Interview mit Ralph Clasen-Hoffmann Helfen, vorbeugen, intervenieren – die Rolle des FEI-Stewards
Auf internationalen Turnieren ist die Anwesenheit von Stewards Pflicht. Doch was sind ihre Aufgaben, warum braucht es diese Funktion und wie wird man Steward? Über diese Themen sprach ‚Stallgeflüster‘-Redakteurin Elke Stamm mit Ralph Clasen-Hoffmann. Er ist seit Jahren FEI-Steward (Level 2) in den Disziplinen Springen und Dressur und war in dieser Funktion erst vor einigen Wochen bei den Weltreiterspielen in Tryon/USA.
Herr Clasen-Hoffmann, warum wird man Steward und welche Voraussetzungen muss man dafür mitbringen?
Nun, das variiert von Land zu Land und ist u.a. abhängig von der jeweiligen Reiterlichen Vereinigung. Doch zunächst einmal muss man das notwendige Interesse am internationalen Turniersport haben. In Deutschland sind es überwiegend Richter, die von der FN zur Steward-Ausbildung zugelassen werden, in Einzelfällen auch einmal Parcourschefs. In Frankreich z.B., das ein anderes Ausbildungssystem hat als wir, gibt es Stewards, die noch nie gerichtet haben. Darüber hinaus gibt es in der FEI derzeit Bestrebungen, auch aus der Pflegerschaft Stewards zu rekrutieren, da sie ein anderes Blickfeld mitbringen und Abläufe und Gegebenheiten in den Stallungen besser beurteilen können.
Zum Aufgabengebiet der Stewards gehören also nicht nur Vorbereitungs-Platz und das Viereck bzw. der Springplatz?
Nein, keineswegs. Unsere Aufgabe ist es, beste Voraussetzungen für Pferde und Reiter („Field of Fairplay“) zu schaffen. Dazu gehören u.a. die Überprüfung der Wege z.B. von den Stallungen bis zu den Plätzen auf Sicherheit für Reiter, Pferd und Zuschauer, die Überwachung und Kooperation mit den Ambulanzen für Reiter und Pferd, die Ausrüstungskontrolle nach FEI-Regeln, die sich von unseren LPO-Regeln in vielen Punkten unterscheiden, die Organisation der Horse-Inspection (Vet-Check) u.a.mit Kontrolle der Impfungen, die ständige Überwachung der Plätze (schließlich darf während eines internationalen Turniers kein Reiter sein Pferd unbeaufsichtigt trainieren), die Überprüfung der sanitären Anlagen, Sicherheit in den Stallungen (u.a. auf Brandgefahr durch Strom oder Rauchen) und last but not least, um nur einige Aufgaben zu nennen, natürlich die Nachtwache in den Ställen – häufig in Kooperation mit einem Wachdienst. Denn schließlich stehen dort ja oft Pferde mit einem extrem hohen Wert.
Das ist eine anspruchsvolle Liste von Aufgaben. Schließlich hat ja jede Reitsport-Disziplin besondere, spezifische Anforderungen.
Ja, deshalb sind auch alle Stewards auf spezielle Disziplinen spezialisiert, oft auch wie ein meinem Fall kombiniert. Bevor man von der Gutachter-Kommission der DRV, der FN und des jeweiligen Steward General zur Belegung der internationalen Steward-Lehrgänge vorgeschlagen wird, stellen diese zunächst fest, ob man die Anforderungskriterien im Hinblick auf Sachkenntnis und Erfahrungshintergrund erfüllt. Dazu gehören hier in Deutschland u.a. die aktive Richterqualifikation seit mindestens einem Jahr, ebenso wie die Befürwortung durch die zuständige Landeskommission. Und natürlich muss der Steward-Anwärter die englische Sprache, vor allem auch die fachspezifischen Ausdrücke, in Wort und Schrift beherrschen. Denn alle internationalen Lehrgänge und Prüfungen erfolgen in englisch. Die Kenntnis weiterer Sprachen ist erwünscht.
Und wenn man diese Lehrgänge erfolgreich abgeschlossen hat, darf man jederzeit als Steward arbeiten?
Nun, bevor man auf die FEI-Liste kommt, hat wieder die Kommission der DRV, der FN und des jeweiligen Steward General ein Wörtchen mitzureden. Darüber hinaus muss man mindestensdrei Einsätze als Steward bei einem CI/CIO/CH der betreffenden Disziplin innerhalb der letzten drei Jahre und eine positive Beurteilung eines erfahrenen FEI-Chefstewards (Level 2 bzw. 3) der betreffenden Disziplin nachweisen.
Damit sind dann alle Voraussetzungen erfüllt?
Weitgehend ja, allerdings muss man alle drei Jahre einen so genannten ‚Refresher‘, also einen Fortbildungs- oder Auffrischungs-Lehrgang nachweisen.
Herr Clasen-Hoffmann, jetzt haben Sie uns eine Menge über die Aufgaben der Stewards und die Ausbildung erzählt. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Wie häufig müssen Sie eingreifen?
Unser Motto lautet: Helfen, vorbeugen und erst dann intervenieren. Ich selbst habe bislang noch keine Probleme erlebt. Nach meiner Erfahrung genügt unsere Anwesenheit an der richtigen Stelle. Und sollte sich einmal ein Reiter mit dem Reglement nicht so recht auskennen – das kann bei jüngeren Reitern oder Amateuren schon einmal vorkommen – ist es unsere Aufgabe, die Regeln zu erklären. Damit ist es dann auch meist getan, selbst wenn wir es mit Menschen unterschiedlicher Sprachen und Temperamente zu tun haben.
Und was passiert, wenn doch einmal ein Pferd mit einer Verletzung aus dem Parcours oder dem Viereck kommt?
Dann wird der Assistenz-Steward den Reiter nach einem genau festgelegten Procedere ansprechen, im Zweifelsfall den Chief-Steward holen und der wird im Ernstfall den President der Grand Jury informieren. Gemeinsam wird dann abgewogen, ob es sich bei der Verletzung um einen ungewollten Unfall, ein Versehen oder um etwas anderes handelt. Im schlimmsten Fall kann dann der Reiter für diese Prüfung oder aber sogar das ganze Turnier gesperrt werden. Letzteres habe ich aber noch nie erlebt.
Herr Clasen-Hoffmann, vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch.