher-Messung, zunächst an einem mit konventionellen Eisen beschlagenen Pferd.
Gleich im Anschluss an die erste Ganganalyse erfolgt eine weitere Messung, die wiederum etwas Neues bietet. Firma
Good-Smith führt vor, wie ihre Kunststoffeisen zum Ankletten bearbeitet und angebracht werden. Auch hier wird neben der klassischen optischen Begutachtung der Arbeit wieder der Werkman Black zur Vorher-Nachher-Analyse herangezogen und rund um das Tablet bildet sich eine Traube aus interessierten Schmieden. Klar wird überlegt, in welchen Fällen dieses Messsystem sinnvoll eingesetzt werden und wie diese Dienstleistung dem Kunden erklärt werden kann. Schließlich ist Anschaffung einer solch hochmodernen Technik eine Investition, die sich ebenso rechnen muss, wie der zeitliche Mehraufwand wenn sie eingesetzt wird. Die Kletteisen, so viel ist jedem klar, sind dann passend, wenn aus Mangel an Hufmaterial nicht genagelt werden kann. Logisch, dass auch der Vertreter der Firma GoodSmith eine Menge Fragen beantworten muss und viel zu erklären hat.
Während in der Schmiede die praktische Arbeit läuft, sind ein Teil der Anwesenden in den Hörsaal gewandert – das Rotationsprinzip ist hier ausdrücklich erwünscht. Dort stellen Praktikanten in einem Poster-Wettbewerb jeweils einen Spezial-Fall aus ihrer Arbeitspraxis vor und erläutern anhand der Bilder die von ihnen getroffenen Maßnahmen. Hier geht es hauptsächlich um Fallbeispiele in Problem-Fällen, wie Hufrollen-, Rehe-Beschlag, hohle Wand etc. Auch wenn die Teilnehmer angesichts des doch beträchtlichen Publikums ein wenig aufgeregt sind, sich der eine oder die andere auch mal verheddert: Sie brillieren schon jetzt mit profundem Fachwissen.
Zurück in der Schmiede, kurz vor der Mittagspause, nimmt ‚Stallgeflüster‘-Redakteurin Elke Stamm zunächst einmal die verschiedenen hier aufgebauten Ausstellungstische in Augenschein. Erstaunlich, was man so erfährt, wenn man beispielsweise bei Schmiedezubehör-Händlerin Ulrike Lenz einen simplen Hammer in die Hand nimmt. „Der hat es nämlich in sich, im wahrsten Sinn des Wortes“, erklärt die Frau vom Fach. „Er enthält ein ausgeklügeltes Federsystem, so dass die Arbeit gelenkschonender verrichtet werden kann.“ Auch die Workshops bzw. Produktvorstellungen von Messern, Schleifarbeiten und Spezial-Klebern erfreuen sich regen Interesses unter den Fachleuten.
Nach einer Stärkung in der Mittagspause geht es weiter im Programm. Da stehen ein Vortrag zum Thema Hufkrebs, ein ‚Anatomie-Workshop‘ an einem ab dem Vorderfußwurzelgelenk präparierten Pferdebein sowie eine im Anschluss an den Vortrag von Prof. Dr. Röcken durchgeführte Hufwandkrebsoperation am Präparat zur Disposition. Im Anschluss daran wird ein Verbandswechsel nach einer Hufkrebs-operation gezeigt – denn dieser ist, so Professor Röcken, zum einen sehr aufwändig und muss zum anderen äußerst korrekt vorgenommen werden, da der Heilungsprozess maßgeblich von dem korrekten Sitz des Druckverbandes bestimmt wird.
Gerne wäre ‚Stallgeflüster‘ noch länger geblieben, beispielsweise um beim Gürtelschnallen schmieden zuzuschauen oder sich den Vortrag von Prof. Staszyk über die ‚Anatomie des Pferdekopfes in Bezug auf reiterliche Belange‘ anzuhören, oder einen Blick auf das geplante Bullenreiten zu werfen. Doch die Fülle, Intensität und Vielfalt des Tages lässt uns der Veranstaltung – schweren Herzens – den Rücken kehren.
Unser Resümee auf dem Heimweg: Hut ab vor dem Beruf des Hufschmiedes. Wenn er die staatliche Prüfung ablegt, hat er eine überaus vielfältige und intensive Ausbildung absolviert, die extrem weit über die reine Metallbearbeitung hinaus geht.
„Stallgeflüster“ / E. Stamm