Die Haftung der Stallbetreiber wurde verschärft
Jeder Pferdebetrieb der Pensionspferde hält, ist für das Wohlergehen der ihm anvertrauten Tiere verantwortlich. Das hat zur Folge, dass er für das Verfüttern von kontaminierten oder verdorbenen Futtermitteln oder Einstreu und den daraus entstehenden Erkrankungen der eingestellten Pferde haftbar ist.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einem jetzt bekannt gewordenen Beschluss (Beschl. V. 02.11.2016, Az 21 U 14/16) die Entscheidung folgendermaßen begründet:
„Verfüttert ein Landwirt oder Pensionsstallbetreiber kontaminierte Futtermittel an ein bei ihm eingestellten Pferd das hierdurch erkrankt, kann er dem Eigentümer des Pferdes verschuldensunabhängig nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) haftbar gemacht werden.“
Der Fall: Ein Pferdebesitzer hatte ihren neunjährigen Pintowallach bei einem Landwirt in Pension eingestellt. Zu den vereinbarten Aufgaben des Stallbesitzers gehörte unter anderem das Bereitstellen der selbsthergestellten Futtermittel (Heu und Silage) und das Füttern aller Pensionspferde.
Als das eingestellte Pferd zeitgleich mit anderen Pferden des Stalles deutliche Krankheitssymptome zeigte, diagnostizierte der herbeigerufene Tierarzt die Erkrankung Botulismus (Eine Vergiftung mit dem Botulismus Toxin, das durch das Einschließen toter Tiere in den Silageballen entstehen und den betreffenden Silageballen kontaminieren kann.) Das betroffene Pferd war durch das Verfüttern der Silage so schwer erkrankt, dass es trotz aufwendiger intensiver Behandlung letztlich eingeschläfert werden musste.
Das Landgericht verurteilte den Landwirt daher zur Übernahme der tierärztlichen Behandlungskosten und Schadensersatz für das verlorene Pferd in Höhe von 15.700 Euro (Urt.v. 27.11.2016, Az 8 O 166/11). Die Richter waren der Auffassung, dass der Mann zahlen müsse, da er auch ohne eigenes Verschulden für die entstandenen Kosten verantwortlich sei. Die ergebe sich nämlich aus dem benannten Produkthaftungsgesetz, das ihm eine verschuldungsunabhängige Gefährdungshaftung für den Fehler eines von ihm hergestellten Produkts auferlege. Die Silage sei ein Produkt im Sinne des Gesetzes, das durch die Kontamination mit den Krankheitserregern ein bestimmungswidrigen Fehler aufgewiesen habe. Der Landwirt sei auch Hersteller des Produkts, weil er das in seinem Betrieb verarbeitete Gras produziert, gemäht und gesammelt habe. Nach dem ProdHaftG hafte auch ein Grundstoffproduzent.
Außerdem habe er das von ihm selbst produzierte und geerntete Gras zur Herstellung der Silage weiterverarbeitet. Auch das mache ihn zum hafteten Hersteller.
Schließlich sei die Gefahr einer Verseuchung der Silage allgemein bekannt und dem Mann als Landwirt und Stallbetreiber bewusst gewesen. Er könnte sich deshalb nicht darauf berufen, für die Kontaminierung nichts zu können.
Der Stallbetreiber haftet außerdem im Rahmen des Einstellvertrages dafür, dass die gelieferten und verwendeten Kraft- und Raufuttermittel sowie Stroh und /oder Sägespäne für Pferde geeignet sind und dadurch kein Schaden an den eingestellten Pferden entsteht. Ein Stallbetreiber hat im Rahmen seiner Obhutspflicht generell alles zu unterlassen, was die eingestellten Pferde gefährden könnte.
Kommt ein eingestelltes Pferd zu Schaden, der durch verdorbene Futtermittel oder mangelhafter Einstreu (staubiges Stroh u.ä.) verursacht sein könnte, muss der Stallbetreiber als Anspruchsgegner beweisen, dass er mangelfreie Futtermittel und geeignete Einstreu verwendet hat (Beweislastumkehr). Er ist ebenso in der Beweispflicht, was die erforderliche Sorgfaltspflicht bei der Herstellung beziehungsweise beim Bezug der Futtermittel sowie bei der Lagerung und Verfütterung angeht. Der Stallbetreiber muss umfangreiche Sorgfaltsmaßnahmen ergreifen.
„Stallgeflüster“ / U. Schmelzer