Kaltblüter, überaus Cool – und unglaublich vielseitig im Einsatz
Imposant und mit einer unbestechlichen Ruhe, so kommen die Kaltblüter daher.
Viele ältere Menschen sind ihren Anblick noch von früher gewöhnt – die jüngere Generation ist oft beeindruckt von der Masse an Tier, den kräftigen Fesseln meist mit viel Behang und den großen Hufen. Denn, wer heute an ein Pferd denkt, sieht vor seinem inneren Auge das moderne Reitpferd im Spring- oder Dressursport, elegant, schnell und leichtfüßig in der Bewegung.
Als das Kaltblut in der Landwirtschaft nicht mehr benötigt wurde, verschwand es zunehmend von der Bildfläche. Die Brauereien stellten ihre Fuhrparks auf motorisierte Fahrzeuge um und hielten lediglich noch das eine oder andere Gespann zu Repräsentationszwecken. Aber auch diese verschwinden langsam von der Bildfläche – man denke nur an das Licher-Traditionsgespann.
In der Folge dieser Entwicklung waren viele dieser schweren alten Pferderassen bereits stark gefährdet und standen auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Haustierrassen.
Inzwischen scheint sich der Trend ein wenig zu wandeln: Immer öfter trifft man im Freizeitbereich auf Menschen, die den Charakter dieser Pferde zu schätzen wissen – und das nicht nur im Fahrsport. Denn generell wurde bei der Zucht dieser Pferde Wert auf gute Führbarkeit, ausgeprägten Arbeitswillen, Gutmütigkeit, Gelehrigkeit und Robustheit gelegt. Schließlich waren sie mit ihrer Muskelkraft über hunderte von Jahren die ‚Motoren der nicht-motorisierten Wirtschaft’. Das betraf den Transport von Gütern und Menschen, die Arbeit in der Landwirtschaft, aber auch der frühen Industrie.
‚Stallgeflüster’ besuchte am Ostersamstag eine Gruppe von Kaltblut-Fans, die sich getroffen hatten, um gemeinsam eine Vorführung zu proben, die – so Initiatorin Andrea Lauth – „die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten der starken Pferde zeigen soll.“ Und ‚Stallgeflüster’ staunte nicht schlecht über die meist ähnlichen Beweggründe, sich für ein Kaltblutpferd zu entscheiden. Da ist zunächst Sylvia Sattelmeier, die nach 25 Jahren mit einem Traber nach einem geeigneten Pferd suchte, das sowohl ihren etwas schwereren Mann tragen würde und mit dem man die Kinder problemlos an das Reiten heranführen konnte. Sie entschied sich vor zehn Jahren für einen Freiberger und hat das bis heute nicht bereut. Mittlerweile hat sie sogar angefangen das Fahren zu erlernen: „Für gemeinsame Familienausflüge mit Pferd am Wochenende.“ Kirsten und Winfried Kähler kommen aus dem Fahrsport und waren früher mit Ponys unterwegs. „Wir wollten aber auch reiten“, erzählt Kirsten. „Da wir beide nicht zu den Leichtgewichten gehören, haben wir uns für Süddeutsche Kaltblüter entschieden. Damit können wir beides: Reiten und Fahren.“
Auch Familie Heinz, bestehend aus Mutter Beatrix, Vater Peter und den Töchtern Rebekka und Katharina haben sich für Kaltblutpferde entschieden. Die Damen reiten alle und haben derzeit Zwei Süddeutsche Kaltblüter und zwei Freiberger. Dann ist da noch Katja Jokiel-Gondek. Sie war jahrelang mit Sportwarmblütern auch auf Turnieren unterwegs. Für ihren Mann, der ins Gelände gehen wollte, suchte sie sich einen Schwarzwälder aus. Und dass man ein Kaltblutpferd auch im Sport reiten kann, bewies sie mit Mondo dann auch gleich: Er ist immerhin M-platziert. Mittlerweile hat Mondo den Besitzer gewechselt: Frank Wolf, der Mondo kannte, seine Rittigkeit und Coolness schätzte, übernahm den Kaltblüter nach dem Ausscheiden seines Sportpferdes.
Die hervorstechenden Charaktereigenschaften wie gute Führbarkeit, Ruhe, Arbeitswille und Gutmütigkeit stellen die ‚schweren Jungs und Mädels’ schon beim Ausladen auf dem fremden Parkplatz unter Beweis: Da gibt es keine Hektik, kein Zicken oder Scheuen. Ganz in Ruhe geht anspannen und Satteln vonstatten, in aller Ruhe bewegen sich Reiter und Fahrer auf den riesigen Sandplatz zu. Keine Hektik, keine Aufregung – man möchte meinen die Vierbeiner hätten das alles schon hundert Mal gemacht.
Doch dann, in den einzelnen Aufgaben, stellen die Dicken unter Beweis: Der Begriff Kaltblut, woher er auch immer stammen mag, hat nichts zu tun mit ‚temperamentlos’. Hier geht’s richtig zur Sache – sowohl im Trab als auch im Galopp! Und wir freuen uns bereits auf die fertige Vorstellung mit Musik Anfang Mai.
„Stallgeflüster“ / Elke Stamm