Ein Blick hinter die Kulissen bei Krämer
Welcher Reiter oder Pferdeliebhaber kennt nicht das Pferdesportzubehör-Versandhaus Krämer oder einen von dessen im Verlauf der letzten Jahre neu erbauten ‚Mega-Stores’?
In diesem Jahr feiert das Unternehmen sein 50jähriges Bestehen und lud Vertreter der Medien in die Zentrale nach Hockenheim ein. Dort erhielt ‚Stallgeflüster’ einen aufschlussreichen und interessanten Blick hinter die Kulissen des europäischen Marktführers im Reitsport-Handel.
„Dass Krämer entstand, ist eigentlich dem Zufall oder besser einem abendlichen alkoholseligem Beisammensein nach einem Jagdtag in Großbritannien zu verdanken“, berichtet Frank Schmeckenbecher, der das Unternehmen gemeinsam mit sieben weiteren Mitgliedern seiner Familie führt und ständig weiter entwickelt. „Der Gründer, Richard Krämer, war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der sich 1967 bereits zur Ruhe gesetzt und seine Geschäfte an Josef Neckermann verkauft hatte. Eigentlich wollte er jetzt nur noch seiner großen Leidenschaft, dem Reiten, frönen. Doch nach dem erfolgreichen Jagdtag in England saß er bei der anschließenden Feier mit dem Jagdherrn und Sattelmacher Barnsby zusammen. Am Ende der feucht-fröhlichen Runde war Richard Krämer Besitzer von zwanzig Sätteln.“
Zurück in Deutschland war der Jagd-Abend bald vergessen – doch einige Zeit später wurden bei Krämer zu Hause in Bad Kreuznach fünf riesige schwere Kartons angeliefert: Jeder von ihnen enthielt vier englische Sättel. Die wanderten, da Krämer nichts damit anzufangen wusste, zunächst einmal in den Keller seines Hauses – so lange, bis Ehefrau Maria ein Machtwort sprach und verlangte, dass ‚das Zeug’ verschwinden müsse. Also entschloss sich der Hausherr dazu, eine Anzeige in einer Reiter-Zeitschrift zu schalten. Die Folge: Die Sättel wurden ihm förmlich aus der Hand gerissen.
Getreu dem Motto: ‚Die Katze lässt das Mausen nicht’, bestellte der ehemalige Geschäftsmann Krämer Nachschub in England und gründete so – ohne es eigentlich zu wollen – den Sattelversand Krämer. Eine hohe Nachfrage ließ die kleine Firma rasch expandieren, Mitarbeiter wurden eingestellt. Krämers private Reithalle diente zunächst als Lagerraum – wurde aber mit zunehmendem Wachstum des kleinen Unternehmens geräumt und die Waren in Auslieferungslager überall in Deutschland verteilt. Den mit dieser Entwicklung verbundenen Stress hatte Krämer für sich nicht eingeplant – schließlich hatte er sich schon längst zur Ruhe gesetzt. Als sich dann Heinrich Schmeckenbecher um das Auslieferungslager in Baden-Württemberg bewarb, sah Krämer seine Chance auf den wohlverdienten Ruhestand und verkaufte 1973 das Unternehmen.
Der Firmensitz wurde von Bad Kreuznach nach Hockenheim verlegt, wo die Familie Schmeckenbecher ein geeignetes Betriebsgebäude besaß. Und auch hier wuchs die Firma kontinuierlich weiter: Aus den ursprünglich 2.500 Quadratmeter Betriebsgelände sind inzwischen 40.000 Quadratmeter geworden, die sich auf beiden Seiten der Autobahn A61 erstrecken. Die Firmengebäude wurden peut à peut erweitert, um- und angebaut – je nach Bedarf. „Hier saß kein anonymer Planer am Zeichentisch und entwarf die Strukturen für das Unternehmen, hier ist alles aus dem praktischen Alltagsleben gewachsen“, das ist die Erkenntnis, die sich ‚Stallgeflüster’ beim Rundgang über das Betriebsgelände vermittelt. Dass sich ein solches ‚natürliches Wachstum’ durchaus bewährt, zeigt das Handelsblatt-Ranking „Deutschlands beste Online-Händler“. Dabei wurde Krämer zum Branchenbesten unter den Reitsport-Händlern gekürt.
Doch nicht nur der Online- und Versand-Handel ‚liegen’ den Badnern. Bereits 2003 eröffnete Krämer seinen ersten Mega-Store im hessischen Florstadt, weitere folgen in den Jahren 2003 bis 2005. In diesem Jahr übernimmt Krämer auch die Mehrheitsanteile des Schweizer Unternehmens Felix Bühler und damit rund 100 Mitarbeiter sowie die sechzehn Geschäfte in der Schweiz. Darüber hinaus gibt es mittlerweile in Deutschland insgesamt 26 Mega-Stores, vier weitere in Österreich, einen in Frankreich. Weitere Filialen sind bereits geplant. Derzeit beschäftigt Krämer rund 800 Mitarbeiter und führt ein Sortiment von 25.000 Artikeln von mehr als 100 Herstellern.
Ein derart breit gefächertes Angebot erfordert selbstverständlich eine entsprechende Logistik. Dafür investierte das Familienunternehmen in ein hochmodernes Logistikzentrum zu dem ein automatisches Kleinteile-Lager und ein automatisches Paletten-Lager gehören. Hier geht alles, bis auf das Packen der einzelnen Pakete, automatisch. Sechzehn Meter hoch sind die Regale, aus denen die Regalbediengeräte die für jedes Versand-Paket benötigten Waren entnehmen und in kleinen Kisten an die jeweilige Packstation liefern. So ist es möglich, dass alle sechs Sekunden ein Paket fertig gepackt zum Versand gehen kann. Über eine Million Pakete mit rund 18 Mio. Einzelteilen werden hier jährlich gepackt und in Deutschland aber auch nach Österreich, Frankreich, der Schweiz, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Großbritannien verschickt. Solche Zahlen machen neugierig. Deshalb fragt ‚Stallgeflüster’ zunächst einmal nach den meist-verkauften Produkten. „Dazu gehört vor allem der Himalaya-Salz-Leckstein“, erklärt uns Christopher Schmeckenbecher, der u.a. zusammen mit Jennifer Schmeckenbecher für den Wareneinkauf verantwortlich ist. „Doch generell hat der Trend zur Mode zugenommen“, stellen beide einhellig fest und schätzen, dass die weibliche Kundschaft im Durchschnitt sich und ihr Pferd ein- bis drei Mal jährlich farblich neu ausstattet.
Entsprechend diesem Trend nach Mode behält der Einkauf natürlich die aktuellen Entwicklungen auf dem Modemarkt im Auge. Dennoch, soll es bei Krämer auch künftig keine Produkte geben, die nichts mit dem Pferd zu tun haben. „Das ist bei einem Shirt natürlich schwieriger als bei einer Hose“, meint Jennifer Schmeckenbecher. „Und wo liegen die Schwerpunkte bei der Ausstattung für das Pferd?“, fragt Stallgeflüster weiter. „Zum einen geht es inzwischen auch da um Farben.
Aber vor allem auch um die Entwicklung anatomisch verbesserter Produkte“, erläutert uns die junge Dame, deren eigenes Pferd häufig dafür herhalten muss, solche neuen Teile in der Praxis zu testen. Da sind wir bereits gespannt, was uns im nächsten Winter an Neuigkeiten erwartet: Im Hause Krämer weiß man das schon.
„Stallgeflüster“ / Elke Stamm