Pferdefreunde aus Mittelhessen – Pferdenarren unterwegs
„Lasst uns Spaß haben bei unseren Events, kommt, macht mit und seid dabei“, so lautet die Botschaft der Pferdefreunde aus Mittelhessen in der virtuellen Welt von Nerofix.
Und weiter: „Die Gruppe ‚Pferdefreunde aus Mittelhessen’ ist die einzige Gruppe pferdebegeisterter Menschen in einem sozialen Netzwerk, wo wirklich was passiert!“
Und dass da etwas passiert, und zwar nicht nur virtuell – davon konnte sich ‚Stallgeflüster’ bei einem ersten Besuch im Gasthaus Schütz in Oberkleen überzeugen. Die Pferdenarren organisieren jährliche Events wie den Neujahrs-Ritt, einen Grüne-Soße-Ritt, denn Ritt in den Mai, die „Mon Cherie“-Tour zur Kirschernte, den Ritt auf dem Panorama-Weg und in der Weihnachtszeit den Glühwein-Ritt. Doch in diesem Jahr planten sie erstmals ein neues Ereignis: Einen Mehr-Tages-Ritt von Koblenz nach Oberkleen.
Doch, was ‚Stallgeflüster’ zunächst einmal interessiert: „Wie kommt eine solche Gruppe mit so schrägen Ideen wie dem ‚Mon Cherie-Ritt’ überhaupt zustande, und wer oder was steckt dahinter?“
Als Stallgeflüster-Redakteurin Elke Stamm das Gasthaus Schütz in Oberkleen – das ist der Hauptsitz der Gruppe – betritt, wird sie sofort freundlich mit einem „Guten Tag Frau Stallgeflüster“ begrüßt. Und dann folgt die Ansage: „Seit über 50 Jahren fröhne ich der Equitation. “Na, da hören wir doch mal genauer zu. Bei dem, der uns die beiden Ansagen gemacht hat, handelt es sich um Hartmut Schütz. Er und seine Frau Verena gehören zu den Gründern der ‚Pferdefreunde aus Mittelhessen’ und gehören zu den Mittelpunkten der Gruppe. Hartmut Schütz hat schon als kleiner Junge Opas Pferd heimlich aus dem Stall geholt und ist geritten. Im zarten Alter von 13 Jahren ließ er die Stute – ebenso heimlich – vom Hengst seines Freundes Emil Prinz decken. Anfängerglück: Mit dem Ergebnis aus diesem Sprung konnte er mindestens 120 Fuchsjagden reiten – danach hörte er auf, die weiteren zu zählen.
Als Hartmut Schütz dann 18 war und seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner begann, las er in einer Zeitung über die Rasse ‚Cob Normand’ und damit stand das nächste Pferde-Ziel fest: Einen ‚Cob Normand’ besitzen. Also ging es dann endlich, nach weiteren 18 Jahren, auf in die Normandie – ein im Vorfeld nicht geplanter oder verabredeter Besuch. Doch, wie das im Reiterleben so ist, Hartmut hatte Verbindungen in die Normandie, ebenfalls ein Pferde-Freak, der mittlerweile dort lebte und natürlich die Pferdeleute in der Normandie kannte, da er, bis wenige Jahre zuvor der Präsident des Zuchtverbandes war. Hartmut Schütz suchte nach einem Pferd, das so aussah, wie die Pferde früher hier, Pferde, wie die, mit denen sein Großvater und sein Vater die Landwirtschaft gemacht haben, ‚schwere Warmblüter’. So kamen nach einer langen Pferdebesichtigungstour in der Normandie ein Hengst und eine Stute nach Oberkleen. Und natürlich wurde der Hengst in Alsfeld gekört – als ‚Bester Hengst’ legte er 1999 in Dillenburg die Hengstleistungsprüfung ab. Neben Show-Vorführungen auf der Öko-Agrar kam der ‚Cob Normand’ Héron aus Oberkleen sogar ins hessische Fernsehen. Er war lange Jahre, bis kurz vor seinem Tod 2016, der einzige gekörte und leistungsgeprüfte Cob Normand Hengst weltweit außerhalb Frankreichs. Zur Zeit deckt ein weiterer Hengst in Marbach / Lauter und in Belgien werden Ardenner Stuten mit Cob Normand Hengsten gepaart um gängigere Kutschpferde unter dem Namen „Aratell“ zu erzeugen.
