Der Traum von Ferien auf dem Reiterhof – in Oberissigheim wird er wahr
Etwa sieben Kilometer nordwestlich der Stadt Hanau liegt, malerisch im Main-Kinzig-Kreis, das Dorf Oberissigheim.
Es gehört heute zur Stadt Bruchköbel, wurde aber bereits 850 erstmals urkundlich erwähnt – obwohl es zu damaliger Zeit noch zusammen mit Niederissigheim ein Dorf bildete. Wer hier her kommt, findet neben den Neubaugebieten noch eine Reihe zauberhafter alter Fachwerkhöfe im Kern des Dorfes. Einer dieser typischen hessischen Viereck-Höfe, teils Fachwerk, teils Natursteinmauerwerk, ist der Rosenhof, ein Reiterhof, der vor allem Kindern tolle Ferien-Erlebnisse auf dem Reiterhof anbietet.
Es sind Osterferien, als ‚Stallgeflüster’ den Hof besucht. Und das erste, was wir über das zur Straße hin geschlossene Tor wahrnehmen sind Kinder. Doch, wer glaubt, das hier wilde Kinderhorden einher tollen, der hat sich getäuscht. Die jungen Damen im Alter von etwa acht bis neun Jahren sind gerade auf dem Weg ins Haus und diskutieren dabei, wer wen wann reitet.
Freundlich, aber nicht aufdringlich, begrüßen uns sofort darauf zwei Schäferhunde, gefolgt von der Hausherrin Alice Knop von Schwerdtner, die uns gleich auf einen Rundgang über den Hof – oder besser gesagt – die beiden Höfe mitnimmt. Denn, was hier zunächst klein begann, entwickelte sich zu einem beachtlichen Betrieb. Die Familie war 1963 aus dem Norden kommend, nach Hessen gezogen und hatte den damals recht herunter gekommenen Hof erworben. Alice Knop von Schwerdtners Mutter Gabriele hatte den Traum davon, es Kindern zu ermöglichen ihre Ferien mit Pferden zu verbringen. „Denn einen Reiter- oder Ponyhof hatten wir in der Familie nicht vorgesehen“, erzählt die Hausherrin. Doch aus Mutters kleinen Anfängen mit einem Pony entwickelte sich bald eine steigende Nachfrage nach Ferien mit Pferd. Die Familie erwarb auch den Nachbarhof – ebenfalls ein Fachwerk-Ensemble und baute Stallungen und Scheunen aus. So entstanden im Lauf der Zeit insgesamt dreizehn helle, freundliche Gästezimmer für jeweils zwei bis sieben Kinder, die hier ihren Traum von den Ferien auf dem Reiterhof verwirklichen können.
Bei allen nach und nach getätigten Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen blieb der ursprüngliche Charakter des Hauses und Hofes erhalten. Viele der Räume haben noch die ursprünglichen, kunstvoll gestalteten Steinböden, die Decken sind mit Stuck verziert, Wer zur Haustür hereinkommt, findet sofort den Mittelpunkt des Bauernhauses, die Küche. Eine angenehme, heimelige Atmosphäre, die an längst vergangene Zeiten erinnert. Das einzige, was uns zeigt, dass wir hier nicht auf einem alten Bauernhof zu Gast sind, sind die Pläne, die an den Ein- und Ausgangstüren hängen. Darauf ist genau abzulesen, was für wen an diesem Tag auf dem Programm steht. Und, das ist eine Menge.
Pferdewirtin Alice Knop von Schwerdtner teilt ihre Gäste, so wie man es aus fast allen Reitschulen kennt, in Gruppen ein: Anfänger, Mittelfortgeschrittene und Fortgeschrittene. Davon unabhängig hat jedes Kind ein festes Pflegepferd, das es putzen und versorgen darf. Doch der Unterricht und der Ausreit-Spaß richten sich nach dem individuellen Können der Gäste. Die Fortgeschrittenen dürfen morgens die Pferde vom nächtlichen Koppelgang hereinreiten und einen anderthalbstündigen Ausritt genießen. Während dieser Zeit sind die Anfänger und Mittelfortgeschrittenen damit beschäftigt, sich in Theorie Anfänger-Reitstunden fortzubilden – das ganze natürlich nicht ohne Spiel- und Bastel-Einlagen in einem der großen Gemeinschaftsräume. Nach dem Mittagessen gehen die ‚Großen’ zur Verbesserung ihres reiterlichen Könnens in die Reithalle, während Anfänger und Mittel-Fortgeschrittene sich über ihren (noch) geführten Ausritt freuen.
