Pferdesport im ‚Reich der Mitte‘
Pferdesport hat in Deutschland eine rund 100jährige Tradition. Etwa 12.500 Reitanlagen bundesweit ermöglichen mit insgesamt über 62.500 Schulpferden und Ponys relativ flächendeckend den Zugang zum Pferd für nahezu jedermann. Doch das ist nicht überall so. ‚Stallgeflüster‘ sprach mit Alois Pollmann-Schweckhorst. Ihn brachten seine Pferde im Lauf seiner Karriere als Profi-Springreiter rund um die Welt – und in jüngster Zeit vor allem nach China und in den arabischen Raum.
„Die Entwicklung des Reitsports in Zentraleuropa ist deutlich weiter als anderswo“, berichtet die ‚Frohnatur des Deutschen Springsports‘. Seit vielen Jahren bildet er erfolgreich Pferde und Reiter für den internationalen Springsport aus und blickt auf eine Vielzahl eigener Erfolge zurück: Über 40 Nationenpreise in Europa, USA und Canada, Siegertouren weltweit im internationalen Grand Prix sowie vier Mal die Qualifikation für das Weltcup-Finale, bei den Deutschen Meisterschaften 2008 die Silber- und 2010 auf dem Hengst Chacco Blue die Bronze-Medaille. Zu seinen Erfolgspferden zählen neben der Stute ‚Candy‘ oder ‚Lord Luis‘ u.a. der von Vater Aloys gezüchtete ‚Aperio‘ und der von Bruder Elmar gezüchteten ‚Diamonds Daylight‘.
„Ich bin dankbar dafür, dass mich meine Pferde so um die Welt gebracht haben“, sagt Pollmann-Schweckhorst, der 2015 u.a. in Norwegen das Nationaltraineramt der norwegischen Springreiter übernahm und heute neben seinen Aufenthalten im Ausland Lehrgänge in ganz Deutschland gibt.
„In Europa ist die Infrastruktur einfach deutlich besser, als beispielsweise in China. Hier ist es relativ einfach eine Reitschule in der Nähe zu finden – in China gibt es weit über das Land verteilte Reitclubs, die auch Unterricht erteilen. Kinder, die das Reiten erlernen wollen, werden oft kilometerweit dorthin gefahren oder geflogen. Ein solcher Aufwand bedeutet natürlich auch, dass Reiten dann eher ein Sport für Privilegiertere ist – ein Umstand, der sich auch in den arabischen Ländern feststellen lässt.“ Denn auch hier ist Pollmann-Schweckhorst in ‚Sachen Pferdesport‘ durchaus zu Hause. „Neben der deutlich schlechteren Infrastruktur betreffend die Anlagen, haben Reitsportbegeisterte z.B. in China in weiteres Problem: Relativ wenige Pferde, die dort für den Sport zum Einsatz kommen können“, beurteilt Pollmann-Schweckhorst die Lage des Reitsports im fernen Osten. „Darüber hinaus sind diejenigen, die sich ein Pferd leisten können, natürlich auch überaus ehrgeizig. Sie wollen direkt und möglichst ohne Umwege sofort an die Spitze, zumal sie oftmals von den jeweiligen Provinzregierungen unterstützt werden. Das erzeugt natürlich einen gewissen Leistungsdruck. Aber so einfach geht das natürlich nicht – eine Erfahrung, die nahezu jeder Reiter machen muss. Schließlich reicht es nicht aus, das Teuerste zu kaufen – es gehörten auch das entsprechende Training und eine gute Portion Horsemanship dazu. Das ist ein Bewusstsein, das wir dort oft noch schaffen müssen.“
Hier jedoch ist er sicher, dass dies gelingt, denn: „Pferde und Sport erziehen zu Geduld und Demut“, meint er. „Auch wenn sich das Karussell im Spitzensport tierisch schnell dreht. Wichtig ist – übrigens nicht nur in China – dass nach dem Kauf eines Spitzenpferdes ein Trainer das ‚neue‘ Paar begleitet und den beiden die Chance bietet, sich langfristig zu entwickeln.“
Ein chinesischer Freund von Pollmann-Schweckhorst setzt die Notwendigkeit erfahrener Trainer und internationaler Reiter im ‚Reich der Mitte‘ bereits in der Praxis um. Da Pferde, die nach China importiert wurden, nicht wieder ausgeführt werden dürfen, ist es schwierig dort internationale Turniere durchzuführen. Huang Zuping, dem es 2008 gelungen war, sich in seiner Heimat für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, stellt z.B. regelmäßig einige seiner eigenen Pferde internationalen Reitern zu Turnieren in China zur Verfügung um dem Sport eine breitere und internationalere Basis zu verschaffen.
Als besonders schön und interessant empfindet der deutsche Trainer die Motivation, die man dort besonders Kindern und Jugendlichen angedeihen lässt: „Selbst bei großen internationalen Turnieren gibt es immer auch Prüfungen für den Nachwuchs. Und auch unter den Nicht-Aktiven massenhaft Kinder, die an das Pferd herangeführt werden. Bei so viel Engagement kann man nur gespannt sein, wie sich diese Nation in zehn Jahren einmal entwickelt haben wird.“
„Stallgeflüster“ / E. Stamm