Schauspieler Joachim Raaf im Interview Wer reiten kann, kann auch abäpfeln!
Joachim Raaf ist Springreiter, 1.Vorsitzender eines Reitvereins und einer der gefragtesten Seriendarsteller Deutschlands. Mit Stallgeflüster sprach der sympathische Schauspieler über seine Liebe zu Pferden und zur Reiterei, über Kollegen zu Pferd die nicht reiten können, warum man sich bei Stimmungsschwankungen lieber ein Motorrad kaufen sollte und er in letzter Zeit öfter mal abtaucht.
Es gibt kaum eine Serie, in der Joachim Raaf nicht dabei war oder ist. Die Fernsehzuschauer kennen ihn aus ‚Sturm der Liebe‘, ‚Unter Uns‘, ‚Soko Köln‘, ‚Der Bergdoktor‘, ‚Alarm für Cobra 11‘, ‚Forsthaus Falkenau‘, ‚Tatort‘, Rosenheim-Cops und, und, und: Der gebürtige Ingolstädter ist eines der bekanntesten TV-Gesichter Deutschlands. Als „Stallgeflüster“ im Oktober 2008 mit dem ehemaligen Gebirgsjäger und studierten Forstwirt erstmals sprach, stand Raaf gerade für die tägliche Serie ‚112 – Sie retten Dein Leben‘ vor der Kamera.
Und berichtete uns stolz von seinen Reit-Erfolgen: Er hatte mit seinem geliebten Wallach „Caracas“ eine gute Platzierung bei einer Springprüfung der Klasse A * * geschafft, war Dritter in einer Springpferdeprüfung I. und Erster im Springreiten A * * geworden. Heute, 11 Jahre später, fanden wir es an der Zeit, mal wieder bei Joachim Raaf anzuklopfen.
Ihr What’s App-Profilbild ist ein sehr inniges und berührendes Foto von Ihnen und Caracas. Wie geht es Ihrem Wallach?
Caracas ist im Pferdehimmel. Er hat bis zum Schluss noch in der Serie ‚Die Kirche bleibt im Dorf‘ mitgespielt, das hat ihm großen Spaß gemacht. Vor zwei Jahren kam er eines Morgens in der Box nicht mehr hoch. Wir haben alles versucht, mit Flaschenzug, aber er hatte sich in der Nacht so kaputt gemacht, dass man ihm nicht mehr helfen konnte. Wir mussten ihn erlösen, er war 26.
Caracas war Ihr erstes eigenes Pferd. Haben Sie ein neues Tier gefunden?
Meine Stute Luwega, genannt Lulu, steht auf einer Koppel an der tschechischen Grenze. Sie hat leider manchmal gelahmt. Wenn man als Springreiter auf einem Pferd sitzt, das nicht ganz fit ist, hat man das Gefühl, man sitzt auf einer Zeitbombe. Lulu lebt in einem Freilaufstall, bei ihrem Stockmaß von 185 fühlt sie sich dort sehr wohl. Ich seh‘ sie im Moment nicht so oft, aber sie vermisst mich auch nicht. Mein Wallach Aperio ist in Altersteilzeit, er ist jetzt 19. Ich bin ja nicht der Leichteste, da muss man schon mal ein bisschen Rücksicht aufs Pferd nehmen. Ich habe Aperio ausgebildet, bis M geritten und Platzierungen erreicht. Er hat einen guten Job gemacht und darf sich jetzt ausruhen.
Starten Sie noch bei Turnieren?
Nein. Ich habe zwei künstliche Hüften, die zweite ist erst vor einem halben Jahr eingesetzt worden. Aber ich reite noch: In Brensdorf beim Reitverein Stulln in der Oberpfalz, dort bin ich 1. Vorsitzender. Ein kleiner Verein mit vielen Aktivitäten und einem eigenen Vereinsturnier. Hier greife ich auch gerne selbst zur Mistgabel. Ein richtiger Reiter ist sich meiner Meinung nach nicht zu fein, seine Box zu misten und die Äpfel vom Hallenboden aufzulesen. Wer reiten kann, kann auch abäpfeln, sag‘ ich immer!
