Die bekannteste Reiterin der Royal Cavalry of Oman
Offizierin Hiba al Rahbi: So wurde sie zum Vorbild für alle Mädchen des Landes
Für uns sind es Bilder wie aus dem Märchen. Für Hiba al Rahbi ist es ihr Job: Die Offizierin gilt als beste Reiterin der königlichen Reiterstaffel des Sultans von Oman. Ihr Weg an die Reiter-Spitze des von Männern dominierten Sultanats war nicht immer leicht. Stallgeflüster hat mit der Ausnahme-Reiterin über ihre Anfänge und ihre Arbeit gesprochen.
Wenn Hiba al Rahbi auf ihr edles Araberpferd steigt, trägt sie farbenprächtige Gewänder und kostbares Geschmeide. Auf der Stirn funkeln Goldamulette, die Hände zieren kunstvolle Henna-Tattoos. So repräsentierte sie zum Beispiel mit der königlichen Reiterstaffel ihr Heimatland Oman beim 90. Geburtstag der Queen in London. Bei Wettkämpfen jedoch trägt Hiba zeitgemäße Reiterkleidung, wenn auch mit traditionellem Kopftuch unterm Helm. Ob Dressur, Rennreiten, Springreiten, Trickreiten, Tanz oder Polo – Hiba al Rahbi gilt als die beste Reiterin Omans. Als einzige Reiterin der Cavalry lässt sie sich auf keine Abteilung festlegen, glänzt in fast allen Disziplinen.
Die Royal Cavalry of Oman wurde 1974 von Sultan Quabus ibn Saud gegründet, mit dem Ziel, das Wüstenreich im Südosten der Arabischen Halbinsel und seinen Herrscher weltweit zu repräsentieren. Der beliebte Monarch, seit 1970 an der Macht, hat das traditionelle Land in den letzten Jahrzehnten modernisiert und damit auch den Frauen das Reiten ermöglicht.
Als Hiba ein Kind war, galten Frauen auf Pferden im Oman noch als ungehörig. Doch Hiba war derart pferdeverrückt und zielstrebig, dass sie als einziges von zwölf Geschwistern Reitunterricht bekam. Während der Schul- und Collegezeit, die sie unter anderem in London verbrachte, ritten außer ihr nur noch fünf weitere Mädchen im Wüstenstaat.
Sie war die beste, fiel auf. 10 Jahre später wurde Hiba al Rahbi als erste Frau überhaupt in die Royal Cavalry aufgenommen!
„Viele meinten damals, Frauen gehörten nicht in die Cavalry, man könne keine Frauen auf Pferden respektieren,“ sagt Hiba. Unglaublich: Anfangs bekamen bei offiziellen Auftritten nur die Männer Applaus – bei Hiba blieb das Publikum still. Das tat weh, doch sie biss sich durch und trainierte noch härter. Mit Selbstdisziplin, Zielstrebigkeit, Talent, Können und ihrer Ausstrahlung überzeugte sie letztendlich auch die letzten Zweifler. Heute applaudieren alle begeistert, wenn sie hoch erhobenen Hauptes nach Turniersiegen die Nationalflagge Omans auf dem Rücken ihres Pferdes präsentiert: „Das macht mich sehr stolz!“
Mehr als 100 Mädchen und Frauen reiten mittlerweile bei der Royal Cavalry of Oman, dank Hiba, die den Weg für sie frei gemacht hat. Sie sagt: “In der Vergangenheit nahmen die Menschen im Oman Frauen nicht sehr ernst und belächelten Mädchen, die reiten. Aber nun kann jeder sehen, was für ein starkes Frauenteam wir haben. Wir können alles, was männliche Reiter auch können. Dank unserer Majestät. Er unterstützt uns, gibt uns Arbeit und die wunderbaren Pferde.“
Sultan Quabus ibn Saud ist wie alle Araber pferdeverrückt, engagiert sich für den Erhalt von Pferderassen und jegliche Varianten des Reitsports. Für seine berühmte Royal Cavalry ist dem Herrscher nichts zu teuer. So wird im Sommer das Training auch schon mal für ein paar Monate nach Frankreich verlegt: Wenn es nämlich in der Wüste für die kraftstrotzenden Araber, speziell für die großen Springpferde, unerträglich heiß ist. Dann werden die wertvollen Pferde samt ihren Reitern und Reiterinnen nach Frankreich geflogen. Für Hiba eine tolle Zeit: Sie liebt Europa, hat in London gelebt und studiert.
Hibas Arbeitstag folgt einem strengen Stundenplan und beginnt um 5.30 Uhr. Alles in ihrem Leben dreht sich um die Pferde. Sie wohnt mit ihren Eltern und Geschwistern unweit des Königspalastes in der Hauptstadt Muscat: „Ich verbringe nahezu 24 Stunden mit den Pferden, spreche mit ihnen, füttere sie und arbeite mit ihnen. Pferde sind meine besten Freunde. Ich behandle sie wie Menschen.“ Die Auswahl an Rasse-Pferden, die ihr zur Verfügung stehen, ist für uns unvorstellbar: Hiba arbeitet mit 25 verschiedenen Pferden, trainiert täglich für die unterschiedlichsten Wettbewerbe und repräsentativen Auftritte in der Golfregion und in ganz Europa. Hiba: „Ich versuche mich ständig weiterzubilden, in allen Anforderungen des Reitens.“
Ihre Familie unterstützt sie, ist stolz auf Hiba. Doch ihr Erfolg hat auch Schattenseiten: „Ich würde ja gerne heiraten, aber es ist schwer, einen Mann zu finden, der meine Arbeit als Offizierin der Royal Cavalry respektiert. Einen Mann, der mich reiten lässt, auch wenn ich seine Ehefrau bin. Im Oman ist es für Männer schwer, mit einer arbeitenden Frau verheiratet zu sein.“ Sie lächelt: „Ich hoffe immer noch auf meinen Traumprinzen, der auf einem weißen Pferd angeritten kommt!“
Stürze und Unfälle konnten Hiba al Rahbi nicht abhalten, ihren Traum vom Reiten zu leben. Als sie sich beim Trickreiten vor einigen Jahren beide Beine brach, wurde sie mehrfach operiert und musste sechs Monate pausieren: “Es gehört zum Reiten dazu, dass man fällt und wieder aufsteht. Nach einem halben Jahr Pause bin ich wieder aufs Pferd, und alle haben gesagt: Du bist verrückt! Aber das bin ich nicht. Ich bin nur verrückt nach Reiten und Pferden.“
Mit ihrer Leidenschaft, ihrem Mut und ihrer Reitkunst wurde Hiba al Rahbi im Oman berühmt. Sie ist das Aushängeschild der Royal Cavalry. Und als Frau, die sich erfolgreich in der Männerwelt durchgesetzt hat, ist Hiba für die Mädchen des ganzen Landes ein Vorbild.
„Stallgeflüster“ / K. Pohl