Einer der am spannendsten erwarteten Augenblicke des Tages ist Mittag um 14.00 Uhr. Da findet die Zimmerkontrolle statt und die Spielregel des Hofes heißt: Wer das ordentlichste Zimmer hat, darf sich abends bei der Pferdeverteilung um 19.00 Uhr zuerst das Pferd für den nächsten Tag aussuchen. Wer hier unordentlich ist, muss nehmen, was übrig bleibt. Wen wundert’s, dass wir bei unserem Besuch – obwohl lange vor der Zimmerkontrolle – ausschließlich überraschend aufgeräumte Kinderzimmer sahen – sicherlich der Traum einer manchen Mutter.
„Auch mit den Zu-Bett-Geh-Zeiten gibt es keine Probleme“, erzählt die Hausherrin. „Wenn ich abends zwischen neun und kurz vor zehn durchs Haus gehe und noch jedem Kind ein ‚Betthupferl’ bringe, werden die Lichter sehr rasch ausgemacht, schließlich freut man sich schon jetzt auf den nächsten Tag.“ Bei unserem Besuch in Oberissigheim sind – obwohl wir kaum etwas davon bemerken – knapp fünfzig Kinder auf dem Hof. Sie verteilen sich auf die Gruppen, die gerade ausreiten, die die gerade in der Reithalle spielerisch lernen und diejenige, die im Haus gerade in den Gemeinschaftsräumen spielen und basteln. Für einen reibungslosen organisatorischen Ablauf sorgen eine Hauswirtschafterin, vier Reitlehrer und drei FÖJler, die, um hier ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr absolvieren zu dürfen, eine Reitausbildung bis zur Klasse A nachweisen müssen.
„Dazu kommen noch freiwillige Betreuer, die früher selbst einmal als Ferienkinder hier auf dem Hof zu Gast waren und die heute studieren oder arbeiten. Oft haben sie eine enge Bindung an den Hof entwickelt und freuen sich, wenn sie hier sein dürfen. Auch viele von den Ferien-Kindern sind ‚Wiederholungstäter’ etwa 80 Prozent von ihnen kommen regelmäßig wieder“, schätzt Knop von Schwerdtner. „Dabei kommen eine ganze Reihe der acht- bis fünfzehnjährigen aus dem Rhein-Main-Gebiet aber auch aus dem Ausland, wie Frankreich oder den USA.
„So viele Kinder, so viele Pferde – Klein-Pferde, Groß-Pferde und Ponys, rund 50 an der Zahl. Gibt es da nicht auch Probleme?“, will Stallgeflüster abschließend gerne noch wissen. Doch Alice Knop von Schwerdtner schüttelt den Kopf. „Kaum meint sie. Ab und zu einmal einen Streit, oder ein wenig Heimweh – aber das lässt sich meist schnell lösen, z.B. durch einen Zimmertausch oder ein Telefonat mit zu Hause. Aber generell geht das sehr gut. Hier wurden schon viele, sehr intensive Freundschaften fürs Leben geschlossen, sogar eine Ehe war dabei. Schließlich ist allen Kindern, die hierher kommen eines gemein: Die Liebe zur Natur und dem Pferd. Das verbindet sie sehr.“
Da kann man nur hoffen, dass sich noch viele Kinder-Generationen ihren Traum von den Ferien auf dem Reiterhof in diesen historischen Gemäuern verwirklichen dürfen.
„Stallgeflüster“ / Elke Stamm