So viel nun also zur realen Welt zweier ‚Pferdefreunde aus Mittelhessen’, nämlich das Ehepaar Hartmut und Verena Schütz. In die virtuelle Welt des World Wide Web führte sie ein Zufall. Bekannte machten sie aufmerksam auf die Internetplattform ‚Wer kennt wen’. Groß war das Erstaunen der beiden als sie dort auf einer Seite ‚Pferdefreunde’ plötzlich auf viele Bekannte und Freunde stießen. Da wurden dann gemeinsame Ritte geplant, sich über Pferde ausgetauscht etc. „Die Gruppe damals ging bis Neuseeland“, erzählt Verena Schütz. Doch eines schönen Tages kam die Überraschung: Die Seite war weg – und mit ihr alle Einträge. Es war eine Seite gewesen, die von der Mutter eines kleinen Mädchens eingerichtet worden war – doch diese hatte mit Pferden nicht allzu viel im Sinn und die Seite gelöscht.
Kurzerhand gründeten Verena und Hartmut eine neue Gruppe bei wkw. „Zu Beginn waren nur Leute dabei, die wir aus dem realen Leben kannten“, erzählen die beiden. Doch bald schon mehrten sich auch hier die User. Schließlich werden hier jedes Jahr Events geplant, bei denen man als Pferdemensch viel Spaß haben kann. So zum Beispiel der ‚Grüne Soße-Ritt’ im Frühjahr. Dabei werden unterwegs die verschiedensten ‚Grünen Soßen’ verkostet, oder die „Mon Cherie“-Tour, wenn die Kirschen reif sind. Dabei werden dann unterwegs eigene Kreationen mit frisch gepflückten Kirschen, mitgebrachter Zartbitter-Schokolade und einem gehörigen Schuss Schnaps hergestellt.
Natürlich verleiht die Gruppe bei solchen Events auch Preise. So z.B. für die beste Grüne Soße, die am weitesten angereiste Gruppe oder die größte angerittene Gruppe. Zwischen 40 und 60 Pferde-Teilnehmern zählen Verena und Hartmut Schütz die Anzahl derjenigen, die sich an diesen Events beteiligen. Beim Glühweinritt im vergangenen Jahr haben sie sogar bis 65 gezählt – dann aber mit damit aufgehört – „es waren zu viele.“ Angereist waren sie aus den Nachbarorten aber auch über Strecken von mehreren hundert Kilometer, wie beispielsweise aus Aachen, Koblenz oder dem Münsterland. Dazu gehören in einer solchen Gruppe, die sich mittlerweile bundesweit verteilt, auch so genannte ‚Beauftragte’. Da gibt es beispielsweise die Oberbayern-Beauftragte ebenso wie die NRW- und Picture Beauftragte oder den Frauen-Beauftragten.
„Als wkw den Betrieb einstellte, wurde eine neue Gruppe im Portal ‚Nerofix’ gegründet , dort haben sich zwischenzeitlich wieder recht viele von wkw eingefunden“, berichten Verena und Hartmut Schütz.
Der Ritt von Koblenz nach Oberkleen hatte nicht ganz so viele Teilnehmer. Geplant war der Wanderritt zunächst mit fünf Teilnehmern – doch wurden daraus dann blitzschnell elf Reiter, von denen dann zehn starteten, um an diesen fünf Etappen von täglich zwischen 14 und 18 Kilometern teil zu nehmen. Start war am Sonntag der dritten August-Woche in Koblenz in Richtung Welschneudorf. Am Montag gings von dort nach Oberneisen, dann nach Aumenau, Laimbach und von dort nach Oberkleen. „Lediglich die Etappe, bei der wir die Lahn überqueren mussten, war mit 34 Kilometern recht lang“, erzählt Verena Schütz von ihrem insgesamt 117,45 Kilometer langen Ausflug. Übernachtet wurde in Wanderreitstationen, so dass Pferde und Reiter bestens versorgt waren. Auch der Wettergott war den Wanderreitern hold: Das Unwetter, das am Dienstagabend über dem Rhein-Main-Gebiet wütete, sahen die Teilnehmer von einer Anhöhe bei Niederbrechen anziehen. Es verschonte aber die Gruppe.
Lediglich die Rinder, die auf den Lahnwiesen weideten, sorgten mit ihren Glocken für ein wenig Aufregung unter den Pferden. Dennoch kamen alle wohlbehalten und überaus fröhlich wieder zu Hause an. Übrigens gerade rechtzeitig, um hier in Oberkleen am Samstag das 9. Gruppen-Jubiläum zu feiern und mit einem Sonnenaufgangsritt am Sonntagmorgen in ein neues Event-Jahr dieser außergewöhnlichen Reiterfreunde zu starten.
„Stallgeflüster“ / Elke Stamm