Strahlfäule – eine weit verbreitete Erkrankung
Dipl. Ing. Florian Ruff kommt aus einer ‚Pferdefamilie‘. Springen und Vielseitigkeit, aber auch die Zucht ist ein Thema in diesem Hause. Kein Wunder, dass sich Florian Ruff, der selbst bis zur Klasse M im Springen unterwegs war, während seines Biomedizintechnik-Studiums vor allem um Pferde, bzw. aus persönlichen Gründen, deren Hufen widmete. Der junge Mann forschte, entwickelte erfolgreich und gründete bereits während des Studiums die Keralit Veterinär- und Pferdetechnik GmbH in Magstadt.
„Eines der Hauptprobleme bei Pferden in unseren gemäßigten Breitengraden sind Hornzersetzungsprozesse, wie die Strahlfäule oder die Zersetzung der weißen Linie, auch als ‚white line disease‘ bekannt. Nahezu 80 Prozent unserer Pferde haben geschädigte Hufe durch Strahlfäule. Bei manchen sind nur kleine schwarze Bereiche tief im Grund der seitlichen Strahlfurchen sichtbar, die oft schon beim korrekten Ausschneiden verschwinden,“ erklärt Ruff, der sich auch nach seinem Studium hauptsächlich mit dem Thema Pferdehuf befasst.
„Andere Pferde wiederum sind so stark betroffen, dass der Hufkratzer beim Auskratzen regelrecht in der getrennten mittleren und den seitlichen Strahlfurchen versinkt und an manchen Stellen schon die Strahllederhaut offen liegt, oder es sogar schon blutet. Die Folgen nicht oder falsch behandelter Strahlfäule sind schwerwiegender als allgemein angenommen wird: Strahlfäule bringt nicht nur den unangenehmen Geruch nach faulem Ei oder bakterielle Infektionen wie eitrig entzündete Hufabszesse mit sich, sondern führt langfristig auch zu einer schleichenden, zunehmenden Hufdeformation.“
Die Gründe für so viele von Strahlfäule betroffene Pferde sieht Ruff in der Haltung: „Ursprünglich lebten Pferde in steppenähnlichen Regionen mit recht trockenen klimatischen Bedingungen. Dort bewegten sie sich auf riesigen Flächen – Fäulnis am Horn kann in einer solchen Umgebung kaum auftreten. Bei der Stallhaltung, insbesondere bei Boxenhaltung, ist das Pferd auch bei sauberster Pflege gezwungen, in die eigenen Ausscheidungen zu treten. Dort lauern Bakterien und Pilze, die vor allem, wenn Ammoniak das im Horn vorkommende Protein Keratin geschädigt hat, hier einen guten Nährboden finden.“
Ammoniak entsteht besonders schnell in der warmen Jahreszeit durch die bakterielle Zersetzung des Harnstoffs im Urin des Pferdes. Das stechend riechende Gas ist leichter als Luft, und steigt deshalb aus der Einstreu auf. Ammoniak schädigt das im Horn vorkommende Protein Keratin, ebenso Haut und Lunge des Pferdes. Das nun chemisch vorgeschädigte Horn ist der ideale Nährboden für hornzersetzende Bakterien und auch Pilze. Diese zersetzen das Horn, dabei entstehen Zersetzungsprodukte wie beispielsweise Schwefelwasserstoff (Faul-Ei-Geruch), der wiederum Horn ablösen kann. Es entsteht ein Prozess, der sich wie ein Teufelskreis selbst aufrechterhält.
„Die Ernährung spielt für das Problem Strahlfäule eine eher untergeordnete Rolle“, erklärt uns Ruff, denn „Pferde können viele für das Hornwachstum erforderliche Stoffe selber aus dem Grund-Futter erzeugen, wie beispielsweise auch das Biotin (Vitamin H), ein zur B-Vitamin Gruppe gehörendes Vitamin. Ein echter Mangel kann in einem großen Blutbild dargestellt werden. Dennoch kann eine Zufütterung sinnvoll sein, insbesondere in der Zeit des Fellwechsels oder bei echten Hufproblemen. Man muss sich aber im Klaren darüber sein, dass es ca. zehn bis zwölf Monate dauert, bis das Horn der Hufwand einmal komplett herunter gewachsen ist. Sohle und Strahl erneuern sich rund alle zehn bis zwölf Wochen.“
Genetische Faktoren spielen bei Hufproblemen ebenfalls eine Rolle, dabei ist es aber weniger die vererbte schlechte Hornqualität, sondern es sind vielmehr ungünstige Hufformen wie enge, hohe, schmale Hufe und dünne Wände. Auch die oft sicher ebenfalls weitervererbten „Stellungsfehler“ zeheneng, zehenweit, bodeneng und -weit (oft noch in ungünstiger Kombination) spielen eine Rolle und sind vom Schmied oft kaum zu korrigieren. Diese genetischen Faktoren geraten bei der Auswahl der Elterntiere häufig gegenüber den Leistungsmerkmalen (Springen/Dressur usw.) in den Hintergrund.
Um Strahlfäule vorzubeugen rät Ruff, zu einer guten Boxenhygiene, Licht, frischer Luft und viel Bewegung auf weiten Ausläufen, Faktoren, die alle auf die Qualität der Hufe positiven Einfluss haben. „So findet man auch nach wochenlangen Regenperioden, mit matschigem Boden, bei Aufzuchtpferden auf großen Koppeln nur äußerst selten Probleme mit Strahlfäule“, erklärt der Fachmann.
Darüber hinaus, so banal dies klinge, sei das saubere Auskratzen der Hufe, besonders vor dem Reiten oder dem Koppelgang, enorm wichtig, da sonst der ammoniakhaltige Stallmist bis zum Abend in den Strahlfurchen und unterm Eisen bleibe, weder Licht, Luft noch Sand ans Horn gelange. Denn „die hornzersetzenden Keime sind anaerobe Keime, die genau dieses Milieu lieben;
feucht, dunkel, anaerob und den alkalischen pH-Wert vom Stallmist.“
Auch kürzere Hufschmiede-Intervalle seien ratsam, so Ruff. Schäden an Hufen und später auch den Gelenken kämen oft von überlang
en Beschlagsperioden, die ausbrechende Wände und gebrochene Zehenachse zur Folge hätten. Das hier gesparte Geld gebe man später mehrfach beim Tierarzt aus.
Und last but not least: Züchterisch solle man eben nicht nur auf Leistung züchten, sondern sich Hengst und Stute genauer ansehen, um nicht beispielsweise Stellungsfehler beim Nachwuchs noch zu verstärken. Ebenso sei die korrekte Hufpflege schon beim kleinen Fohlen extrem wichtig, da sich in der Zeit des Längenwachstums krumme oder zu flache Hufe auf den gesamten Bewegungsapparat negativ auswirken – bis hin zur Unbrauchbarkeit als späteres Reitpferd.