Schleppjagd im Naturpark Rhein-Taunus
Ein Verein, der Traditionen pflegt, ist der Reit- und Fahrverein Hohenstein. Höhepunkt des Reiterjahres ist hier nicht, wie heutzutage in vielen Vereinen üblich, ein jährliches Turnier, sondern die herbstliche Schleppjagd.
Für das erste Oktoberwochenende hatte der Verein zu seiner inzwischen 29. Schleppjagd eingeladen – ein Ereignis, das unter Jagdreitern über die Region hinaus bekannt ist.
In strahlenden Herbst-Farben und mit Bilderbuchwetter, so präsentierte sich der Naturpark Rhein-Taunus am Sonntagmorgen beim Stelldichein in Hennethal. Ruhig und ohne jede Hektik wurden die letzten Vorbereitungen getroffen. Die zum Verein gehörende Jagdhornbläsergruppe sammelte sich und stimmte ihre Hörner ein. Peut à peut trafen die reitenden Gäste ein – darunter so manch einer, den man unschwer am Rock mit vielen Meute-Knöpfen als ‚Jagd-Profi’ erkennen konnte. Nette Gespräche, bei manchen auch ein wenig Freude darüber, Menschen zu treffen, die man schon längere Zeit nicht gesehen hatte. Dann noch ein wenig warten bis zum Eintreffen der Meute – und plötzlich wurde es auf dem Grillplatz beim Stelldichein lebendig.
Die Equipage der Rheinland-Meute hatte 24 Fox-Hounds mitgebracht, darunter einige jüngere Hunde, noch Anfänger in der Praxis. Dennoch ließen sich die Hunde kaum beeindrucken von den vielen Zuschauern und den mehr als dreißig Reitern. es folgte eine launige Ansprache des Jagdherrn, Fred Kadesch, 1. Vorsitzender des RuF Hohenstein, der aufgrund einer Verletzung an der Hand die Jagd zu seinem Ärger nur im Auto begleiten konnte. Schließlich noch die Hinweise der Equipage, man möge Rücksicht auf die jungen Hunde nehmen und dann ging’s unter den Klängen der Bläsergruppe, zunächst noch im Schritt, geordnet los. Insgesamt fünfzehn Kilometer umfasste die Jagdstrecke. Geritten wurde in zwei Feldern. Diejenigen, die die sechzehn festen, von Fred Kadesch selbst mitgebauten, freundlichen Hindernisse nicht springen wollten, hatten die Möglichkeit sie alle im zweiten Feld zu umreiten. Für die Zuschauer und Bläser standen Fahrzeuge mit Anhänger bereit, so dass die Reiter bei den meisten Schleppen gebührend begleitet waren.
Prachtvolle Bilder boten sich den Zuschauern – von der ersten bis zur letzten Schleppe. Auch der Stopp an der malerischen Obermühle, ein Genuss pur! Kleiner Schatten am Rande: Hier zeigte sich, dass obwohl die Einladung trainierte Pferde voraussetzte, der eine oder andere Reiter den Trainingszustand seines Pferdes überschätzt hatte. Schließlich sind neun Schleppen über eine Strecke von fünfzehn Kilometern, bei für die Jahreszeit recht warmen Temperaturen, auch für ein gut trainiertes Pferd anstrengend.
Bestens trainiert war übrigens bei dieser Jagd der mit Sicherheit älteste Teilnehmer: Horst Siegel (74) fungierte für die Equipage der Rheinland-Meute, zu der an diesem Sonntag die komplette Familie Siegel gehörte, als Schleppenleger. Das Ehepaar Barbara und Ralf Siegel sowie Sohn Florian waren gemeinsam mit dem Großvater und den Hunden aus Kleinmaischeid in der Nähe von Neuwied angereist, um hier im Taunus mit der Meute zu jagen. „Reiten und Jagen, das war schon immer Hobby in unserer Familie“, sagt der Senior. „Und ich fühle mich noch längst nicht zu alt für unser Hobby.“ Übrigens leben auch die Hunde auf dem Gelände der Reiter-Familie, die hier in Hennethal mit drei Generationen zu Pferd vertreten ist. Dass der heute 18jährige Florian die Familien-Tradition fortsetzt scheint niemanden zu verwundern: „Er reitet seit seinem dritten Lebensjahr“, erzählt uns Mutter Barbara, während Vater und Sohn die nach dem Curée zufriedenere Hunde verladen.
„Es war ein schöner Jagd-Tag im Rheingau-Taunus mit gut gebauten, ordentlichen Hindernissen“, resümierte Ralf Siegel die Jagd. „Ich freue mich schon heute auf Euren Anruf Anfang des kommenden Jahres.“ Und eine passionierte Jägerin, die noch nie eine Schleppjagd erlebt hatte, stellte fest: „Was für ein Erlebnis! Ich freue mich, dass ich an diesem schönen Sonntag mit dabei sein durfte.“
„Stallgeflüster“ / E. Stamm