Ist Ihnen der Abschied vom Turnierspringen schwergefallen?
Alles hat seine Zeit. Meine Risikobereitschaft ist nicht mehr so groß. Ich setze
mich wegen meiner Hüften nicht mehr auf ganz junge Pferde. Ich reite sozusagen mit angezogener Handbremse. Ich fahre jetzt öfter Motorrad, da gibt es mit den Hüften keine Probleme.
Was empfinden Sie beim Reiten?
Wenn ich ausreite, gibt es nichts anderes in meiner Birne. Nirgendwo sonst kann
ich so abschalten. Beim Laufen, auf dem Crosstrainer oder Fahrrad arbeitet der Kopf immer weiter. Wenn ich auf einem Pferd sitze, konzentriere ich mich ausschließlich darauf. Sollte ich Ohrenstöpsel tragen und telefonien, würde meine Stute stehen bleiben und nach rechts und links gucken. Sie merkt genau, dass ich nicht bei ihr bin. Es gibt diesen Routine-Leichtsinn bei Reitern, der sich manchmal einschleicht. Aber man darf nie den Respekt vor dem Tier verlieren.
Sie geben Ihre Erfahrungen auch an junge Reiter weiter?
Ja, ich sage ihnen oft: Wenn du sehr ungeduldig oder nicht zufrieden mit dir bist, solltest du dir lieber ein Motorrad kaufen. Lass‘ deine Stimmungsschwankungen nicht am Pferd aus! Andersrum hat ein Pferd auch Stimmungsschwankungen, ist mal gut und mal schlecht drauf. Man muss da immer großzügig sein. Das habe ich von meinem alten Reitlehrer gelernt: Wenn‘s mal nicht so läuft, lass es, geh am langen Zügel eine Runde. Wenn ein Pferd Parcours geht und seinen Job macht, muss man auf der anderen Seite auch nachsichtig sein, wenn es mal Flausen im Kopf hat.
Werden Ihnen Rollen angeboten, in denen Sie reiten?
Das kommt leider ganz selten vor. Ich hatte mal eine Reiter-Rolle in „Verbotene Liebe“. Witzigerweise rufen häufig Kollegen an und fragen mich um Rat: Die können nicht reiten und bekommen die Rollen! Man sieht ja auf den ersten Blick, ob ein Schauspieler reiten kann oder ob er das erst kurz zuvor gelernt hat – wie das zum Beispiel in fast allen Rosamunde-Pilcher-Filmen der Fall ist. Mein Traum wäre eine Rolle in der Netflix-Serie „The Barbarians“, da wird fast nur geritten!
Was haben Sie zuletzt gedreht?
Es war ein starkes berufliches Jahr. Wegen meiner Hüft-OP durfte ich drei Monate nicht reiten, da habe ich durchgängig gedreht wie verrückt. Zum Beispiel ‚In aller Freundschaft‘ und ‚Der letzte Wille‘. Zurzeit bin ich in Hamburg und drehe ‚Notruf Hafenkante‘, da spiele ich den Hausmeister einer Schule.
Was tun Sie, wenn Sie weder Reiten noch Schauspielern?
Ich habe gerade erst meinen Freiwassertauchschein, den Open Water Diver, be-
standen. Wir hatten Kurse im Schwimmbad und auch im See, bei schlechter Sicht. Das ging richtig zur Sache! Ich bin als Taucher schon gut unterwegs. Ich komme gerade aus Ägypten, wo meine Schwester an einer deutschen Schule arbeitet. Habe in den fünf Tagen zehn Tauchgänge gemacht, einer davon war ein Nachttauchgang. Tieftauchen möchte ich auch lernen.
Sie scheinen großen Ehrgeiz zu entwickeln…
So ist das bei mir: Wenn ich mal etwas anfange, beiße ich mich fest, aber ohne Druck. Eine Entscheidung ziehe ich auch durch. Ich habe ja auch erst mit 36 mit dem Reiten begonnen. Tauchen ist in meinem Alter wesentlich hüftschonender. Im Februar werde ich 60: Ich bin der Meinung, zum Älterwerden braucht man Mut und Gelassenheit.