Kamerad Vierbein – Das leisten Mulis bei der Bundeswehr
Wenn Mensch und Maschine an ihre Grenzen stoßen, kommen bei der Bundeswehr Mulis zum Einsatz.
Die robusten Tiere versorgen Soldaten in schwierigem Gelände und unter extremen Wetterbedingungen mit Gütern aller Art.
Wenn die Gebirgsjäger in einem unwegsamen Gelände und über 1600 Höhenmetern im Einsatz sind, dann sind es die Mulis, die die Soldaten mit Verpflegung und Ausrüstung versorgen: Dort, wo kein Fahrzeug mehr hinkommt, kein Helikopter landen kann. Die ausgebildeten Mulis können bis zu 160 Kilo Lasten in Kälte und Hitze bis in Höhenlagen von 6000 Metern tragen.
54 Maultiere und Pferde, vorrangig Haflinger, tun derzeit ihren Dienst bei der Bundeswehr im Berchtesgadener Land. Mit 144 Soldaten gehören sie zum Einsatz- und Ausbildungszentrum (EAZ) für Tragtierwesen 230 in der Hochstaufenkaserne in Bad Reichenhall. Als selbständige Einheit untersteht das EAZ direkt der Gebirgsjägerbrigade 23 „Bayern“.
Im Alter von ein bis sechs Jahren kommen die Tiere aus renommierten Zuchtbetrieben ins EAZ, werden hier zum Tag-, Reit- und Zugtier ausgebildet.
Maultiere oder Mulis, eine Kreuzung aus Pferdestute und Eselhengst, sind wahre Kraft- und Ausdauerwunder, dazu noch trittsicher und genügsam. Stufen bis 30 Zentimeter, vereinzelt auch höher, können sie selbständig überwinden – und das zu jeder Tages- und Nachtzeit und bei Schnee bis zu 80 Zentimetern Höhe. In der Ebene erreichen sie dabei eine Stundengeschwindigkeit von 6 km/h, am Berg bis 4 km/h. Sie können 16 Stunden Dauerleistung bringen und 50 Kilometer am Tag schaffen. Beim Verbringen von Lasten am Berg legen sie 400 bis 500 Höhenmeter pro Stunde zurück.
Täglich holen die Soldaten die Tiere frühmorgens aus dem Mulikaser, wie der robuste Alm-Stall der Vierbeiner genannt wird. Jeder Soldat kann alle Tiere führen, hat aber sein persönliches Lieblingsmuli, erzählt Stabsgefreiter Unteroffiziersanwärter Fabian Vorderwülbeke. Seit 2015 arbeitet er mit dem 13-jährigen Anton zusammen: „Anton war das erste Tier, das mir zugeteilt wurde. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden. Jedes Tier hat einen anderen Charakter. Mein Anton ist ein sehr gutmütiger Kamerad.“
Bevor es zur Übung oder auf den Marsch geht, wird Anton von seinem Menschen-Kamerad begrüßt, geputzt und gestreichelt. Und sorgfältig durchgecheckt: Setzen die Eisen richtig? Hat das Tier eine Verletzung? Erst wenn alles stimmt, wird Anton gesattelt: Der Lastsattel wiegt 35 bis 40 Kilo und muss perfekt befestigt werden. Das Satteln und wie man die Lasten richtig verteilt sowie Anatomie und Veterinärunterricht gehören zur Ausbildung der Soldaten.
Transportiert wird alles, von der Verpflegung über Rucksäcke bis komplexe Waffensysteme. Je nach Tagesauftrag sind Soldat und Tier den ganzen Tag draußen unterwegs, um andere Gebirgsjägereinheiten zu unterstützen. Ein Tragtierzug kann aus zwei bis zwölf Tieren bestehen. Oft werden die Mulis mit dem LKW in entferntere Einsatzgebiete transportiert. Nicht nur die Mulis, auch die Tragtierführer, ausgebildete Gebirgsjäger, müssen körperlich topfit sein. Die Menschen müssen mithalten können mit den Maultieren, die ein ordentliches Tempo vorgeben, vor allem auch wenn’s steil bergauf geht. Zusätzlich schleppt der Soldat noch seine eigene Ausrüstung von bis zu 80 Kilo. Der Grundauftrag des EAZ lautet, die kämpfenden Truppen zu versorgen.
Jeder Tragtierführer kann aber auch selbst eine Waffe bedienen und sich militärisch verhalten. Bei der großen Übung „Berglöwe“ letzten Sommer war Fabian Vorderwülbeke mit Anton dabei: „Wir haben verschiedene Gebirgsjägerkompanien mit Ausrüstungsgegenständen, Verpflegung und Essen versorgt. In der Nacht haben wir für die Tiere eine Feldstallung gebaut. Dazu werden Eisen in den Boden gehauen, darüber Seile gespannt und Planen als Wetterschutz befestigt.“
Bevor Fabian Vorderwülbeke zur Einheit kam, hatte er null Erfahrung mit Pferden: „Ich kannte die Einheit für Tragtierwesen nicht, wurde hierhin eingeteilt. Dabei hatte ich früher nur mal einen Hamster. Ich war ziemlich überrascht, was ich mit den Vierbeinern überhaupt anfangen soll. Heute freue ich mich jeden Tag auf meine Arbeit mit den Tieren.“
Als Tragtierführer muss man keine bestimmten Voraussetzungen mitbringen, meint Fabian: „Man sollte aber tierlieb sein.“ Mittlerweile kann er sich seine Arbeit ohne Kamerad Vierbein gar nicht mehr vorstellen. Derzeit macht Vorderwülbeke eine Ausbildung in der Schmiede, in der immer Hochbetrieb herrscht: Alle sechs bis acht Wochen werden die Tiere beschlagen.
Mit Anfang 20 hat ein Muli seinen Dienst bei der Bundeswehr getan. Dann bekommt es auf dem Hausberg Hohenstaufen sein Gnadenbrot. Doch nicht selten kommt es vor, dass ehemalige Soldaten ihren Kamerad Vierbein mit nach Hause nehmen. Stabsgefreiter Fabian Vorderwülbeke zu ‘Stallgeflüster‘: “Die Verbundenheit zum Muli, dem Kamerad Vierbein, die bleibt immer bestehen.“
„Stallgeflüster“ / K. Pohl